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Vielerorts gibt es keine Maskenpflicht mehr im Freien. Weitere Einschränkungen könnten schon bald aufgehoben werden.

© Imago

Alle Impfwilligen sollen dann erstgeimpft sein: Fallen die Einschränkungen in Deutschland bereits Ende August?

Bereits in wenigen Wochen sollen alle, die wollen, eine Corona-Impfung erhalten. Ob die Maßnahmen dann enden können, hängt allerdings von mehreren Faktoren ab.

Die Debatte um ein baldiges Ende der Einschränkungen in der Corona-Pandemie nahm zuletzt wieder mehr an Fahrt auf. Neuester Auslöser: die Aussagen von Bundesaußenminister Heiko Maas.

Der SPD-Politiker geht davon aus, dass die Maßnahmen noch im August aufgehoben werden müssen, wenn bis dahin tatsächlich alle impfwilligen Menschen in Deutschland ein Angebot erhalten haben. „Wenn alle Menschen in Deutschland ein Impfangebot haben, gibt es rechtlich und politisch keine Rechtfertigung mehr für irgendeine Einschränkung“, sagte Maas, ehemaliger Bundesjustizminister, der Deutschen Presse-Agentur und der „Süddeutschen Zeitung“.

Auf seine Aussagen reagierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Mittwoch mit Unverständnis. „Was ich aber wichtig finde, jetzt vor allem auch mit Blick auf August, dass wir keine Versprechungen machen, die wir schwer halten können, und nicht verwirren“, sagte Spahn im ARD-„Morgenmagazin“.

„Die Maske im Innenraum, insbesondere wenn mehrere in einem Innenraum sind im Herbst und Winter, die wird es auch wieder brauchen – das ist sehr, sehr klar. Aber im Vergleich mit allen anderen Einschränkungen ist das Maskentragen noch die harmloseste.“

Ein Sprecher des Außenministeriums teilte dem Tagesspiegel daraufhin auf Anfrage mit, dass auch Maas nicht ausschließen wolle, die Maskenpflicht als Maßnahme beizubehalten, wenn dies aus epidemiologischer Sicht sinnvoll sei. Ihm sei es mit seinen Aussagen darum gegangen klarzumachen, dass ab einem fortgeschrittenen Punkt der Impfkampagne die Freiheitseinschränkungen der Bürger nicht mehr zu rechtfertigen seien.

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Die Grundvoraussetzung für die Aufhebung der Einschränkungen ist, da sind sich Maas und Spahn offenbar einig, dass alle impfwilligen Menschen auch ein Impfangebot erhalten haben. Doch wie lange dauert es bis dahin und was heißt das eigentlich? Gilt als „Impfangebot erhalten“ schon ein genauer Impftermin oder dass bis dahin alle Impfwilligen ihre erste Dosis verabreicht bekommen haben?

In beiden Punkten schaffte das Gesundheitsministerium am Mittwoch Klarheit. Es gehe darum, dass im Juli alle Erwachsenen und bis Ende August dann auch alle Kinder und Jugendlichen einen Impftermin bekommen können – in dem Sinne, dass sie eine Erstimpfung erhalten, bestätigte ein Ministeriumssprecher dem Tagesspiegel auf Anfrage.

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Bis Ende August sollen demnach alle Menschen in Deutschland, die sich zum Schutz vor dem Coronavirus impfen lassen wollen, zumindest teilimmunisiert sein. Mit Blick auf die Impfzahlen zeigt sich, dass dies ein realistisches Ziel ist.

Es sei genug Impfstoff für alle impfwilligen Erwachsenen im Juli vorhanden für die Erstimpfung, teilte der Sprecher des Gesundheitsministeriums mit. Das deckt sich mit den Zahlen der Impfstoff-Lieferungen der kommenden Wochen, die das Ministerium veröffentlicht hat.

Etwas mehr als 52 Millionen Menschen gehören zur Gruppe der impfwilligen Erwachsenen. Diese Zahl ergibt sich daraus, dass es rund 70 Millionen Erwachsene in Deutschland gibt und Spahn im Juni von einer Impfbereitschaft von bis zu 75 Prozent unter den Erwachsenen sprach. Da derzeit bereits mehr als 47 Millionen Menschen in Deutschland zumindest erstgeimpft sind, müssen bis Ende Juli noch etwas mehr als 5 Millionen Menschen ihr erste Impfung erhalten, um Spahns Ziel zu erreichen.

Bis Ende Juli sind alle impfwilligen Erwachsenen durch

In der vergangenen Woche wurden rund 2,1 Millionen Erstimpfungen durchgeführt. Das bedeutet: In drei Wochen dürften weitere mindestens 6 Millionen Menschen teilimmunisiert worden sein. Da der Großteil davon Erwachsene sein werden, ist davon auszugehen, dass bis zum 31. Juli alle 52 Millionen impfwilligen Erwachsenen dran waren.

Die Gruppe der impfwilligen Kinder und Jugendlichen ist bedeutend kleiner. Lediglich 3,2 Millionen Menschen zwischen 12 und 18 Jahren müssen in Deutschland bis Ende August ihre erste Impfung erhalten, damit der Plan von Jens Spahn aufgeht. Diese Zahl ergibt sich daraus, dass es rund 5,3 Millionen 12- bis 18-Jährige in Deutschland gibt und Spahn im Juni von einer Impfbereitschaft von bis zu 60 Prozent unter ihnen sprach.

Kommt dies so, wären bis Ende August alle 55,3 Millionen impfwilligen Menschen in Deutschland zumindest einmal geimpft – das wären zwei Drittel der Gesamtbevölkerung. Bis zum Ende des Sommers dürften diese rund 66,7 Prozent der deutschen Bevölkerung dann auch alle komplett geimpft sein. Das ist aufgrund der Delta-Variante auch notwendig, weil eine Impfung womöglich nicht ausreichend schützt.

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Vor dem Hintergrund ist zumindest fraglich, ob Ende August bereits alle oder ein Großteil der Einschränkungen fallen können. Erstens, weil man erst zwei Wochen nach der Zweitimpfung als komplett geschützt gilt. Und zweitens, weil dann immer noch ein Drittel der Menschen in Deutschland nicht immunisiert ist.

Entsprechend skeptisch zeigt sich beispielsweise auch Impfstoff-Forscher Leif Erik Sander von der Charité Berlin gegenüber dem "Spiegel". „Dass ab September sämtliche Maßnahmen beendet werden, halte ich für unklug. Wir können die Situation im Herbst noch nicht vorhersagen, daher ist es schwierig, jetzt undifferenziert pauschale Forderungen zu stellen.“

Im September könnten drei Viertel einmal geimpft sein

Die Worte von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) klingen diesbezüglich auch nicht optimistisch. Man müsse bei der Impfquote Richtung 80 Prozent kommen, weil vor allem ungeimpfte Kinder im Herbst noch verwundbar seien, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur zufolge in Beratungen der CDU-Spitze. Derzeit liegt die Impfquote insgesamt bei rund 57 Prozent.

Die Voraussetzung dafür, diese 80 Prozent zu erreichen, ist, dass sich mehr Menschen für eine Impfung entscheiden als die Bundesregierung derzeit als impfwillig einstuft. Legt man erneut das Tempo der Erstimpfung der vergangenen Woche zugrunde, wäre es theoretisch möglich, innerhalb von fünf Wochen diese 80 Prozent – umgerechnet rund 66 Millionen Menschen in Deutschland – zu erreichen. Dazu müssten sich bereits im August weitere bislang nicht impfwillige Menschen für eine Impfung entscheiden. Dann könnten bereits im September vier von fünf Deutschen zumindest einmal geimpft sein.

[Mehr zum Thema: Baerbock, Kühnert, Spahn & Co.: Die Gefahr der Generation Unerfahren (T+)]

Dass dies möglich sein wird, erscheint auch vor dem Hintergrund des abnehmenden Impftempos als fraglich. Die Bundesländer haben zwar bereits Aktionen gestartet, um Zögerern durch niederschwellige Impfangebote neue Anreize zu schaffen. Auch die Bundesregierung will noch stärker für Impfungen werben. Gesundheitsminister Spahn dämpfte allerdings die Hoffnungen am Mittwoch im Deutschlandfunk.

Bei den Älteren gebe es eine hohe Bereitschaft, so dass bei den über 60-Jährigen eine Impfquote von 90 Prozent bald erreicht werde. Bei den Zwölf- bis 59-Jährigen müsse dagegen noch geworben werden, um eine Quote von 85 Prozent zu erreichen. Ihnen müssten niedrigschwellige Impfangebote gemacht werden, etwa auf dem Marktplatz, dem Sportplatz oder neben Moscheen und Kirchen. 

„Wenn wir das möglichst gut hinkriegen im Juli, dann haben wir auch eine gute Aussicht auf einen Herbst, auf einen Winter mit weniger Auflagen und deutlich weniger Einschränkungen“, so Spahn. Er glaubt also, anders als Maas, eher daran, dass die Einschränkungen mit einer deutlichen höheren Impfquote erreichbar sind.

Spahn: Ohne hohe Impfquote wird es viele Neuinfektionen geben

Dabei betonte Spahn, dass Geimpfte schon jetzt deutlich weniger Einschränkungen hätten. „Bei denjenigen, die geimpft sind, haben wir ja was Kontaktbeschränkungen angeht, auch nächtliche Ausgangssperren während der Bundesnotbremse, alle Maßnahmen ausgenommen. Auch bei Quarantäne-Maßnahmen sind Geimpfte weitestgehend ausgenommen“, sagte Spahn im ARD-„Morgenmagazin“.

Sollte die Impfquote allerdings nicht deutlich steigen, seien Monate mit vielen Neuinfektionen kaum zu verhindern. Entweder man werde geimpft oder man werde infiziert – „mit dem Risiko auch einer Folgeerkrankung“, sagte Spahn. „Das ist das, was wir sehen werden im Herbst und Winter, was wir im Vereinigten Königreich und anderen Ländern sehen. Da, wo nicht ausreichend geimpft ist, in den Bevölkerungsgruppen wird es sehr sehr viele Infektionen geben.“

Zuletzt hatte bereits das Robert Koch-Institut (RKI) das Impfziel aufgrund der Delta-Variante nach oben korrigiert – nachdem RKI-Chef Lothar Wieler wochenlang davon gesprochen hatte, dass mindestens 80 Prozent der Bevölkerung durch Impfung oder durchgemachte Infektion immun sein sollten, um schwere Verläufe und Todesfälle zum großen Teil zu verhindern.

Nach RKI-Berechnungen sollten mindestens 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Senioren ab 60 Jahren vollständig geimpft sein. „Bei rechtzeitigem Erreichen dieser Impfquote scheint eine ausgeprägte vierte Welle im kommenden Herbst/Winter unwahrscheinlich“, heißt es in einem RKI-Papier.

Diese Impfquoten seien auch eine realistische Vorgabe für die kommenden Wochen und Monate. So sei in einer Befragung von Bürgern zwischen Mitte Mai und Anfang Juni eine Impfbereitschaft ermittelt worden, die die „im Modell identifizierten Zielimpfquoten erreichbar erscheinen lassen“, so das RKI.

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