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 Die große Koalition hat die Angleichung der Ostrenten an das Westniveau beschlossen.

© dpa

Alterssicherung in Deutschland: Der Rentenwahlkampf ist eröffnet!

Die Große Koalition hat eine umfassende Reform der Alterssicherung vorerst vertagt. Dabei gäbe es einiges zu tun. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Cordula Eubel

Es klingt nach einem Scheitern. Doch dass Union und SPD vor der Bundestagswahl keine große Rentenreform mehr hinbekommen, ist nicht unbedingt eine schlechte Nachricht. Zumindest sind die Koalitionspartner nicht der Versuchung erlegen, für die nächsten 30 Jahre ein Rentenniveau zu garantieren, das die Beitragszahler teuer zu stehen gekommen wäre. Die sozialdemokratische Arbeitsministerin Andrea Nahles hat stattdessen ihr eigenes Rentenkonzept vorgelegt. Der Rentenwahlkampf ist damit eröffnet.

Dass die Rentenpolitik im Jahr vor der Bundestagswahl zum großen Thema wurde, liegt nicht zuletzt an den Parteichefs von CSU und SPD. Im Frühjahr traten Horst Seehofer und Sigmar Gabriel eine Debatte über Altersarmut los, verstärkt durch irreführende Prognosen, wonach jedem zweiten Deutschen Altersarmut drohe. Nahles begründet die Vorlage ihres Rentenkonzepts nun auch damit, sie habe diesen Eindruck nicht stehen lassen wollen. Die Arbeitsministerin hat recht: Bei allen Lücken, die es in der Alterssicherung gibt, ist die Situation nicht so dramatisch, wie manche Horrorszenarien vermuten ließen.

Statistische Werte sagen nicht viel über individuelle Situationen

Das Problem ist nur: In den vergangenen Monaten konnte man den Eindruck gewinnen, das Rentenniveau sei die entscheidende Größe im Kampf gegen Altersarmut. Dabei sagt der statistische Wert über die Situation des einzelnen Rentners noch nicht viel aus. Einem Geringverdiener nutzt es wenig, wenn sein Rentenniveau in 30 Jahren bei 46 statt bei knapp 42 Prozent liegt. Wie gut es einer Rentnergeneration geht, liegt außerdem nicht zuletzt daran, wie sich der Arbeitsmarkt und die Löhne entwickeln.

Das heißt nicht, dass die Politik die Debatte über die langfristigen Rentenfinanzen nicht führen sollte. Die bisherigen gesetzlichen Festlegungen reichen nur bis ins Jahr 2030. Bis dahin darf der Beitrag nicht über 22 Prozent steigen und das Niveau nicht unter 43 Prozent sinken. In den Jahren danach geht die Generation der Babyboomer in Rente. Für diese Zeit neue Ziele zu definieren, ist deshalb sinnvoll. Auch, weil das System der Alterssicherung auf langfristigen Verabredungen basiert. Nahles hat mit ihrem Konzept für einen „neuen Verteilungskompromiss“ zumindest einen ersten Vorschlag präsentiert, über den man nun trefflich streiten kann. Grund zur Eile besteht bei dem Thema aber nicht.

Rentenpolitik kann nicht alles reparieren

Viel dringender ist, dass die Politik gezielt etwas gegen Altersarmut unternimmt. Die von der Koalition geplanten Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner, die wegen gesundheitlicher Einschränkungen früher ihren Beruf aufgeben müssen, sind ein Fortschritt. Für andere Problemgruppen haben Union und SPD leider noch keine gemeinsame Antwort gefunden: So ist der Versuch, Selbstständige zur Vorsorge zu verpflichten, vorerst gescheitert.

Klar ist aber auch: Die Rentenpolitik kann nicht alles reparieren, was in einem Berufsleben schiefgegangen ist. Wer sein Leben lang mit niedrigen Löhnen auskommen musste oder lange arbeitslos war, wird auch im Alter keine auskömmliche Rente bekommen. Mindestens genauso wichtig wie vollmundige Rentenversprechen sind daher Vorschläge, wie der Niedriglohnsektor in Deutschland begrenzt werden kann. Oder Ideen, wie sich in einer Arbeitswelt, die mit der Digitalisierung vor einem rasanten Umbruch steht, ordentliche Jobs sichern lassen.

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