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Unter Druck: Der demokratische Präsidentschaftskandidat Pete Buttigieg.

© Win McNamee/AFP/Getty

Alte Wunden im US-Wahlkampf: Die Demokraten holt die Rassismus-Debatte ein

In Pete Buttigiegs Stadt South Bend wurde ein Afroamerikaner erschossen. Der Hoffnungsträger der Demokraten bekommt die folgende Debatte nicht in den Griff.

Pete Buttigieg erlebt derzeit die schwierigsten Tage seiner noch jungen Präsidentschaftskandidatur. Der 37-Jährige, der in nur sechs Monaten von einem weitgehend unbekannten Bürgermeister einer mittelgroßen Stadt mit Mittleren Westen der USA zu einem aussichtsreichen Anwärter auf die Nominierung der Demokratischen Partei geworden ist, hat mit einem Thema zu kämpfen, das so alt ist wie die Vereinigten Staaten und doch immer wieder aufs Neue tiefe Wunden aufreißt. Und das ausgerechnet in seiner Heimatstadt.

Vor zehn Tagen wurde in South Bend, einer 100.000-Einwohnerstadt im US-Bundesstaat Indiana, der 54-jährige Afroamerikaner Eric Jack Logan von einem weißen Polizisten erschossen. Der Polizist gab an, Logan habe ein Messer bei sich gehabt, da er aber seine Body-Cam, eine mitgeführte Kamera, nicht eingeschaltet hatte, konnte er diese Aussage nicht belegen.

Bürgerrechtsaktivisten reagierten empört und sprachen von anhaltenden Rassismus-Problemen in der Stadt, der „Mayor Pete“ bereits seit 2012 vorsteht. Pete Buttigieg reagierte, indem er seinen Wahlkampf unterbrach, nach Hause eilte und am Sonntag ein Townhall-Meeting einberief.

Die teils chaotischen Szenen dieses landesweit übertragenen Treffens haben es in sich. In Fernsehaufnahmen zu sehen ist da etwa eine wütende Frau, die ruft: „Wir vertrauen dir nicht!“ Und die „Chicago Tribune“ zitierte einen Teilnehmer mit den Worten: „Seine Präsidentschaftskandidatur ist vorbei. Ich glaube, am heutigen Tag endete seine Kampagne.“

In Umfragen rangiert er weit vorne

Ein schwerer Dämpfer für einen Kandidaten, der auf der Internetseite „RealClearPolitics“ im Durchschnitt aller großen Umfragen derzeit an fünfter Stelle von inzwischen bereits 24 Kandidaten im demokratischen Rennen um die Nominierung rangiert.

Ob Buttigieg das Thema in den Griff kriegt, wird entscheidend sein für seine Kandidatur. Denn die baut auf seiner Erzählung auf, dass die Entwicklung South Bends in seiner Amtszeit landesweit als Vorbild gelten könnte. Allerdings weisen andere daraufhin, dass dies eine ungleiche Entwicklung sei.

Der „Washington Post“ zufolge leben 40 Prozent der Afroamerikaner in South Bend unterhalb der Armutsgrenze. Auch sei die rasante Stadtentwicklung vielerorts auf Kosten der afroamerikanischen Gemeinden gegangen, deren Häuser Neubauten Platz machen mussten.

Dazu kommt ein großes Misstrauen gegenüber der mehrheitlich weißen Polizei. Am Sonntag zeigte sich Buttigieg lernbereit: „Am Ende des Tages bin ich verantwortlich.“ Er ordnete an, dass Body-Cams im Umgang mit Zivilisten künftig eingeschaltet sein müssen und versprach mehr Diversität in der Polizei.

Probleme auch für Joe Biden

Die Frage, wie sensibel Politiker, die der „weißen“ Mehrheit in Amerika angehören, mit Rassismusproblemen umgehen, macht auch einem anderen Hoffnungsträger der Demokraten zu schaffen. Joe Biden, in den Umfragen seit Wochen klar an der Spitze, musste viel Kritik auch aus den eigenen Reihen einstecken, nachdem er sich zumindest ungeschickt geäußert hatte.

Bei einer Spenden-Veranstaltung in New York am vergangenen Mittwoch erinnerte sich der ehemalige Vizepräsident von Barack Obama wohlwollend an frühere Zeiten, als man selbst mit Politikern habe zusammenarbeiten können, deren Meinung man nicht teile. Als lobendes Beispiel nannte er ausgerechnet zwei – inzwischen verstorbene – demokratische Senatoren aus dem Süden der USA, die als „Segregationisten“, als Anhänger der Rassentrennung, bekannt waren.

Der Aufschrei war groß, sein Mitbewerber um die Präsidentschaftskandidatur, der afroamerikanische Senator Cory Booker aus New Jersey, forderte Biden auf, sich zu entschuldigen – was dieser rundheraus ablehnte.

In den TV-Duellen am Mittwoch und Donnerstag könnte das Thema eine Rolle spielen

Kritiker werfen sowohl Buttigieg als auch Biden vor, die Belange von Minderheiten nicht ernst genug zu nehmen – es sei denn, es nutze ihnen. Die Mobilisierung der eher den Demokraten zuneigenden afroamerikanischen Wähler gilt als entscheidend für einen Erfolg gegen Präsident Donald Trump im November des kommenden Jahres.

Dass Biden in der „Washington Post“ abschließend klarstellen wollte, er habe „keinen rassistischen Knochen im Leib“, reicht da eher nicht. Interessant zu beobachten wird sein, welche Rolle das Thema bei der ersten TV-Debatte der demokratischen Kandidaten spielen wird. Mutmaßlich ein größeres.

Denn in diesen Tagen verhandelt das politische Washington auch abseits des Wahlkampfs über die Folgen von Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft. Vor einer Woche gab es erstmals eine Anhörung im Kongress zu möglichen Reparationszahlungen an die Nachfahren versklavter Menschen. Das Thema schmerzt – und ist aktuell wie lange nicht.

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