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Olaf Scholz: Vizekanzler, Finanzminister, Kanzlerkandidat.

© imago images/Christian Spicker

Ärger für den SPD-Kanzlerkandidaten: Hat Olaf Scholz den Bundestag belogen?

Warum Tagebücher eines Hamburger Bankiers, gegen den Steuerbetrugsverfahren laufen, für den SPD-Politiker unangenehm werden könnten.

Der Kanzlerkandidat der SPD hat neben der Wirecard-Affäre, in der es um mögliche Fehler der Finanzaufsicht geht, noch ein Problem in ähnlichem Zusammenhang: Olaf Scholz muss sich dem Vorwurf stellen, über Gespräche mit einem Hamburger Bankier in einer Steuersache nicht die ganze Wahrheit gesagt zu haben. Der Bankier wiederum steht im Verdacht, mit dubiosen Aktiengeschäften den Staat um zig Millionen Euro betrogen –und zur Abwendung von Steuerrückforderungen Scholz benutzt zu haben.
Die politische Konkurrenz schäumt: Es stehe der Verdacht im Raum, dass Scholz „den Bundestag belogen hat“, sagt die Grünen-Politikerin Lisa Paus. Der Linken-Abgeordnete Fabio De Masi nennt Scholz gar einen „Pinocchio“, der die Unwahrheit sage.
Worum geht es? Scholz hat sich als Hamburger Bürgermeister mit Christian Olearius getroffen, Chef der Warburg- Bank, der darüber private Eintragungen machte. Die Tagebücher wurden 2018 bei einer Hausdurchsuchung beschlagnahmt. Gegen Olearius und sein Institut sollen mit „Cum-ex-Geschäften“ (die Mehrfacherstattung von Kapitalertragsteuer im Zusammenhang mit Dividendenzahlungen) den Fiskus insgesamt um eine dreistellige Millionensumme betrogen haben. Das Verfahren läuft derzeit vor dem Bundesgerichtshof.

Insgesamt vier Gespräche

Wie die „Süddeutsche Zeitung“ nach Einsicht in die Tagebücher berichtete, wurde Olearius nicht nur 2017 einmal bei Scholz vorstellig, sondern es gab auch 2016 drei Gespräche. Dabei ging es um Steuerrückforderungen wegen der Cum-Ex-Geschäfte. Die hätten von der Finanzverwaltung der Hansestadt bis Ende 2016 durchgesetzt werden müssen, danach begann die Verjährung. Im Herbst des Jahres beklagte sich Olearius bei Scholz und wies darauf hin, dass die Existenz seiner Bank gefährdet sei, sollten die damals geforderten 47 Millionen Euro fällig werden.

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Laut dem Tagebuch übergab der Banker bei einem zweiten Treffen ein Schreiben, worauf Scholz zwei Wochen später telefonisch mitgeteilt habe, Olearius möge es kommentarlos an die Finanzverwaltung schicken. Die verzichtete bald darauf auf die Rückforderung. Finanzsenator war damals Peter Tschentscher, heute als Nachfolger von Scholz Hamburger Bürgermeister.

"Keine konkreten Erinnerungen"

Scholz bestätigte der „Süddeutschen“ die Termine und teilte mit, er habe keine konkreten Erinnerungen mehr daran. Doch habe er keine Zusagen gemacht oder Einfluss auf die Steuersache genommen. Zum Zeitpunkt der Treffen ermittelte die Staatsanwaltschaft Bonn bereits gegen die Bank und Olearius, ebenso die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin). Anfang März 2020 war Scholz in den Finanzausschuss des Bundestags geladen. Nach eigener Aussage befragte ihn De Masi dort zu dem Vorgang – von dem damals nur das Treffen 2017 und die zurückgezogene Forderung bekannt war. Der Linke hält Scholz nun vor, die weiteren Treffen 2016 damals nicht offenbart und auf das Steuergeheimnis verwiesen zu haben. Laut De Masi gab es auch einen Konflikt zwischen dem Bundesfinanzministerium (damals unter Führung von Wolfgang Schäuble) und der Hamburger Finanzverwaltung, weil aus Berlin eine Weisung eingetrudelt war, die Steuerrückerstattung zu vollziehen.

"Karten auf den Tisch"

Für Paus besteht der Verdacht, Scholz habe die Privatbank zu Lasten der Steuerzahler geschont. „Scholz muss die Karten jetzt endlich auf den Tisch legen“, fordert sie. Der Finanzminister müsse schon nächste Woche in den Finanzausschuss kommen und „diesmal endlich die komplette Wahrheit sagen“. Die Linke toppte das am Freitag noch – sie beantragte eine Aktuelle Stunde des ganzen Parlaments zu der Angelegenheit.

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Für die SPD ist die Sache ungemütlich. Zwar stehen im Zweifelsfall den Aussagen von Olearius – die ja nicht stimmen müssen - die von Scholz entgegen. Doch hat der Banker seinem Tagebuch nicht nur die Treffen mit dem damaligen Bürgermeister anvertraut (sogar die Farbe des neuen Teppichs vermerkte der fleißige Schreiber). Er kontaktierte demnach auch andere Hamburger Sozialdemokraten, um sein Anliegen voranzubringen: Ex-Innensenator Alfons Pawelczyk und den Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs, der auch Spenden aus dem Verbund der Warburg-Bank bekam.

Doch wird der Bundestag hier nicht viel weiterkommen. Ein Untersuchungsausschuss zu der Sache ist nur in der Hamburger Bürgerschaft möglich. Den gibt es bisher nicht. De Masi forderte die mit der SPD regierenden Hamburger Grünen daher auf, ihren Widerstand gegen einen solchen Ausschuss aufzugeben.

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