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Die AfD schneidet in der Realität meist besser ab als bei Umfragen. 2019 kann sie das gleich bei drei Landtagswahlen im Osten beweisen.

© Sebastian Willnow/ZB/dpa

Update

AfD in Brandenburg: Ziemlich normale Leute – und zwei Scharfmacher

In Brandenburg, wo seit 1990 immer die SPD regierte, könnte die AfD bei der Landtagswahl am 1. September stärkste Kraft werden. Wofür steht die Partei?

Woher kommt die AfD in Brandenburg?

Die AfD in Brandenburg, gegründet im April 2013 von rund 40 Mitgliedern in Nauen, hat in dem Land in kurzer Zeit einen solch steilen Aufstieg geschafft wie vorher keine andere Partei. Schon bei der Kommunalwahl im Frühjahr 2014 holte sie 39 Mandate in den vierzehn Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen der kreisfreien Städte Potsdam, Brandenburg, Cottbus und Frankfurt (Oder).

Maßgeblich geprägt wurde der Landesverband durch die Führung des Bundessprechers und früheren Publizisten Alexander Gauland, der den Landes- und Fraktionsvorsitz mit dem Einzug in den Bundestag an seinen Kronprinzen Andreas Kalbitz abgab. Gauland führte als Spitzenkandidat die Partei bei der Landtagswahl 2014 mit einem Ergebnis von 12,2 Prozent ins Landesparlament. Das waren 120.000 Wähler – noch vor den großen politischen Debatten über Flüchtlinge und Migration.

Bei der Bundestagswahl 2017 wählte jeder fünfte Brandenburger die AfD, die mit 20,2 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft hinter der CDU wurde. Rund 300.000 Wähler hatten bei der AfD ihr Kreuz gemacht – fast dreimal so viele wie bei der Landtagswahl 2014.

Hochburg der Partei ist die Lausitz. Bei den Landrats-Direktwahlen 2017 errang sie zwar keinen Landratsposten, hatte aber beachtliche Stimmenanteile, in der Lausitz etwa 40 Prozent. Und die AfD nutzte die Wahlen, um Kandidaten für die Landtags- und Kommunalwahlen 2019 zu profilieren.

Wie sieht die AfD-Basis aus?

Die AfD hat landesweit 1560 Mitglieder. Zum Vergleich: SPD und CDU haben jeweils vier mal so viele. Der Frauenanteil liegt bei 20 Prozent. Zur Gesamtmitgliederversammlung der AfD in Rangsdorf, auf der die Partei am vergangenen Wochenende ihre Landesliste für die Landtagswahl im Herbst aufstellte, kamen 500 Mitglieder.

Nimmt man diese Teilnehmer und die 87 Landtagsbewerber zum Maßstab, ist die AfD einerseits ein Sammelbecken vieler Unzufriedener, Enttäuschter, auch Gescheiterter: Unter den Kandidaten sind frühere Mitglieder von CDU, FDP und SPD, auch von Schill-Partei und der Partei „Die Freiheitlichen“.

Andererseits ist die AfD in Brandenburg inzwischen eine etablierte Partei: Das von ihr angesprochene und erreichte soziale und gesellschaftliche Spektrum ist breiter als bei den anderen Parteien: Unter den AfD-Landtagsbewerbern sind Ingenieure, Landwirte und Forstmitarbeiter, Handwerker und Selbstständige, ein Architekt, eine Tierärztin, Ausbilder, Bundespolizisten, ein Prüfer des Landesrechnungshofes oder auch eine Hauptstadtrepräsentantin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt – viele ziemlich normale Leute, keine Neonazis.

Die Ärztin Daniela Oynhausen, die in Oberhavel als Direktkandidatin zur Landtagswahl antritt, formulierte es so: „Wir sind nicht mehr die Schmuddelkinder.“ Mit Stammtischen und Bürgerdialogen arbeitet die AfD in der Fläche, zeigt sich ansprechbar.

Wofür steht die Landtagsfraktion?

Von der neunköpfigen Landtagsfraktion kam seit 2014 kaum etwas Substanzielles, häufig Provokationen. Die Abgeordneten sind im Landtag nicht die Fleißigsten, von ihnen kommen vor allem viele Schaufensteranträge, die sich gut für die Öffentlichkeitsarbeit eignen. Auch in den sozialen Netzwerken hat die AfD-Fraktion mit Abstand die meisten Follower und den größten Resonanzraum – keine Fraktion bedient die Netzwerke so ausgiebig mit Filmen und Meldungen.

Die Grenzen des Sagbaren werden dabei regelmäßig ausgetestet. Viele Anfragen, Anträge und Mitteilungen handeln von Flüchtlingen, Kriminalität, Abschiebungen, Unterrichtsausfall und der Stärkung der deutschen Familie.

Eine Ausnahme war der Lunapharm-Skandal um Krebsmedikamente im Sommer 2018, bei dem die AfD mit profunder, hartnäckiger Oppositionsarbeit ihres Abgeordneten Rainer von Raemdonck auffiel. Raemdonck und sein Kollege Sven Schröder fielen jetzt bei der Listenaufstellung der Fraktion durch.

Schlagzeilen um einzelne Abgeordnete gibt es regelmäßig: Steffen Königer, der in der AfD die „Alternative Mitte“ mitgründete und als gemäßigt gilt, hat Ende November seinen Austritt erklärt. Die AfD sei ihm, spätestens seit dem Schulterschluss mit Rechtsextremen in Chemnitz, zu radikal geworden. Er beklagte „sektenartige Strukturen“ und Personenkult in der Partei.

Gleich beim Einzug in den Landtag hatte die Fraktion Gaulands Stiefsohn Stefan Hein ausgeschlossen, weil der Interna über die rechte Vita einiger Parteikollegen an den „Spiegel“ lanciert hatte. Mit Jan Ulrich Weiß, der für Gauland nachrückte, hat die AfD in ihren Reihen einen in erster Instanz noch nicht rechtskräftig wegen Zigarettenschmuggels in Millionenhöhe verurteilten mutmaßlichen Kriminellen.

Wie wird die künftige Fraktion aussehen?

In Umfragen liegt die AfD zwischen 20 und 23 Prozent inzwischen gleichauf mit der SPD vorn: Damit hätte sie Chancen auf 20 bis 23 Landtagsmandate. Die Zusammensetzung der Liste auf den aussichtsreichen Plätzen ist widersprüchlich: An der Spitze stehen mit Fraktions- und Parteichef Andreas Kalbitz und Christoph Berndt, der den für fremdenfeindliche Demonstrationen in Cottbus verantwortlichen Verein „Zukunft Heimat“ führt, zwei Scharfmacher.

Der Ton im Landtag dürfte noch härter werden. Aus der bisherigen Landtagsfraktion sind die Vizechefin Birgit Bessin, die häufig bei „Zukunft Heimat“ auftritt, der Beamte Andreas Galau, Anwalt Thomas Jung und Franz Wiese dabei. Ihr Kompetenzspektrum will die AfD verbreitern: Auf einen vorderen Platz kam Daniel Freiherr von Lützow, Vize-Landesparteichef und Parteistratege für kommunale Basisarbeit.

Wenn das Wahlergebnis den aktuellen Umfragewerten entspräche, würden mit Dennis Hohloch, der Oberbürgermeisterkandidat in Potsdam war und Lehrer in Berlin ist, oder dem Gymnasiallehrer und früheren Hochschuldozenten Dominic Kaufner rhetorisch und fachlich versierte Politiker in den Landtag kommen. Viele Kandidaten sind fest in ihren Regionen verankert.

Wie rechtsextrem ist die Brandenburger AfD?

Der Landesverband gilt in der Bundespartei als rechtsaußen. AfD-Vertreter haben als Redner bei den Demonstrationen von „Zukunft Heimat“ kein Problem damit, dass Neonazis dabei sind. Auch die guten Verbindungen zur „Neuen Rechten“ sind bekannt.

Daneben gibt es beim Parteinachwuchs „Junge Alternative“ (JA) und im Mitarbeiterstab Verflechtungen zur rechtsextremen „Identitären Bewegung“. Die JA wird in einigen Ländern bereits vom Verfassungsschutz beobachtet. Parteichef Kalbitz ist gegen Forderungen, die Zusammenarbeit mit dem Nachwuchs zu beenden.

Andererseits fielen Problemfälle vom rechten Rand bei der Wahl der Kandidatenliste durch, etwa Jean Pascal Hohm: Er war Mitarbeiter von Kalbitz und musste wegen Verbindungen zu den Identitären gehen. Weg ist er nicht: Er ist im Büro des Brandenburger Bundestagsabgeordneten René Springer untergekommen. Je mehr die AfD wächst, desto mehr gibt es zu verteilen – Geld, Posten und Jobs. Auch das zieht an.

Hinweis: In einer früheren Version hieß es, dass gegen den Abgeordneten Wiese ein Steuerverfahren läuft. Das hatte die "Bild"-Zeitung publik gemacht, Wiese bestreitet das.

Stimmungslage im Land kommt der AfD entgegen

AfD-Demo vor dem Landtag in Potsdam. Die meisten Brandenburger vertrauen der Politik nicht mehr.
AfD-Demo vor dem Landtag in Potsdam. Die meisten Brandenburger vertrauen der Politik nicht mehr.

© Ralf Hirschberger/dpa

Auf welchen Nährboden die Themen der AfD fallen, zeigt ein Blick in den von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Brandenburg-Monitor (PDF hier). Die Stimmung im Land ist konfus. Zwar sind die Brandenburger mehrheitlich zufrieden und finden, dass sich das Land in die richtige Richtung entwickelt. Vor allem beruflich und finanziell machen sie sich wenig Sorgen um die Zukunft. Doch gleichzeitig haben die Menschen in der Mark ihr Vertrauen in die Institutionen verloren: Zwei Drittel der 1001 Befragten vertrauen der Landesregierung wenig oder gar nicht, noch drastischer sind die Werte für die Bundesregierung (79 Prozent) und die Parteien (86 Prozent).

Vertrauen? Fehlanzeige! Auszug aus dem aktuellen Brandenburg-Monitor.
Vertrauen? Fehlanzeige! Auszug aus dem aktuellen Brandenburg-Monitor.

© Tsp

Für eine junge Partei wie die AfD ist das ein Vorteil, zumal ihr auch die Stimmungslage im Land entgegen kommt. Sowohl im Speckgürtel als auch auf dem Land wird der Themenkomplex Flucht und Asyl mehrheitlich als das drängendste Problem Brandenburgs identifiziert. Mehr als die Hälfte der Befragten spricht sich für mehr Mut zu einem „starken Nationalgefühl“ aus und bejaht die Aussage, die Zuwanderung würde zu einer Entfremdung mit dem eigenen Land führen. 64 Prozent sind überzeugt, dass sich Muslime im Land nicht an die gesellschaftlichen Regeln halten. Für den national geprägten Kurs der AfD sind das gute Voraussetzungen.

Welche Themen die Brandenburger bewegen, hängt offenbar auch vom Wohnort ab. Während im Berliner Umland Sicherheit und Mieten wichtiger werden, dominieren auf dem Land neben dem Thema Migration vor allem die Folgen von sozialer Ungleichheit, Arbeitslosigkeit und Strukturwandel. Insgesamt sind Menschen aus der Brandenburger Peripherie mit ihrer Lebenssituation unzufriedener als die Bewohner des Speckgürtels. Wohl auch deshalb wittert die AfD auf dem Land ihre Chance und kündigte bereits an, den Wahlkampf in die Dörfer tragen zu wollen.

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