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AfD-Parteichef Bernd Lucke

© dpa

Alternative für Deutschland: Bernd Lucke sucht die Entscheidung im Flügelkampf

Die Alternative für Deutschland (AfD) streitet erneut. Doch diesmal könnte es zur Entscheidung zwischen den verschiedenen Strömungen kommen. Parteichef Bernd Lucke kämpft gegen Teile der Partei - denn sein Führungsstil ist vor allem im Osten höchst umstritten.

Ludwigsburg oder Leipzig? An der Antwort auf diese Frage könnte viel hängen für die „Alternative für Deutschland“ (AfD). Die beiden Städte in Baden-Württemberg und Sachsen sind zurzeit als Tagungsort für den nächsten Bundesparteitag im Gespräch. Er soll im Juni stattfinden, der Vorstand wird dort neu gewählt. Bisher war der Parteitag als Delegiertentreffen geplant, jetzt aber gibt es Bestrebungen, die Mitglieder direkt über die künftige Spitze entscheiden zu lassen. Entscheidend ist deshalb, wer seine Truppen besonders gut mobilisieren kann: Die konservativen Landesverbände im Osten, oder die im innerparteilichen Vergleich liberaleren aus dem Westen.

Dass zwei unterschiedliche Flügel in der AfD sich streiten, ist nichts Neues. Neu ist allerdings, dass Bernd Lucke nun offenbar die Entscheidung sucht. Der Europaabgeordnete, bisher einer von drei gleichberechtigten Parteisprechern, will alleiniger Parteivorsitzender werden – und bei dieser Gelegenheit offenbar auch einen möglichst linientreuen Vorstand zur Seite gestellt bekommen. So jedenfalls wird sein Auftritt bei einer Sitzung der noch amtierenden AfD-Spitze am vergangenen Freitag gewertet – und darauf deutet auch ein Brief Luckes vom Samstag an die Mitglieder der AfD hin, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Lucke erlitt vor kurzem im eigenen Landesverband Schiffbruch

Lucke wendet sich darin mit deutlichen Worten gegen die „Erfurter Resolution“. Sie war vor einer Woche von dem thüringischen Landes- und Fraktionschef Björn Höcke in Umlauf gebracht worden. Unter anderem wird die AfD darin als „Widerstandsbewegung gegen die weitere Aushöhlung der Souveränität und der Identität Deutschlands“ bezeichnet. Nach eigenen Angaben soll sie inzwischen von mehr als 1500 der etwa 20000 AfD-Mitglieder unterzeichnet worden sein.

Höcke tauchte am Wochenende ab – womöglich ist er überrascht von Luckes heftiger Reaktion auf seinen Vorstoß, obwohl dieser in die Entstehung des Textes eingeweiht gewesen sein soll. Aus den ostdeutschen Landesverbänden heißt es, Lucke überschätze die Wirkung der Erfurter Erklärung völlig und reagiere nur deshalb so geharnischt, weil er kürzlich in seinem eigenen Landesverband in Niedersachsen Schiffbruch erlitten habe. Nun befürchte er ein schlechtes Wahlergebnis bei der Vorsitzendenwahl im Juni.

Lucke schreibt in seinem Brief von „einer anderen AfD“, die er verhindern wolle: „Die Erfurter Resolution atmet den Geist einer grundsätzlichen Systemkritik bei gleichzeitiger Verengung der politischen Stoßrichtung auf wenige Themen, die mit Schlagworten wie Gender, Multikulti und ,Gesellschaftsexperimente‘ beschrieben werden.“ Bereits einige Tage zuvor hatten Anhänger Luckes mit einer „Deutschland-Resolution“ reagiert. Prominentester Unterzeichner ist der stellvertretende Parteichef Hans-Olaf Henkel. Er wirft dem einst als Wahlsieger gefeierten Höcke inzwischen eine Reduzierung der AfD auf „völkisches Gedankengut“ vor.

Auch sonst gibt es Indizien dafür, dass Lucke mit kräftiger Unterstützung Henkels den Flügelstreit auf die Spitze treiben will. So soll die Absetzung des bisherigen Bundesgeschäftsführers Georg Pazderski vor einigen Wochen vor allem auf dessen gutes Verhältnis zu den beiden ostdeutschen Landeschefs Frauke Petry und Alexander Gauland zurückzuführen sein. Äußern wollte Lucke sich am Sonntag zu seinem Brief nicht.

Lucke könnte sich beim Parteitag als Stimme der Vernunft darstellen

Fragen werfen auch finanzielle Querelen auf, in die der nordrhein-westfälische Landeschef und EU-Abgeordnete Marcus Pretzell verwickelt ist. Das Finanzamt Bielefeld hatte ein Parteikonto der Landes-AfD gesperrt, weil es Steuerschulden von Pretzell eintreiben wollte und dabei auch Zugriff auf ein etwaiges Parteigehalt bekommen wollte. Pretzell bestreitet ein persönliches Verschulden. Doch der AfD-Bundesvorstand beschloss am Freitag, die Sache untersuchen zu lassen. Immer wieder war der eloquente Jurist als möglicher Gegenkandidat zu Lucke gehandelt worden. Nicht wenige in der AfD vermuten deshalb, dass die Kontenaffäre bewusst jetzt öffentlich wurde, um Pretzell zu schaden.

Völlig unklar ist, ob ein Kaltstellen von Teilen des nationalkonservativen Flügels auch zu einer anderen inhaltlichen Aufstellung der AfD führen würde. Denn auch Lucke schreibt in seinem Brief, für die AfD blieben „Themen wie Zuwanderung, Integration und Islam“ wichtig. Manche vermuten, Lucke haue nur deshalb so auf Höcke ein, weil dieser mit seiner provokanten Art für viele in der AfD ein rotes Tuch sei. Umso leichter könne sich Lucke im Juni als Stimme der Vernunft darstellen – und damit bei den einfachen Mitgliedern punkten, die dem Parteichef gegenüber unkritischer seien als viele Delegierte. Fabian Leber

Die AfD im Landtag I: Brandenburg

Alexander Gauland warnt vor "weiteren Parallelgesellschaften" in Deutschland.
Alexander Gauland warnt vor "weiteren Parallelgesellschaften" in Deutschland.

© Kai-Uwe Heinrich

Als Alexander Gauland Anfang Oktober als Alterspräsident den neuen Landtag Brandenburg eröffnete, blieb der Skandal aus. Doch der Start lief für die AfD holprig, für Gauland, Ko-Parteichef im Bund, in Brandenburg Landes- und Fraktionschef, sogar persönlich. Statt der elf Sitze, die die Partei holte, sind es zehn. Gaulands Schwiegersohn hatte aus Sorge um einen Rechtsruck die Vergangenheit von Fraktionskollegen in rechten bis rechtsextremen Kreisen publik gemacht. Nun ist er fraktionslos und soll aus der Partei ausgeschlossen werden. Sein potenzieller Nachrücker machte Schlagzeilen mit einer antisemitischen Karikatur bei Facebook. Inzwischen gibt es einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung gegen ihn. Gauland wird wie seine unerfahrenen Fraktionsmitglieder im Landtag geschnitten. Sie setzen klar auf Asylpolitik. Den Vorwurf, die Partei fahre einen harten Rechtsaußen-Kurs, Gauland sei ein geistiger Brandstifter, befeuern sie selbst – etwa wenn sie die konsequente Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern fordern, die „hier bei uns und auf unsere Kosten leben“. Die terroristischen Anschläge von Paris interpretierte Gauland als Rechtfertigung für die Pegida-Bewegung. Er warnte vor Islamisierung und Einwanderung von Menschen aus Nahost, die zum hiesigen Kulturkreis nicht passten.

Die anderen Fraktionen werfen Gauland und AfD offen Fremdenfeindlichkeit vor und stellen sie in eine Linie mit NPD und Republikanern. Die Folge: Mit ihrem Kandidaten für die – für den Verfassungsschutz zuständige – parlamentarische Kontrollkommission scheiterte die AfD wegen dessen rechter Vergangenheit mehrfach. Ansonsten fragt die AfD auch, wie viel Mittel in Geschlechterforschung investiert werden. Oder sie beantragt, Brandenburg müsse darauf drängen, dass in den Abendnachrichten des ZDF „die aktuelle geografische Gestalt“ Deutschlands in Europa erkennbar wird. Unumstritten sind Gaulands rechtskonservativer Kurs und seine Forderung, den „rechten Flügel“ zu stärken, an der Basis keineswegs. Alexander Fröhlich

Die AfD im Landtag II: Sachsen

Im Partykeller. Die Spitzenkandidatin der AfD in Sachsen, Frauke Petry, holte für ihre Partei zehn Prozent der Stimmen. In die Regierung kommen wird sie aber wohl trotzdem nicht.
Im Partykeller. Die Spitzenkandidatin der AfD in Sachsen, Frauke Petry, holte für ihre Partei zehn Prozent der Stimmen.

© Sebastian Willnow/dpa

Der Kaktus, den AfD-Landeschefin Frauke Petry Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) im November nach dessen Wahl im Landtag überreichte, sollte Symbolwert haben. Als „Stachel im Fleisch der Regierung“, so Petry, wolle ihre 14-köpfige Fraktion agieren. Ein knappes halbes Jahr nach Antritt der AfD im sächsischen Parlament kristallisiert sich immer deutlicher heraus, dass Petry gar nicht die ganze Regierung gemeint hat. Wenn der Kaktus piekst, piekst er in der Regel nach links. Wiederholt hat sich Petry sprachlich wuchtig die SPD vorgeknöpft, die im Freistaat kleiner Partner einer großen Koalition ist. Dass dabei mitunter die Ebenen verrutschen und die sächsische AfD-Landeschefin die Bundes-SPD anzählt – geschenkt. Was zählt, ist das konservative Weltbild. Die AfD-Fraktion inszeniert sich im Zweifelsfall statt als Stachel eher als Korrektiv der CDU – und zwar von rechts.

Dabei gehören inhaltlich große Schnittmengen und gelegentliche Flirts zum Spiel: Wie CDU-Innenminister Markus Ulbig und Dresdner CDU-Abgeordnete traf sich auch Petry mit Pegida-Organisatoren und Demonstranten. Ihre Fraktion stellt sich explizit hinter die Bewegung: Sie sei „wichtig und unverzichtbar für dringend benötigte politische Veränderungen in unserem Heimatland Sachsen und ganz Deutschland“. Auch Papiere und Positionen der Union und der AfD-Fraktion zur Asylpolitik klingen an vielen Punkten sehr ähnlich. Ein weiteres gemeinsames Feindbild ist der Linksextremismus: Wenn Redner von AfD und CDU im Landtag Aktionen der recht lebendigen Leipziger Autonomen-Szene kritisieren, spenden sich die Abgeordneten schon mal gegenseitig Applaus. Diese Momente sind schon die auffälligsten Szenen der Parlamentsneulinge. Inhaltlich ist der rechtskonservative Kurs, mit dem die Sachsen und Frauke Petry als Person zuweilen auch in der Gesamtpartei anecken, aber immer präsent. Die 39-Jährige ist mit dem Start nicht unzufrieden: Es sei gelungen, „mehrere Akzente zu setzen“. Lars Radau

Die AfD im Landtag III: Thüringen

Björn Höcke, AfD-Chef in Thüringen
Björn Höcke, AfD-Chef in Thüringen

© Reuters

„Rotfaschisten“ seien es gewesen, die in seinem Wahlkreisbüro die Scheibe eingeschmissen hätten, wetterte AfD-Fraktionsvize Stephan Brandner unlängst im Erfurter Landtag. Dafür wurde er vom Parlamentspräsidenten gerügt. Bisher macht die AfD, die seit einem halben Jahr mit elf Abgeordneten im Parlament sitzt, vor allem durch Provokationen auf sich aufmerksam: Von den sechs Ordnungsrufen und Rügen gingen vier an sie.

Inhaltlich kam von den politischen Senkrechtstartern des Jahres 2014 jedoch nur wenig. Das liegt wohl auch daran, dass die AfD von den anderen Fraktionen geschnitten wird. Man werde „ein wenig ausgegrenzt“, klagt Fraktions- und Landeschef Björn Höcke. „Das ist nicht nur unser Verschulden, sondern auch das Verschulden der Altparteien.“ Viele Abgeordnete von Grünen und Linken würden ihn nicht mal grüßen. So verbindlich Höcke im persönlichen Umgang wirkt, so eifernd kann er werden, wenn er auf der politischen Bühne steht. Da tritt der Oberstudienrat mit viel Pathos auf. „Wer es wagt, die Seele unserer Kinder anzurühren, muss mit unserem Widerstand rechnen“, empörte er sich etwa über Sexualkunde in der Schule. Linke und Grüne hätten eine „perverse Sicht auf die Welt“. Die AfD gerät vor allem mit der Linksfraktion regelmäßig aneinander. Sie ist gegen „ungesteuerte Zuwanderung“ und für ein Einwanderungsrecht nach kanadischem Vorbild. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) will hingegen die Arbeitsmöglichkeiten von Flüchtlingen ausweiten. Höcke sieht sich selbst als konservativen Patrioten und als Verfechter der Drei-Kind-Familie. Als Landeschef kann er durchaus autoritär auftreten. So am vorigen Wochenende bei einem teils chaotisch anmutenden Parteitag, als er ausufernde Debatten kurzerhand abwürgte. Die nach wie vor mit ihrer Selbstfindung beschäftigte Partei musste vier Vorstände nachwählen. Ein zurückgetretener Vorstand klagte danach über „konspirative Treffen“ und „Intrigen von Karrieristen“. Eike Kellermann

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