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Ein syrischer Junge wird in einem Krankenhaus in Aleppo behandelt.

© George Ourfalian/AFP

Update

Aleppo: Syrisches Regime wirft Rebellen Angriff mit Chlorgas vor

Die Aufständischen dementieren, Giftgas-Raketen auf Aleppo gefeuert zu haben. Trotzdem greift die Luftwaffe Stellungen der Rebellen in Nordsyrien an.

Syrische Staatsmedien haben Rebellen vorgeworfen, mehrere Raketen mit Giftgas auf die Großstadt Aleppo abgefeuert zu haben. Es habe sich dabei wahrscheinlich um Chlorgas gehandelt, meldeten die Staatsmedien unter Berufung auf die Regierung. Die russische Regierung erhob gleichlautende Vorwürfe gegen die Aufständischen: Sie hätten Granaten abgefeuert, die mit Chlorgas gefüllt gewesen seien, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Sonntag mit. Rebellengruppen bezeichneten die Anschuldigungen als „Lüge“.

Die syrische Luftwaffe griff als Reaktion auf den Angriff am Sonntag jedoch erstmals wieder Rebellenstellungen in einer entmilitarisierten Pufferzone in Nordsyrien an. Die Eskalation kommt wenige Tage vor neuen Syrien-Verhandlungen im kasachischen Astana. Dort wollen ab Mittwoch Vertreter der syrischen Regierung und einiger Rebellen sowie der Garantiemächte Russland, Türkei und Iran zusammenkommen. Tags darauf befasst sich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mit der Lage in dem Kriegsland.

107 Menschen mit teils schweren Atemproblemen im Krankenhaus

Das Außenministerium in Damaskus beschwerte sich am Sonntag in einem Brief unter anderem an den UN-Sicherheitsrat und die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW), dass „bewaffnete Terrorgruppen“ Dutzende Geschosse mit Chlorgas auf Wohngebiete in Aleppo abgefeuert hätten. Die Regierung warf ausländischen Staaten vor, den Terroristen die benötigten Substanzen zugänglich gemacht zu haben.

Bei dem Beschuss von Stadtteilen im Westen Aleppos seien 107 Menschen verletzt worden, so die Staatsmedien weiter. Sie litten unter teils schweren Atemproblemen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Sana am späten Samstagabend mit Verweis auf Krankenhausinformationen aus der Stadt.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, 94 Menschen seien in Krankenhäuser gebracht worden. Sie seien aber mit Ausnahme von 31 Fällen wieder entlassen worden, die verbliebenen Menschen befinden sich demnach nicht in Lebensgefahr. Laut russischem Außenministerium würden 46 Menschen, darunter acht Kinder, wegen Vergiftung im Krankenhaus behandelt.

Ein AFP-Fotograf berichtete von dutzenden Zivilisten mit Atemschwierigkeiten in einem Krankenhaus in Aleppo. Hauptsächlich habe es sich um Frauen und Kinder gehandelt, die mit Sauerstoffmasken versorgt worden seien.

Rebellen weisen Anschuldigungen zurück

"Terroristische Gruppen haben die Wohnviertel der Stadt mit Giftgas-Raketen ins Visier genommen", zitierte Sana den Polizeichef von Aleppo, Essam al-Tschili. Es habe sich um einen Angriff von „Terroristen“ gehandelt, so Sana. Die Agentur verbreitete zudem Fotos und Videos, die zeigen sollen, wie zahlreiche Menschen mit Atemproblemen in Krankenhäusern behandelt werden.

Die Nationale Befreiungsfront, wichtigstes Rebellenbündnis in den Provinzen Aleppo und Idlib, wies die Anschuldigungen in einer Stellungnahme vehement als "erfunden" zurück. Es handele sich um „Lügen, die dazu dienen sollen, die Verbrechen des Regimes gegen die syrische Bevölkerung zu überdecken“, sagte ein Sprecher der Nationalen Befreiungsfront. Nach der Rückeroberung Aleppos durch Regierungstruppen im Dezember 2016 hatte sich die Lage in der Millionenmetropole deutlich beruhigt.

Das russische Außenministerium teilte weiter mit, der Angriff sei aus der entmilitarisierten Pufferzone der benachbarten Provinz Idlib erfolgt, die von der islamistischen Nusra-Front kontrolliert werde. Russland werde mit der Türkei über den Vorfall sprechen, die sich zur Überwachung der Einhaltung der Waffenruhe durch die Rebellen in dem Gebiet verpflichtet hatte.

Kampfflugzeuge greifen Rebellen an

Als Reaktion auf den mutmaßlichen Giftgasangriff attackierten Kampfflugzeuge Rebellenstellungen zwischen Aleppo und Idlib. Die russische Luftwaffe habe die Stellungen der Terroristen bombardiert, von denen aus Aleppo beschossen worden sei, sagte ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums am Sonntag der Agentur Tass zufolge.

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von heftigen Explosionen westlich und südlich der Großstadt. Angaben über Opfer gab es zunächst nicht. Es seien die ersten Angriffe auf die von Russland und der Türkei ausgehandelte Pufferzone rund um die Provinz Idlib seit September dieses Jahres.

Russland und die Türkei hatten sich im September auf die Einrichtung einer 15 bis 20 Kilometer breiten Pufferzone verständigt, aus der alle schweren Waffen sowie islamistische Kämpfer abgezogen werden müssen. Mit der Vereinbarung war eine Militäroffensive der mit Russland verbündeten syrischen Armee in der dicht besiedelten Region Idlib abgewendet worden. (dpa, AFP, Reuters)

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