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Nach dem Rechten sehen. Entwicklungsminister Niebel hat im April ein Wasserprojekt der staatlichen Entwicklungshilfe im nordafghanischen Faisabad besichtigt.

© picture alliance / dpa

Afghanistan: Ziviles und militärisches Engagement Hand in Hand

Pünktlich zur Afghanistankonferenz in Kabul hat der Streit zwischen Nichtregierungsorganisationen und dem Entwicklungsministerium einen Höhepunkt erreicht. Deutsche Helfer wollen nicht mit militärischen Kräften kooperieren.

Berlin - Pünktlich zur Afghanistankonferenz in Kabul hat der Streit zwischen Nichtregierungsorganisationen (NGO) und dem Entwicklungsministerium einen Höhepunkt erreicht. Am Montag kritisierte der entwicklungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Holger Haibach (CDU), den Zusammenschluss der Entwicklungsorganisationen Venro für seine Weigerung, „mit militärischen Kräften zu kooperieren“. Haibach bezeichnete diese Haltung als „wenig hilfreich und kaum nachvollziebar“. Er liest aus einem Bericht der Freien Universität, die drei Jahre lang die Effizienz der deutschen Hilfe in Nordafghanistan untersucht hat, heraus, dass „der Erfolg dort am größten ist, wo ziviles und militärisches Engagement Hand in Hand gehen“. So steht das allerdings nicht in der Studie. Die Autoren kommen lediglich zu dem Schluss, dass der Entwicklungserfolg dort am größten ist, wo die Sicherheitslage der Bevölkerung am besten ist.

Hintergrund des Streits ist die neue Afghanistanstrategie der Bundesregierung. Darin ist nach Angaben des Entwicklungsministeriums (BMZ) festgehalten, dass die vier Ministerien, die in Afghanistan arbeiten, sich besser koordinieren sollen. Zudem sollen sich auch die NGOs, die Bundesmittel beantragen, in das sogenannte Konzept vernetzter Sicherheit einordnen. Damit ist nach Angaben des BMZ-Sprechers Knut Steinhäuser gemeint, dass die von Deutschland zugesagten Mittel für Afghanistan überwiegend in der Region ausgegeben werden sollen, „in der Deutschland für die Sicherheit verantwortlich ist“. Das bedeute aber nicht, „dass sich die NGOs der Bundeswehr unterordnen sollen“, betonte er.

Im Mai hatte Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) einen neuen Fonds mit dem Namen „Afghanistan-Faszilität“ angekündigt. Jährlich sollen über diesen Fonds zehn Millionen Euro von NGOs bevorzugt in Nordafghanistan umgesetzt werden. Allerdings regt sich bei den Hilfsorganisationen Widerstand. Der Venro- Vorsitzende Ulrich Post sagte dem Tagesspiegel: „Wir planen unsere Arbeit nicht nach sicherheitspolitischen Erwägungen der Bundesregierung.“ Da gehe es auch um das Prinzip. Schließlich seien kirchliche oder nichtkonfessionelle Hilfsorganisationen keine Durchführungsorganisationen der Bundesregierung. Die beiden größten in Afghanistan vertretenen Hilfsorganisationen, die Welthungerhilfe und Caritas-International lehnen eine solche Verknüpfung jedenfalls ab. Beide legen Wert darauf, selbst zu entscheiden, wo in Afghanistan sie arbeiten, und ihre Projekte nach der Bedürftigkeit der Menschen auszuwählen, sagte Post.

Der Geschäftsführer von Medico International, Thomas Gebauer, hat vor kurzem in Berlin darauf hingewiesen, dass „die Vermischung von ziviler Hilfe und militärischen Einsätzen unsere Projektpartner verstärkt zur Zielscheibe“ mache. Er belegte seine These mit Zahlen des regierungsunabhängigen Afghanistan-NGO-Sicherheitsbüros, das im vergangenen Jahr 172 Übergriffe auf Mitarbeiter von Hilfsorganisationen registriert hat. 19 Aufbauhelfer, alle lokale afghanische Mitarbeiter, seien 2009 getötet worden.

Tatsächlich gibt es nur eine größere Hilfsorganisation, die wenig Berührungsängste hat. Die Stuttgarter Initiative „Kinderberg International“ hat schon mehrfach mit der Bundeswehr zusammengearbeitet. Kinderberg International weist vor allem auf ein Projekt zur Entwicklung des Gemeinwesens in Nordafghanistan hin, das seit 2006 gemeinsam mit der Bundeswehr umgesetzt werde. Das Projektvolumen dafür betrage 1,2 Millionen Euro und werde vom Auswärtigen Amt finanziert.

Seit Mai haben mehrere Gespräche zwischen dem BMZ und den NGOs stattgefunden, die allerdings bisher keine Einigung darüber gebracht haben, unter welchen Bedingungen die Mittel aus dem neuen Afghanistanfonds vergeben werden sollen. Nach Steinhäusers Angaben „liegen mehrere Vollanträge, darüber hinaus auch Anfragen mit Projektskizzen vor“. Er sagt, dass die Faszilität von den NGOs „sehr gut angenommen wird“, denn die Mittel würden nun beantragt. Allerdings konnte er nicht sagen, in welchem Umfang schon Mittel beantragt worden sind. Post wiederum sagt, noch sei offen, ob die Venro-Verbände Projektanträge stellen würden. Zunächst müsse klarer sein, was unter dem „Konzept vernetzter Sicherheit überhaupt verstanden wird“. Und das weiß auch das BMZ nicht genau. Aber Post schließt nicht aus, dass die NGOs auf eine Kooperation verzichten könnten.

Es dürfte für das Entwicklungsministerium aber auch ohne den Widerstand der NGOs schwer werden, zehn Millionen Euro noch in diesem Jahr in Nordafghanistan auszugeben. Tatsächlich sind nicht viele NGOs aus Deutschland in Afghanistan tätig. Viele davon sind sehr klein und kaum in der Lage, mehr als eine fünfstellige Summe auszugeben. Tatsächlich gibt es nur zwei Organisationen, die groß genug sind, Millionenbeträge umzusetzen. Und bis 2009 haben die NGOs gemeinsam und in ganz Afghanistan gerade mal rund drei Millionen Euro ausgegeben.

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