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Kanzler Olaf Scholz auf dem Weg in den Verteidigungsausschuss.

© REUTERS/Lisi Niesner

Affront im Verteidigungsausschuss: FDP-Politiker verlassen Sitzung aus Protest gegen Scholz – Initiator bietet Rücktritt an

Der Kanzler weicht im Ausschuss Fragen zu Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Die FDP reagiert mit Protest und am Ende gibt es Konsequenzen. Bei der FDP.

Als Olaf Scholz um kurz nach 9 Uhr den Sitzungssaal im Paul-Löbe-Haus verlässt und gefragt wird, wie es war, ruft der Kanzler verschmitzt grinsend: „Super“. Und geht zu Fuß zurück zum Kanzleramt. Doch so „Super“ war es dann scheinbar doch nicht. Am Ende bleibt ein suboptimales Bild seiner Ampel-Koalition zurück. Und ein FDP-Politiker verheddert sich derart, dass er persönliche Konsequenzen zieht.

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Scholz hat es zunächst gar nicht richtig mitbekommen, warum einige FDP-Politiker früher die Sitzung verlassen haben. Aber was ein Befreiungsschlag für den SPD-Kanzler werden soll, eine die Abgeordneten besänftigende Erklärung seines abwägenden Kurses bei Waffenlieferungen, endet im Verteidigungsausschuss in einem kleinen Eklat und später in einer Posse der FDP. Der Vorfall zeigt letztlich vor allem, wie fragil seine Ampel-Koalition derzeit wirkt.

Doch der Reihe nach. Für den erstmaligen Auftritt des Kanzlers ist eine Sondersitzung für 8 Uhr morgens angesetzt worden. Die Vorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), zuletzt seine schärfste Kritikerin innerhalb der Koalition, begrüßt ihn per Handschlag. „Das machen wir jetzt jeden Freitag, den 13.“, sagt sie. Scholz grinst: „Genau.“ Es ist beiderseits das Bemühen, nun Geschlossenheit zu zeigen – aber das hält dann nicht lange, zumindest nicht bei den anderen FDP-Ausschussmitgliedern.

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Es ist 9 Uhr, die Sitzung geht dem Ende zu. Als Scholz aber wiederholt Nachfragen zum Stand der Waffenlieferungen an die Ukraine und wann es grünes Licht auch für Marder-Panzer geben könnte, nicht beantwortet und ausweicht, verlassen die FDP-Mitglieder des Verteidigungsausschusses den Sitzungssaal.

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Man sei sauer gewesen über das Verhalten Scholz, sagt ein Mitarbeiter vor Ort dem Tagesspiegel. Auslöser ist eine Frage des FDP-Politiker Marcus Faber. Bei der Antwort schweift Scholz ab und kommt auf China, den globalen Süden und die drohende Ernährungskrise zu sprechen.

Wie die FDP den Protest zunächst begründet

„Er hatte heute die Chance, sich zu erklären, wie die Bundesregierung konkret die Ukraine weiter unterstützen möchte“, sagt Faber danach. Er habe auf die Fragen leider „kaum Antworten“ gegeben. Die Aktion sei nicht geplant gewesen und spontan erfolgt, betont Faber. „Leider wurden sehr viele Fragen nicht beantwortet. Deshalb haben wir als freie Demokraten um kurz nach neun entschieden, dass wir die Sitzung jetzt verlassen“, sagte Faber in die Mikrofone und Kameras.

Strack-Zimmermann bleibt im Saal und führt die Sitzung zu Ende. Auch sie hatte Scholz immer wieder kritisiert und ihm zu zögerliches Handeln vorgeworfen. Sie schließt sich dem Protest aber in keiner Weise an und lobt danach vielmehr Scholz für seinen Besuch: „In einer Stunde können nicht alle Fragen beantwortet werden, aber es war ein konstruktiver Austausch, weitere werden folgen.“

Olaf Scholz vor der Sitzung mit der Ausschuss-Vorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).
Olaf Scholz vor der Sitzung mit der Ausschuss-Vorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP).

© AFP

Nachdem die Nachricht vom Eklat kursiert, werden einige der FDP-Politiker offensichtlich zur Räson gerufen. Faber versucht, die Wogen zu glätten: Niemand habe sich „verarscht“ gefühlt, wie von der „Bild“-Zeitung kolportiert wurde, und niemand habe eine Protestnote abgegeben.

FDP-Mann Faber versucht, die Wogen zu glätten

Knapp drei Stunden nach seinem Verlassen der Sitzung schickt die FDP-Fraktion noch eine Mitteilung hinterher: „Ich bin dem Bundeskanzler dankbar für den konstruktiven Austausch. Heute wurde nochmals klar, dass die Ampel geschlossen hinter dem Beschluss steht, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern“, wird Faber zitiert.

Ihm tue es leid, dass ein falscher Eindruck entstanden sei. Es habe „Anschlusstermine“ gegeben, mit Protest habe das nichts zu tun. Doch die Verteidigungslinie einer Medien-Ente fällt in sich zusammen, da eben der vorherige „Videobeweis“ mit Fabers Aussagen vor dem Ausschusssaal nach dem vorzeitigen Verlassen der Sitzung existiert.

Und es stellt sich die Frage, wenn es Anschlusstermine gab, warum er dann noch lange nach der Sitzung vor Ort sein Protestverhalten Medien gegenüber erläuterte. Auch der FDP-Sprecher für Wehrtechnik, Alexander Müller, teilte mit, er sei früher gegangen, weil er zu einem Folgetermin gemusst hätte.

Personelle Konsequenzen – für Faber

Doch damit nicht genug. Die Fraktionsführung beruft eine Sondersitzung ein, denn es ist schon ein Vorgang, in einer Koalition im besten Oppositionsstil gegen den auch von der FDP gewählten Kanzler zu schießen. Gegen 16 Uhr dann verkündet Marcus Faber bei Twitter, dass er seinen Posten als verteidigungspolitischer Sprecher abgeben wird. „Die Kommentierung des heutigen Verteidigungsausschusses war unangemessen und wurde dem Ernst der Lage nicht gerecht. Dafür entschuldige ich mich und werde meiner Fraktion am Dienstag, in ihrer nächsten Sitzung, anbieten von meinem Sprecherposten zurückzutreten“, twitterte der Mann aus Stendal.

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In der FDP ist derzeit die Nervosität groß, da bei der Landtagswahl am Sonntag in Nordrhein-Westfalen ein Debakel droht. Umfragen sehen die Liberalen bei sechs Prozent, das wäre eine Halbierung des Ergebnisses von 2017 und könnte zum Verlust der Regierungsbeteiligung im Heimatland von FDP-Chef Christian Lindner führen.

In der FDP hieß es, man müsse sich mehr profilieren – daher könnte eine Niederlage in NRW auch deutliche Auswirkungen auf das Klima in der Ampel-Koalition haben. Der Freitag und die Ausschuss-Posse könnten da einen Vorgeschmack geliefert haben.

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Die Forderung Strack-Zimmermanns, dass Scholz im Kanzleramt einen Koordinator für das schwierige Thema einsetzen solle, bleibt in der Sitzung unerhört. Der Kanzler verweist stattdessen auf die Koordinierung durch den Generalinspekteur der Bundeswehr – der aber nicht die Verhandlungen zum Beispiel mit der Industrie über mögliche Waffenlieferungen führt. Und die Bundeswehr selbst hat bekanntermaßen kaum noch Waffen abzugeben.

Scholz hält sich bei Frage zu Reise nach Kiew bedeckt

Scholz macht intern noch einmal seine Grundsätze deutlich, verweist aber auch auf die schwierigen Verhandlungen mit anderen Staaten etwa über einen Ringtausch, damit diese Staaten ihre Panzer sowjetischer Bauart abgeben und von Deutschland dafür Marder-Panzer bekommen. Er betont, dass er nie gesagt habe, er wolle keine schweren Waffen liefern. Zu einer möglichen Reise nach Kiew hält Scholz sich bedeckt.

[lLesen Sie hier: Direkte Panzerlieferungen an Kiew – wie die SPD-Fraktion von der Gepard-Entscheidung überrollt wurde]

Sein Umfeld betont, er habe noch einmal die Punkte deutlich gemacht, die ihm wichtig sind: Die Ukraine so stark wie möglich zu unterstützen. Die Nato und Deutschland werden nicht Kriegspartei. Es gebe keine deutschen Alleingänge und kein Vorpreschen bei Waffenlieferungen. Deutschland handele in enger Abstimmung mit den engsten Verbündeten.

Gepard-Probleme, kein grünes Licht für den Marder

Immer deutlicher zeichnet sich jedoch ab, dass die dem Unternehmen Krauss-Maffei-Wegmann erteilte Genehmigung zur Lieferung von bis zu 50 Gepard-Panzern der Ukraine womöglich gar nicht helfen könnte. Die Schweiz blockiert die Freigabe der nur dort produzierten Munition. Und die bereits gestartete Ausbildung von ukrainischen Soldaten in Deutschland ist langwierig, da der Gepard ein technisch sehr komplexes Gerät ist.

Leichter wäre es mit dem Marder-Schützenpanzer, ein Antrag von Rheinmetall für die Lieferung von bis zu 100 Panzern ist aber bisher vom Bundessicherheitsrat nicht entschieden worden. Das Zögern wird damit begründet, dass man vielleicht noch Marder für einen Ringtausch mit osteuropäischen Staaten brauche, die im Gegenzug sofort einsetzbare Panzer russischer oder sowjetischer Bauart an die Ukraine liefern könnten. FDP und Grüne pochen auf mehr Tempo für eine Entscheidung.

SPD-Obmann: Keine Leopard-Panzer für Ukraine

Der SPD-Obmann in dem Ausschuss, Wolfgang Hellmich, sagt nach der Sitzung mit Blick auf einen weiteren Rheinmetall-Antrag zur Lieferung von 88 Leopard-Kampfpanzern: In der Nato sei gemeinsam entschieden worden, keine schweren Kampfpanzer wie den Leopard zu liefern.

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Doch diese Details spielen in der einstündigen Sitzung keine größere Rolle, Scholz bleibt in der nicht-öffentlichen Sitzung vage. Die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger betont anschließend mit Blick auf die Kritik auch von Unionspolitikern, dass diese sehr genau wüsste, dass Rüstungsexporte strengen Geheimhaltungsrichtlinien unterlägen. Darauf wird auch im Kanzleramt verwiesen, zudem will man etwaige Transporte nicht durch zu genaue Informationen gefährden.

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Und bei Twitter betont Brugger mit Blick auf das Verhalten der Koalitionskollegen von der FDP: „Nicht jedes Stürmchen im Wasserglas ist gleich ein Eklat.“ Es habe im Raum aber Verwunderung und Schmunzeln gegeben, als einige Abgeordnete früher gegangen seien.

„Zum Erkenntnisgewinn hat dieser Besuch leider nicht beigetragen“, kritisiert dagegen die CDU-Verteidigungspolitikerin Serap Güler dem Tagesspiegel gegenüber den Kanzler-Auftritt. „Unsere Fragen, was der genaue Sachstand bei der (von der Regierung bereits genehmigten, die Red.) Lieferung der Gepard-Panzer ist, ob man das konkretisieren kann, wurde mit keinem Wort beantwortet.“

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