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Exklusiv

Abzug der Nato aus Afghanistan: Internationale Organisationen fordern schnellere Aufnahme afghanischer Helfer

Die Bundesverteidigungsministerin sprach von unbürokratischer Hilfe. Nun verlangen internationale Organisationen mehr Unterstützung für afghanische Ortskräfte.


100 Tage vor dem anvisierten endgültigen Abzug der Nato aus Afghanistan haben internationale Organisationen größere Anstrengungen bei der Aufnahme afghanischer Helfer in die Mitgliedsstaaten gefordert. Die ehemaligen und aktuellen lokalen Ortskräfte sowie ihre Familien müssten rasch evakuiert werden, „um sicherzustellen, dass diejenigen, die unser Leben geschützt haben, selbst vor Repressalien sicher sind“, heißt es in einem Brief an Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der dem Tagesspiegel vorliegt. Unter den 17 zeichnenden Organisationen ist etwa Amnesty International, die US-Organisation Human Rights First und das Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortkräfte.

Die Afghanistan-Mission der Nato habe eine der größten internationalen Koalitionen der Geschichte zusammengestellt. „Sie vereinte auch die Bemühungen örtlicher afghanischer Mitarbeiter, darunter Dolmetscher, Sicherheitskräfte und Kulturberater“, heißt es in dem Schreiben, das auch an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Joseph Biden adressiert ist. Die Regierungen müssten nun „einen flexiblen und großzügigen Ansatz ohne willkürliche Ausschlüsse“ verfolgen. Diese würden ins Visier genommen „unabhängig von der Länge oder dem Datum der Dienstzeit, der direkten Beschäftigung oder der Vergabe von Unteraufträgen“.

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Zudem müssten die Regierungen nun, da nur 100 Tage bis zum vollständigen Abzug verblieben, die Verwaltungskapazitäten vor Ort erhöht werden, gegebenenfalls Menschen an sichere Orte bringen, um ihre Aufnahme zu prüfen.

Kramp-Karrenbauer plädierte für schnelle Aufnahme

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hatte im April für ein schnelles Verfahren zur Aufnahme von Ortskräften plädiert. „Wir reden hier von Menschen, die zum Teil über Jahre hinweg auch unter Gefährdung ihrer eigenen Sicherheit an unserer Seite gearbeitet, auch mitgekämpft haben und ihren persönlichen Beitrag geleistet haben“, sagte sie. „Ich empfinde es als eine tiefe Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, diese Menschen jetzt, wo wir das Land endgültig verlassen, nicht schutzlos zurückzulassen.“

Die bereits 2014 getroffene Ortskräfteregelung gilt nur bis zu zwei Jahre rückwirkend. Lokale Helfer, die etwa vor 2019 einen Arbeitsvertrag mit deutschen Stellen hatten, sind hiervon ausgenommen. Die Organisationen bemängeln in ihrem Schreiben die „willkürlichen Schutzbarrieren, da jeder NATO-Partner unterschiedliche Kriterien und Ausschlussgründe anwandte“. Ohne eine koordinierte Anstrengung zur Gewährleistung des Schutzes des afghanischen Personals vor Ort, dass die Partnerstaaten unterstützt haben, laufe die Nato Gefahr, ihr eigenes Versprechen zu verraten, dass der „Abzug geordnet, koordiniert und überlegt erfolgen wird“.

„Jeder, der für deutsche Stellen gearbeitet hat, ob für Ministerien oder deutsche Entwicklungshilfeorganisationen, sollte in die Bundesrepublik ausreisen können, wenn sein Leben bedroht wird“, sagt Marcus Grotian, Vorsitzender des Patenschaftsnetzwerks Afghanische Ortskräfte. „Denn für eine Gefährdung ist völlig unerheblich, ob die Arbeit 2020 oder schon vor fünf Jahren endete.“

Mehrheit der Bundeswehr-Helfer will nach Deutschland

Mit dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan will die große Mehrheit der einheimischen Mitarbeiter Schutz in Deutschland. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hatten bis Mitte Mai mehr als 450 Ortskräfte, die aktuell oder in den vergangenen beiden Jahren in Afghanistan bei der Bundeswehr beschäftigt waren, einen entsprechenden Antrag gestellt. Das sind mehr als 80 Prozent der Menschen in dieser Gruppe. Dazu kommen meist noch Familienangehörige, nach früheren Erfahrungen insgesamt etwa 2000 Menschen.

Die Nato hatte im April entschieden, den Abzug aus Afghanistan einzuleiten. Er soll spätestens Mitte September abgeschlossen sein. 

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