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Ex-Premier Scott Morrison bei einer Pressekonferenz am Mittwoch in Sydney.

© IMAGO/AAP

Ämterhäufung bei Australiens Ex-Premier: Morrisons geheime Ministerien

Während seiner Amtszeit als australischer Premier ließ sich Scott Morrison die Kontrolle über fünf Ministerien übertragen. Ohne Wissen der Entmachteten.

Dass Herrscher immer weitere Macht an sich reißen, ist leider ein bekanntes Muster. Doch meist wollen Kaiser, Könige und Präsidenten auch, dass alle von ihrer Machtfülle wissen. Australiens ehemaliger Premier Scott Morrison ging einen anderen Weg und sicherte sich im Geheimen mehr Befugnisse. So geheim, dass nicht mal die Entmachteten selbst davon gewusst haben sollen.

Vor etwa zwei Jahren, also in den ersten Monaten der weltweiten Corona-Pandemie, ließ sich Morrison nach und nach die Kontrolle über die Ministerien für Inneres, Gesundheit, Finanzen, Wirtschaft und Rohstoffe übertragen – zusätzlich zu den offiziellen Ministern. Morrison war also australischer Premier und gleichzeitig fünffacher Minister in der national-liberalen Regierung. Er hatte das Land von 2018 bis 2022 regiert.

Morrisons Nachfolger im Amt, der sozialdemokratische Premier Anthony Albanese, nannte die Vorgänge in dieser Woche eine „beispiellose Zerstörung der Demokratie“. Nach ersten Medienberichten am Wochenende ließ Albanese den Vorwürfen nachgehen und präsentierte sichtlich erstaunt die Ergebnisse. „Das war Regierungsführung durch Täuschung“, sagte er.

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Besonders brisant: Offenbar war nur ein Minister, der Ressortchef für Gesundheit, darüber informiert, dass es noch einen zweiten Chef im Hause gab. Alle anderen erfuhren erst aus der Zeitung von Morrisons Machtspielen. Darunter unter anderem so prominente Vertreter wie der damalige Finanzminister und heutige Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Mathias Cormann.

Morrison verteidigt sein Handeln

Die frühere Innenministerin Karen Andrews reagierte entsetzt auf die Enthüllungen und forderte ihren früheren Chef auf, alle Ämter niederzulegen. „Diese Geheimniskrämerei ist inakzeptabel. Er sollte das Parlament sofort verlassen.“

Und Morrison selbst? Der versucht sein Handeln zu verteidigen. "Es waren außergewöhnliche Zeiten und sie erforderten außergewöhnliche Maßnahmen", sagte Morrison bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Er habe mit seiner Ämterhäufung die Arbeitsfähigkeit der Regierung sicherstellen wollen, falls Minister durch Covid ausgefallen wären oder Kabinettssitzungen nicht hätten stattfinden können. „Ich wollte im Notfall handlungsfähig sein. Ich hatte nie vor, mir persönliche Vorteile zu verschaffen oder Minister zu überstimmen“, erklärte Morrison. Darüber hinaus wollte er die Autorität der eigentlichen Minister öffentlich nicht untergraben. Daher habe er sein Vorgehen nicht publik gemacht.

Doch mindestens einmal nutzte Morrison seine Position als Mit-Minister, um eigene Entscheidungen durchzusetzen. Im April 2021 ließ er sich zum Minister für Rohstoffe ernennen und stoppte die Fortführung eines Gasprojekts. Nicht unbedingt eine Maßnahme zur Corona-Bekämpfung.

War das Vorgehen legal?

Morrison betonte bei der Pressekonferenz zudem, dass er nicht nur „nach bestem Willen“, sondern auch nach geltendem Recht gehandelt habe. Doch da sind sich australische Verfassungsrechtler nicht einig.

Hätte der General-Gouverneur nicht Scott Morrison öffentlich vereidigen müssen, statt ihm in einem geheimen Verwaltungsakt die Ministerien zu übertragen? Hat die Bevölkerung nicht ein Anrecht darauf zu wissen, wer welche Befugnisse in der Regierung hat?

Jura-Professorin Anne Twomey von der University of Sydney nennt die ganzen Vorgänge „bizarr“. „Was zur Hölle war da los? Die Geheimhaltung des Ganzen ist wirklich merkwürdig. Man fragt sich, was sich diese Leute gedacht haben“, sagte Twomey dem Sender ABC. Morrisons Amtsvorgänger Malcolm Turnbull ist ebenfalls von seinem liberalen Parteifreund abgerückt: „Das Schlimmste ist, das offenbar niemand versucht hat, ihn zu stoppen. Das erschüttert mich am meisten.“

Wirklich überrascht aber ist in Australien niemand über einen neuen Morrison-Skandal. Der Ex-Premier, der sich selbst auch schonmal als Bulldozer beschreibt, eckte mit seiner migrationsfeindlichen und den Klimawandel missachtenden Politik häufig an.

Und nicht erst durch die neuesten Enthüllungen gibt es Zweifel an seiner Haltung zur Demokratie. Im Juli empfahl er Bürgern am Rande eines Gottesdienstes, „Regierungen nicht zu vertrauen“.

Ob und welche Folgen der Skandal für Scott Morrison haben wird, ist derzeit noch unklar. Premier Anthony Albanese hat aber bereits eine unabhängige Untersuchung angekündigt.

Lion Grote

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