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Die AfD-Parteivorsitzende Frauke Petry spricht beim 5. AfD Bundesparteitag in Stuttgart.

© dpa

Update

AfD-Bundesparteitag in Stuttgart: Frauke Petry: Wir sind das Fieberthermometer der Gesellschaft

Eisenstangen, Holzlatten, brennende Autoreifen: Nach Protesten vor dem AfD-Bundesparteitag sind 400 Demonstranten in Polizei-Gewahrsam. Die AfD will sich in Stuttgart erstmals ein Grundsatzprogramm geben.

Randale, Blockaden, Polizeischutz und eine gute Stunde Verspätung: In der Stuttgarter Messe hat am Samstagvormittag der Bundesparteitag der AfD begonnen. 2000 Mitglieder wollen dort erstmals ein Grundsatzprogramm beschließen. Vor der Versammlung versuchten mehrere hundert Autonome den Zugang zu blockieren. Rund 400 Demonstranten wurden nach Polizeiangaben in Gewahrsam genommen.

Erst um 11 statt um 10 Uhr konnte Bundesvize Alexander Gauland das Treffen eröffnen. Es sei nicht selbstverständlich, dass die AfD es so weit gebracht hätte, sagte der Brandenburger zu Beginn, nicht zuletzt wegen großer Widerstände. "Wir haben den Mut zur Wahrheit behalten und unbeirrt unseren Kurs fortgesetzt." Zu viele hätten "die Nase voll" von der Politik Angela Merkels - "ohne Linie, ohne Verantwortung und ohne Zukunft". Der Parteitag solle zeigen, "dass wir eine Graswurzelbewegung sind, bei der jeder mitmachen kann".

Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland beim AfD-Bundesparteitag in Stuttgart.
Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland beim AfD-Bundesparteitag in Stuttgart.

© Marijan Murat/dpa

Kein Wunder, dass die Mitglieder in der ersten Stunde erst einmal die Mühen die Ebene zu spüren bekamen. Zahlreiche Beiträge drehten sich um das Prozedere, es gab Eingaben zu rechtsextremen Verbindungen des Landesverbands Saarlands, dem die Auflösung droht. Zudem stellte die Parteitagsleitung fest, dass die Halle an ihre Kapazitätsgrenze gekommen sei, weshalb man nun erst mal beraten müsse, wie man die Teilnahme aller Mitglieder an den Abstimmungen gewährleisten könne.

Deshalb wurde zunächst die Gastrede von Vaclav Klaus vorgezogen. "Wie Sie wissen, bin ich ein echter Fan und Anhänger Ihrer Partei", sagte der ehemalige tschechische Staatspräsident. Die AfD sei eine "Hoffnung nicht nur für Deutschland". Die "Brutalität" der Angriffe zeige nur, dass die politischen Gegner "Angst" vor der AfD hätten.

NRW-Landeschef Marcus Pretzell nutzte die Gelegenheit, die Mitglieder über seine Zukunft im Europaparlament in Kenntnis zu setzen. Nachdem er aus der konservativen Fraktion ausgeschlossen worden war, wollte er eigentlich den Parteitag darüber abstimmen lassen. Doch die Mitglieder weigern sich - und Pretzell verkündete übers Saalmikrofon, dass er sich der ENF-Fraktion anschließen will, zu der auch der Front National und die FPÖ gehören. (Lesen Sie hier, was diese Entscheidung für die Rolle der AfD in Europa bedeutet.)

Petry: Wir sind Fieberthermometer der Gesellschaft

Auch die partei-Vorsitzende Frauke Petry polterte gegen die große Koalition - und will diese ablösen. Die AfD wolle nicht dauerhaft "als Juniorpartner in den Parlamenten sitzen", sagte Petry unter dem Beifall der mehr als 2000 Parteimitglieder. "Wir wollen Mehrheiten erringen, damit wir unsere Programmatik als Gegenentwurf zum politischen Establishment durchsetzen können."

Die AfD trage "als am schnellsten wachsende Partei in Deutschland eine Riesenverantwortung", sagte Petry weiter. Sie sei "das Fieberthermometer einer Gesellschaft, die die demokratische Kontroverse wieder mühsam erlernen muss". Die AfD-Chefin verwies darauf, dass die von ihrer Partei verfolgte direkte Demokratie "ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal" sei.

Selbst eine Spur der Autobahn 8 war kurzzeitig blockiert

Vor Beginn des Parteitags war es am Morgen zu Rangeleien zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die Polizei sprach von gewaltbereiten Linksautonomen. Sie seien teils schwarz vermummt. Die Demonstranten hätten Eisenstangen und Holzlatten dabei, zündeten Feuerwerkskörper. Sie versuchten außerdem, das Bosch-Parkhaus zu blockieren, sagte ein Polizeisprecher am Morgen. Autoreifen hätten dort gebrannt.

Auch in der Nähe des Tagungsorts blockierten Gegner den Zugang zu der Veranstaltung, wie eine dpa-Reporterin berichtete. Rufe wie „Nazis raus“ oder „Ade, Ade zu AfD“ waren zu hören. Die Polizei verfolgte mehrere Demonstranten quer über die Felder hinter dem Messegelände. Vor dem Eingang wurden mehr als ein Dutzend vorwiegend junger Demonstrationsteilnehmer mit Kabelbindern gefesselt und abgeführt. Die Demonstranten riefen „Flüchtlinge bleiben, Nazis vertreiben“ und „Wir kriegen Euch alle“.

Auf der Bundesstraße 27 kam es zu Störungen, weil Demonstranten dort laut Polizei Autoreifen in Brand setzten. Die Straße war rund 20 Minuten gesperrt. Auch die Autobahn 8 Richtung München wurde von Protestlern kurzfristig auf einer Spur blockiert. Ein Augenzeuge berichtete, die Polizei habe bei den Protesten auch Pfefferspray eingesetzt.

Polizisten führen am Rande des AfD-Bundesparteitags in Stuttgart einen Demonstranten ab.
Polizisten führen am Rande des AfD-Bundesparteitags in Stuttgart einen Demonstranten ab.

© Christoph Schmidt/dpa

Die Polizei hat Wasserwerfer bereitgestellt. Mehr als 1000 Sicherheitskräfte sind vor dem Stuttgarter Messegelände im Einsatz, um mögliche Konfrontationen zwischen AfD-Parteimitgliedern und linken Demonstranten zu verhindern. Am Freitag waren AfD-Gegner vor Gericht mit ihrem Protest gegen strenge Sicherheitsauflagen bei dem AfD-Parteitag gescheitert. In der Stuttgarter Innenstadt ist für den Mittag eine Kundgebung gegen den Parteitag geplant. Die Polizei befürchtet, dass sich die Proteste vom Messegelände in das Stadtgebiet verlagern könnten.

"Der Islam gehört nicht zu Deutschland" soll ins Programm

Die AfD-Führung hat sich vor dem Treffen vorgenommen, persönliche Rivalitäten bis auf weiteres zurückzustellen. Zwar gab es am Freitagabend auf dem Podium der Kongresshalle noch einmal Diskussionen über die Sitzordnung für die Mitglieder des Bundesvorstandes. Bei einem Empfang der Parteispitze am Vorabend des zweitägigen Parteitages war die Stimmung dann aber friedlich, wenn auch etwas angespannt.

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Partei-Vize Albrecht Glaser sagte: „Wir haben netto etwa 11,5 Stunden Zeit hier in Stuttgart über unser Grundsatzprogramm zu beraten. Ich hoffe, dass wir es schaffen werden, die wichtigsten Kapitel zu beschließen.“ Die stellvertretende Vorsitzende Beatrix von Storch kündigte an, es sei davon auszugehen, dass der Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ Teil des Programms sein werde.

Wird es gelingen, ein Parteiprogramm zu verabschieden?

Die Alternative für Deutschland ist inzwischen in der Hälfte der Länderparlamente vertreten. Die Bundespartei hat aber noch kein Parteiprogramm. Die Partei unter Vorsitz von Jörg Meuthen und Frauke Petry will in den nächsten Wahlkämpfen vor allem mit kritischen Tönen zum Islam und Vorschlägen für eine Rentenreform punkten.

Meuthen sagte, die AfD sei eine „konservative, freiheitliche, patriotische Partei“. Dies wolle er auch in seiner Parteitagsrede deutlich machen. Dass bei der AfD viel gestritten werde, sei keine Katastrophe, sondern Ausdruck einer lebendigen demokratischen Kultur. Julian Flak, der dem Bundesvorstand als Beisitzer angehört, sagte, die AfD habe den Unionsparteien und der SPD zuletzt mehrfach Themen aufgezwungen. Als Beispiele nannte er Asyl und „die Debatte rund um das Thema Islam“.

Auf dem zweitägigen Parteitag stehen keine Vorstandswahlen an. Parteivize Gauland sagte vor Beginn: „Der Parteitag ist ein wichtiger Schritt zur Verankerung der AfD in der Gesellschaft Deutschlands.“ Die meisten Vorstandsmitglieder gehen allerdings davon aus, dass es wegen großer Meinungsverschiedenheiten nicht gelingen wird, ein vollständiges Programm zu verabschieden. (mit dpa)

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