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Richtig zufrieden können die neuen AfD-Bundesvorsitzenden Alexander Gauland (links) und Jörg Meuthen mit dem Verlauf des Parteitages nicht sein.

© Julian Stratenschulte/dpa

AfD-Parteitag in Hannover: Flügelschlagen unter Aufsicht von Gauland und Meuthen

Nach dem Wahlkrimi am Vortag wollte die AfD auf ihrem Bundesparteitag am Sonntag keine Überraschungen mehr – doch von Einigkeit kann keine Rede sein.

Alice Weidel ist ein bisschen außer Atem, als sie auf der Bühne ankommt, sie musste sich beeilen. Die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag hat lange gezögert mit ihrer Bewerbung, aber jetzt gibt sie der Partei, was sie hören will: „Die Merkel-Dämmerung ist längst eingetreten“, ruft sie. „Das waren wir!“ Es gibt stürmischen Applaus.

Die AfD hat am Sonntag auf ihrem Parteitag in Hannover ihren Bundesvorstand komplettiert. Nach dem Wahlkrimi am Samstag schien die Partei keine Lust mehr auf Turbulenzen zu haben. Viele Entscheidungen waren wohl im Vorfeld ausgekungelt worden. Und so ist es dann auch keine Überraschung, als Weidel mit 70 Prozent zur Beisitzerin gewählt wird.

Höcke attackiert Weidel wegen ihrer Ämterhäufung

Dabei hatte der umstrittene Thüringer Landeschef Björn Höcke sich eigens noch einmal zu Wort gemeldet, um Weidel nach ihrer Bewerbungsrede mit einer Frage zu attackieren. „Die AfD ist so ein bisschen kritisch, was Machtakkumulation angeht“, sagt er, als er ans Mikrofon tritt. In den Reihen der Delegierten habe er schon den Begriff „verhinderte Sonnenkönigin“ gehört. Wie sie das denn mit der Ämterhäufung sehe?

Es ist kein Geheimnis, dass Höcke die Ökonomin Weidel nicht leiden kann – sie hatte sich für ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn ausgesprochen. Doch er weiß auch, dass er ihre Wahl jetzt akzeptieren muss. Denn sein nationalistischer „Flügel“ hatte bereits am Vortag bei der Wahl der beiden Parteichefs seinen Willen durchgesetzt.

Sayn-Wittgenstein überrumpelt eigenen Landesverband

Der bisherige Parteichef Jörg Meuthen galt ohnehin als gesetzt. Doch zunächst wollte der Wunschkandidat des „Flügels“, Fraktionschef Alexander Gauland, doch nicht kandidieren. Stattdessen hatte sich Meuthen mit dem vergleichsweise gemäßigten Berliner Landeschef Georg Pazderski darauf geeinigt, gemeinsam die Doppelspitze zu bilden. Doch der „Flügel“ wollte das verhindern und schickte die Juristin und schleswig-holsteinische Landeschefin Doris von Sayn-Wittgenstein ins Rennen. Mitglieder aus ihrem Landesverband fühlten sich überrumpelt. Sie wussten nichts von den Plänen dieser Frau, von der einige sagen: „Neben ihr wirkt Höcke liberal“.

Für Pazderski ist die Niederlage ein Trostpreis

Doch Sayn-Wittgenstein verhinderte Pazderskis Sieg. Weil aber auch sie keine Mehrheit hatte, trat Gauland dann doch selbst an und wurde gewählt. Beim „Flügel“ triumphierten sie: Meuthen und Gauland stehen beide dem „Flügel“ nahe.

Und so muss es am späten Samstagabend und am Sonntag einen Ausgleich geben. Pazderski wird zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt. Für ihn ist es nach der Niederlage ein Trostpreis, aber er gibt sich kollegial: Man müsse im Sinne der Partei und für die Zukunft der Partei zurückstecken, wenn es nötig sei, sagt er auf Phoenix. Die beiden anderen Vize-Posten werden mit Albrecht Glaser und Kay Gottschalk besetzt. Als gemäßigt können diese allerdings nicht gelten.

Gottschalk, der auf dem Weg zum Parteitag von gewaltbereiten Demonstranten verletzt worden ist und seinen Arm in der Schlinge trägt, hält eine laute Wutrede. Der Bundestagsabgeordnete fordert, die AfD müsse eine Partei der Gerechtigkeit werden, und schimpft auf die etablierte Politik: Es sei wie auf der Titanic – „der Mittelstand macht unter Deck die Drecksarbeit“, während es sich die „Kartellparteien auf dem Sonnendeck“ gut gehen ließen.

Glaser legt gegen den Islam nach, von Storch auch

Glaser wiederum war auch bisher schon AfD-Vize. Der ehemalige Frankfurter Stadtkämmerer ist der Kandidat der AfD für das Amt des Bundestagsvizepräsidenten. Er wurde aber bereits in drei Wahlgängen wegen seiner Äußerungen zum Islam nicht gewählt. In seiner Bewerbungsrede legt Glaser nach: Es könne keinen Islam ohne Scharia geben, so wie es auch „keine Nuss-Schokolade ohne Nüsse“ geben könne.

Auch die stellvertretene AfD-Fraktionschefin Beatrix von Storch wettert in ihrer Rede gegen den Islam. Der Islam gehöre genauso wenig zu Deutschland wie „Angela Merkel ins Kanzleramt“. Die Islamisierung müsse zurückgedrängt werden. „Es geht um die Frage, ob es dieses Deutschland in Zukunft überhaupt noch geben wird.“ Von Storch wird schließlich mit 55 Prozent gewählt.

Schwache Wahlergebnisse zeigen, wie gespalten die Partei ist

Danach will aber auch der „Flügel“ noch einmal seine Ansprüche geltend machen. Der Höcke-Vertraute Andreas Kalbitz, der die Fraktion und den Landesverband der AfD in Brandenburg führt, stellt sich zur Wahl. Der ehemalige Fallschirmjäger fordert Einigkeit im Bundesvorstand. „In der Vergangenheit ging es mehr darum, wer wem das Förmchen geklaut hat. Wir haben die große Chance, das jetzt anzugehen.“

Doch die schwachen Wahlergebnisse, mit denen Leute wie von Storch, aber auch Gauland und Meuthen gewählt werden, zeigen, wie gespalten die AfD ist. Von Einigkeit kann zumindest in Hannover keine Rede sein.

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