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Ein Kellner trägt auf einem Volksfest Bierkrüge.

© picture alliance/dpa

Allgemeine Schwips-Toleranz: Die Volksdroge Alkohol bleibt unangefochten

Alkoholkonsum hat neben gesundheitlichen auch schlimme soziale Konsequenzen. Trotzdem gehört er dazu - was sich auch in Bierpreismeldungen ausdrückt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Bier wird teurer! Mehrere Brauereien erhöhen aus irgendwelchen Gründen ihre Preise. Allerdings um läppische Beträge. Genauer: um 2,5 Cent, wenn man die Erhöhung auf 0,3-Liter-Einheiten – vulgo: ein kleines Bier – herunterrechnet. Trotzdem ist das Nachrichtenstoff. Zeitungen, auch der Tagesspiegel, und Fernsehsender berichten darüber. Warum eigentlich? Biertrinker werden Preisänderungen auch ohne Vorabberichte merken, und allen anderen ist es egal.

Dass Bierpreise Nachrichtenstoff sind, gehört zu Schizophrenien, die sich mit der Akzeptanz der Volksdroge Alkohol etabliert haben. Sie gelten als von allgemeinem Interesse wie Fußballspielergebnisse, die ebenfalls im Rahmen von Nachrichtensendungen verlesen werden. Bierpreismeldungen beziehen sich rein assoziativ allein auf das gute Bier, das verdiente Feierabendgetränk nach dem hektischen Tag, das schnell Entspannung bringt und gesellig macht. Ein Prosit der Gemütlichkeit.

Der Griff zum Bier, Sekt, Wein ist nachvollziehbar in herausfordernden Gesellschaftssystemen, die von den Beteiligten viel Toleranz und Anpassungsbereitschaft erwarten. Da entsteht Druck, der irgendwann mal raus muss. Am schnellsten geht das mit Drogen. Und Alkohol ist hierzulande eben das einzig komplett legale Angebot.

Zugleich birgt der Konsum bekanntermaßen Risiken: Alkohol macht abhängig, er macht auf verschiedene Arten krank, und er hat zudem – ein oft unterspielter Umstand – eine signifikante soziale Komponente. Bei aller gesellschaftlicher Akzeptanz für Alkoholkonsum führt er zu sozial nicht akzeptiertem Verhalten.

Soziale Unverträglichkeit

Alkoholisierte sind oft aggressiv, laut, rücksichtslos, rempeln, grölen, suchen Streit, werden ausfällig. Studien zufolge korrelieren Alkoholkonsum und Kriminalitätszahlen. Frauen haben in Gegenwart von Alkoholisierten ein höheres Risiko, Opfer von sexuellen Übergriffen zu werden. Letztlich ist Alkohol also neben den Gesundheits- und Abhängigkeitsrisiken, die er mit anderen Drogen teilt – wenn auch die fatalen bis letalen Auswirkung von Alkohol weniger zweifelhaft sind – eine sozial völlig unverträgliche Droge. Umso erstaunlicher letztlich, dass er sich gegen viele andere Substanzen durchsetzen konnte.

Über die soziale Komponente von Alkohol lässt sich auch aus der Berliner Partyszene etwas lernen. Clubbesucher berichten zwar von mannigfaltigem Drogenkonsum, aber eben auch davon, dass gerade Alkohol eine sehr untergeordnete Rolle spiele. Eher wird zu Ecstasy und Verwandten gegriffen, deren Wirkstoffe als eher empathiesteigernd gelten. Das trage mit zu der angenehm-unaggressiven Stimmung bei, die das Hauptstadtnachtleben so anhaltend anziehend macht.

Wer ein Wochenende durchfeiern will, will gute Laune haben und sehen – und wer erinnert sich nicht an alkoholtriefende Disco-Abende, die höchst unangenehm mit Schlägereien auf Parkplätzen und/oder der Flucht vor Besoffenen endeten?

"Mein Spaß ist euer Risiko"

Rätselhaft am Durchmarsch des Alkohols ist auch, dass er unter vielen gebräuchlichen Drogen den höchsten Anteil an Fremdschädigungspotenzial im Verhältnis zur Selbstschädigung hat. Das ergab 2010 eine Studie aus Großbritannien, die 16 Substanzen und Drogen verglich. Demnach ist Alkohol eine Egoistendroge der Marke „Mein Spaß ist euer Risiko“.

Was das bedeutet, lässt sich dann an Unfallstatistiken besichtigen – und an Katastrophen, wie gerade erst der Trunkenheitsfahrt eines 27-Jährigen in Südtirol, der sieben Menschenleben ausgelöscht hat. Dass dieser sehr schlimme Zwischenfall einen Kratzer im Lack gesellschaftlicher Schwips-Toleranz hinterlässt, ist dennoch nicht zu erwarten. Und auch nicht, dass er die Debatte um technische Trunkenheitsfahrtverhinderungsmöglichkeiten entscheidend voranbringt. Stattdessen sendet man „Don’t drink and drive“- Parolen und hofft – in der Tat nicht ganz vergebens – auf gesellschaftliche Ächtung.

Erzwungene Toleranz

Das Prädikat Volksdroge zwingt ja geradezu zur Toleranz, denn wer sich mit Alkohol anlegt, legt sich mit der Mehrheit an, was erfahrungsgemäß geringe Erfolgsaussichten mit sich bringt. Die dennoch vorhandene Skepsis von Politik und Mehrheitsgesellschaft gegenüber allem, was Droge heißt und nach ausgeflippter Unkontrollierbarkeit klingt, wird erfolgversprechender an illegalen Substanzen ausgelassen.

Am Ende ist das einzig positive, das sich über die Droge Alkohol sagen lässt, dass, wer zum Sektfrühstück oder Feierabendbier einlädt, keine kriminellen Strukturen unterstützt. Was natürlich weniger ein Argument als ein Witz ist.

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