zum Hauptinhalt
Mubarak

© AFP

Ägypten: Ein-Mann-Regime zelebriert sich selbst

Mubaraks Nachfolge ist bei Ägyptens Regierungspartei kein Thema. Ohne einen Gegenkandidaten bei der Wahl siegte Mubarak mit deutlicher Mehrheit.

Die Ordner tragen gläserne Urnen durch die düsteren Gänge des Kongresszentrums aus unverputztem Beton im Kairoer Stadtteil Nasr City. Die etwa 5300 Delegierten aus ganz Ägypten sitzen seit 10 Uhr auf ihren Plätzen in der riesigen runden Halle, in der sonst Sportereignisse stattfinden. Sie trinken Pepsi Cola und haben sich schon mal die Sandwichpakete gesichert, die es gegen Essensbons im Foyer gibt. Aber sie haben auch schon etwas geleistet an diesem Samstagmorgen: Erstmals haben die Delegierten der Regierungspartei NDP ihren Parteivorsitzenden gewählt. Das gehört zu der "neuen Vision", die die Partei des Staatspräsidenten Hosni Mubarak im Logo und auf den Plakaten zu ihrem neunten Generalkongress verspricht. Die als korruptes Versorgungsnetzwerk verschriene Organisation, die den Staat monopolartig beherrscht, will das Land demokratisieren und modernisieren, sagt die Parteispitze. Das Fußvolk folgt.

Der kleine Schönheitsfehler dieser Wahl, dass es keinen Gegenkandidaten zu Mubarak gab, stört niemanden: "Ich bin hier, um Ja zu Mubarak zu sagen", erklärt die Delegierte Iman aus Luxor. Auf die Frage, ob das Land nicht Erneuerung nach fast 30 Jahren Mubarak-Herrschaft brauche, schüttelt die Buchhalterin mit dem rosa Kopftuch energisch den Kopf: "Er ist wie unser Vater, und seinen Vater liebt man." Auf 5248 Ja-Stimmen kamen nach offiziellen Angaben allerdings doch immerhin neun Nein-Stimmen.

Zivile Atomkraft als Energieversorgung

Aber während der Rede des Parteichefs melden sich diese Abtrünnigen nicht zu Wort. Stattdessen tut sich die Hafenstadt Port Said hervor, deren Vertreter laut "Mubarak, wir lieben dich!" rufen. Den größten Beifall gibt es, als Mubarak erklärt, dass Ägypten zivile Atomkraft aufbauen will, um die Energieversorgung der mehr als 70 Millionen Einwohner zu sichern. Modern kommt beim Parteitag vor allem die Technik daher: Zwei Kameras an riesigen Schwenkarmen übertragen während der Wartezeiten Bilder der Delegierten auf drei Großleinwände. Bevor der alte und neue Vorsitzende das Podium betritt, werden die Anwesenden mit Propagandafilmen alter Schule bombardiert, die computeranimierte Phantasie-Bauprojekte und glückliche Textilarbeiterinnen zeigen. Dazu Mubarak, mal im Kornfeld, mal bei der Militärparade, mal beim Staatsbesuch.

Wer soll Mubaraks Nachfolger werden?

Doch das große Thema der politischen Diskussion im In- und Ausland, die Nachfolge des 79-jährigen Mubarak, soll auf diesem bis morgen dauernden Parteitag keine Rolle spielen. "Dieses Land wird von Institutionen, nicht von Personen regiert. Die Nachfolge wird durch unsere Verfassung geregelt", wiederholte der Parteifunktionär Ali al Din Hilal bei einem Gespräch mit ausländischen Korrespondenten das offizielle Mantra.

Der Chefredakteur Ibrahim Eissa steht derzeit vor Gericht, weil er der ägyptischen Wirtschaft durch Spekulationen über den Gesundheitszustand Mubaraks und die ungeregelte Nachfolge Millionenverluste beschert haben soll. Die Verfassung besagt, dass der Parlamentssprecher die Amtsgeschäfte des Staatspräsidenten bei dessen Ausfall bis zu Neuwahlen übernimmt. Doch wer dann von der Partei aufgestellt wird, ist unklar.

Wird Mubaraks Sohn Vize-Präsident?

Mubarak hat keinen Vize-Präsidenten ernannt, der in der Vergangenheit jeweils die Macht übernahm. Der steile Aufstieg seines Sohnes Gamal in der Partei zum Leiter des einflussreichen Politikkomitees wirkt wie die Vorbereitung des Juniors auf eine umstrittene Erbfolge. Es wurde spekuliert, dass der 43-Jährige den Politikveteranen Safwat el-Sherif als Generalsekretär ablösen wird. Doch Mubarak senior scheint weitere Unruhe vermeiden zu wollen. Dafür wird nun gemunkelt, Gamals Politikkomitee werde den gleichen Rang erhalten wie das Generalsekretariat. Damit würde der frühere Investmentbanker auch formal präsidiabel.

In entwaffnender Naivität bestätigt der Pressesprecher der Partei vor Journalisten, dass Ägypten eben doch nicht von Institutionen, sondern von einem Mann beherrscht wird. Auf die harmlose Frage nach einer möglichen Regierungsumbildung beim Parteitag antwortet Ali al Din Hilal: "Diese Frage kann nicht einmal der Premierminister beantworten, die Antwort weiß in diesem Land nur einer." Die Delegierten im Kongresszentrum sind schon auf Linie. "Ich schätze zwar Gamal Mubarak nicht so sehr, aber wenn Hosni Mubarak ihn bestimmt, dann wird es schon richtig sein", meint die Delegierte Iman aus Luxor.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false