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Daria Nawalnaja, die Tochter des inhaftierten russischen Oppositionsführers Nawalny, spricht im Europäischen Parlament.

© Jean-Francois Badias/AP/dpa

Alexej Nawalny hat den Sacharow-Preis erhalten: Zeigt die Namen und Schicksale, mitten in Berlin!

Annalena Baerbock propagiert eine wertegeleitete Außenpolitik. In deren Mittelpunkt sollte der Einsatz für Dissidenten stehen. Dazu ein Vorschlag.

Menschenrechte gelten universell. Wer sie im politischen Streit instrumentalisiert, entwertet sie. Es ist bigott, den Einsatz für Flüchtlinge als hypermoralisch zu verspotten, die Grenzen des Mitleids zu betonen und mehr Realismus anzumahnen -, aber lauthals harte Sanktionen und eine starke Nato zu fordern, wenn in autokratisch regierten Staaten Oppositionelle drangsaliert werden. Es ist nicht minder bigott, unter Berufung auf die Humanität sich intensiv um den Klimaschutz zu bemühen, aber das Schicksal von Dissidenten unter den Teppich kehren zu wollen, um zwischenstaatliche Beziehungen nicht zu belasten.

Alexej Nawalny sitzt seit Januar in Haft. Er wird als „Kremlkritiker“ bezeichnet, andere sehen ihn in der Widerstandstradition von Alexander Solschenizyn, Andrej Sacharow und Natan Sharansky. Jetzt wurde ihm in Straßburg vom Europäischen Parlament der Sacharow-Preis für Demokratie und Menschenrechte verliehen. Seine Tochter, Daria Nawalnaja, nahm die Auszeichnung entgegen.

Das Unrecht, das sie anprangern, bleibt präsent

Gesten dieser Art sind wichtig. Sie ehren die Aufrechten und halten die Erinnerung an sie wach. Das Unrecht, das sie anprangern, bleibt dadurch präsent. Jedenfalls für eine Weile. Denn die Aufmerksamkeitsspanne selbst derer, die Anteil nehmen an solchen Schicksalen, ist oft nur kurz.

Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock propagiert eine „wertebasierte Außenpolitik“. Um die Werte, für die sie einsteht, dauerhaft in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen und den Gefolterten und zu Unrecht Inhaftierten ein Gesicht und einen Namen zu geben, wäre es Zeit für eine Initiative unter dem Motto: „Wir denken an Euch.“

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Auf dem Pariser Platz - mitten in der deutschen Hauptstadt, mitten in Europa - sollte eine digitale Tafel mit einem Laufband installiert werden. Darauf stünden die Kurzbiographien der Entrechteten auf Deutsch und Englisch. Jeder Passant, jeder Tourist würde sie sehen. Es würden Fotos gemacht und über soziale Medien verbreitet. Amnesty International wäre sicherlich gerne behilflich.

Der Verleger Jimmy Lai wäre darauf, der am Montag von einem Hongkonger Gericht zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt wurde, weil er und andere Aktivisten an einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 in China teilgenommen hatten.

Raif Badawi, Nahid Taghavi, Osman Kavala

Der Blogger Raif Badawi wäre darauf, der in Saudi-Arabien seit neun Jahren wegen „Beleidigung des Islam“ in Haft sitzt. Nach einer Auspeitschung mit fünfzig Hieben war er so schwer verletzt worden, dass eine weitere Auspeitschung verschoben werden musste.

Die Kölnerin Nahid Taghavi wäre darauf, die vor einem Jahr im Iran festgenommen worden war und seitdem im Frauentrakt des berüchtigten Evan-Gefängnisses in Teheran sitzt. Ihr wird Propaganda und „Mitgliedschaft in einer illegalen Organisation mit dem Ziel, die nationale Sicherheit zu gefährden“, vorgeworfen.

Der türkische Kulturförderer und Unternehmer Osman Kavala wäre darauf, dessen Untersuchungshaft vor drei Wochen verlängert worden war. Ihm wird vorgeworfen, vor acht Jahren die regierungskritischen Gezi-Proteste mitfinanziert zu haben und drei Jahre später an der Planung des Putschversuches gegen Recep Tayyip Erdogan beteiligt gewesen zu sein.

Eine Menschenrechts-Installation auf dem Pariser Platz

Sergej Tichanowski wäre darauf, der Ehemann der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. Er wurde am Dienstag wegen „Vorbereitung und Organisation von Massenaufständen“ zu 18 Jahren Haft unter „besonders harten Bedingungen“ verurteilt.

Die Liste der Namen und Schicksale ist lang, und vollständig wäre sie nie. Aber das spricht nicht gegen das Projekt. Wenn Baerbock es wirklich ernst meint mit einer „wertegebundenen“, „wertegeleiteten" oder „wertebasierten“ Außenpolitik, dann wäre eine solche Installation ein Zeichen ihres Mutes und ihrer Entschlossenheit. Sprechblasen können andere schließlich auch.

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