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Sollen nach 18 Jahren abziehen: US-Kampftruppen in Irak

© Ameer Al Mohammedaw/dpa

Abzug der Kampftruppen aus Irak verkündet: Die Ignoranz und die Hybris der USA beim Abenteuer in Irak schmerzen noch immer

Die Bush-Regierung hat alles falsch gemacht, was man falsch machen konnte. Eines Tages werden die Iraker Rechenschaft fordern. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Andrea Nüsse

Fast wäre es untergegangen: Wieder einmal verkündet ein amerikanischer Präsident das Ende des amerikanischen Kampfeinsatzes in Irak: Joe Biden ist nun schon der dritte US-Präsident. Sicher, es wird sich mehr auf dem Papier abspielen, da die ohnehin nur noch 2500 Mann zum Jahresende umdeklariert werden in Ausbildungstruppen – sie sollen die irakische Armee und die Geheimdienste stärken, um Irans Einfluss und ein Wiedererstarken des IS zu behindern.

Im Westen interessiert das amerikanische Irak-Abenteuer nun noch wenige – aber wenn man dieses von Hybris und Arroganz der Bush-Administration getragene Experiment aus der Nähe miterlebt hat, als Korrespondentin in der Region, kommt selbst nach so vielen Jahren noch der Frust über die Verblendung einer Supermacht hoch.

George W. Bush war der erste, der am 1. Mai 2003 an Bord eines Flugzeugträgers von einer „mission accomplished“ sprach und den Kampfeinsatz für beendet erklärt hatte. Das zeugte schon in dem Augenblick von der gleichen Ignoranz, die den gesamten Angriffskrieg auf Irak auszeichnete.

Irak war ein Nationalstaates mit starker Armee und Verwaltung - jetzt ist er ein Spielball Irans

Anschließend war es Barack Obama, der das Ende der US-Truppenpräsenz in dem Land am Tigris zum Jahresende 2011 verkündete – er musste sie später aber wieder zurückschicken, weil der IS zu übernehmen drohte. Und nun verkündet Joe Biden erneut das endgültige Ende des Kampfeinsatzes.

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Niemand weint dem Diktator Saddam Hussein eine Träne nach. Aber hinterlassen tun die USA anstelle eines Nationalstaates mit starker Armee und Verwaltung einen failed state, der oft kurz vor dem Bürgerkrieg steht und ein Spielball des Iran geworden ist. Die Lügen über die angeblichen Massenvernichtungswaffen, die Schnapsidee, mit dem Fall des ehemaligen Verbündeten Saddam Hussein werde der gesamte Mittlere Osten US- und Israelfreundlich und demokratisch werden…..Vor allem aber diese Arroganz, ein Land zu besetzen ohne eine Idee zu haben, was dann passieren soll – als hätte man es mit Spielen im Sandkasten zu tun.

Kriegsherr mit begrenzten Fähigkeiten - aber mit viel Macht.
Kriegsherr mit begrenzten Fähigkeiten - aber mit viel Macht.

© AFP

Von einer „griechischen Tragödie“ spricht sogar der US-Politologe Kenneth Pollack, der den Einmarsch befürwortet hatte – und sich in einer Analyse für das Brookings Institute 2007 vielleicht davon reinwaschen wollte, indem er das systemische Versagen als Besatzungsmacht anprangerte.

Vor allem mit der Schaffung des Irakischen Regierungsrates (IGC) unter der Leitung des US-Statthalters Paul Bremer wurden die verheerenden politischen Weichen gestellt: Von einem Mann ohne Kenntnisse der Region, der in guter alter Kolonialherrenmanier mal eben eingeflogen wurde, um die Armee aufzulösen, die Wirtschaft zu privatisieren und die Baath-Partei zu verbieten – und ein disfunktionales ethnisch-religiöses Proporzsystem einzuführen.

Angesichts der heutigen kritischen Debatten über koloniale Verbrechen westlicher Mächte im 19. und zu Beginn des 20.Jahrhunderts, über Raubgut, Entschuldigungen und Entschädigungen ist kaum zu glauben, dass dieser Irak-Eingriff gerade einmal vor 18 Jahren begann. Irgendwann wird diese Debatte vielleicht auch in Irak aufkommen.

Die Stärkung des Iran ist die langfristige Folge der Intervention, die auch der Westen heute spürt. Vor allem aber sollte dieses unrühmliche Kapitel als Warnung dienen, welches Unheil auch Demokratien durch eine Verquickung von Ideologie und Ignoranz gepaart mit (militärischer) Macht anrichten können.

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