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Eine Estelada, die Fahne katalanischer Nationalisten, in Neumünster. Dort wurde Carles Puigdemont nach Spaniens Haftbefehl 2018 kurz inhaftiert.

© Markus Scholz/dpa

Abstimmung in Spanien: „Wir tun alles Notwendige, damit die Katalanen wählen können“

Die Katalanen stimmen über ein neues Parlament ab – die größten Parteien der Region fordern die Unabhängigkeit von Spanien. Gewählt wird auch aus Deutschland.

Die Corona-Krise, der Kampf um den politischen Status und die Auseinandersetzungen mit der Justiz – in Spaniens ohnehin turbulentem Katalonien stehen Wahlen an. Wenn die Mittelmeerregion in vier Monaten über ein neues Parlament abstimmt, werden auch Tausende in Deutschland lebende Katalanen wählen und so über das Verhältnis Barcelonas zu Spanien mitentscheiden.

„Wir, die Vertretung der Regierung von Katalonien in Deutschland, setzen auf Kommunikation und Information, damit möglichst alle in Deutschland lebenden Katalaninnen und Katalanen von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen können“, sagt Marie Kapretz im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Sie vertritt die Region in Berlin, mehr als 15.000 wahlberechtigte Katalanen leben Kapretz zufolge in Deutschland. „Trotz der schwierigen aktuellen Umstände unternimmt die Regierung von Katalonien alles Notwendige, um die Teilnahme an der Wahl in Katalonien selbst und aus dem Ausland zu gewährleisten.“

Fünfte Parlamentswahl in zehn Jahren

Für die Unruheregion ist es die fünfte Parlamentswahl in zehn Jahren. Die Abstimmung Ende Mai findet ein Jahr früher als geplant statt. Das Parlament in Barcelona wurde aufgelöst, nachdem Spaniens Justiz indirekt den katalanischen Regionalpräsidenten Quim Torra im September absetzen ließ. Torra war von Spaniens Oberstem Gericht wegen „Ungehorsam“ zu 30.000 Euro Strafe verurteilt worden. Und die Richter verhängten ein vorübergehendes Verbot, für öffentliche Ämter zu kandidieren.

In Katalonien leben 7,5 der 47 Millionen Einwohner Spaniens. Wie das Spanische ist Katalanisch eine romanische Sprache, sie wird auch im Süden Frankreichs gesprochen. Umfragen zufolge plädiert circa die Hälfte der Einwohner der Region für Unabhängigkeit.

Ex-Regionalpremier Torra steht für die katalanische Unabhängigkeitsbewegung, die im Oktober 2017 gegen den Willen der Zentralregierung in Madrid ein Referendum abgehalten und die Ablösung von Spanien verkündet hat. Führende katalanische Nationalisten waren danach inhaftiert und von Spaniens Justiz zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden, andere flohen ins Exil.

Kataloniens Ex-Präsident genießt dank der EU Immunität

Torras Parteienbündnis „Junts per Catalunya“ – „Zusammen für Katalonien“ – setzt nach wie vor auf Unabhängigkeit von Madrid. Der sozialliberalen Wahlliste gehört auch sein Vorgänger, der frühere Regionalpräsident Carles Puigdemont, an. Er war im Herbst 2017 Kopf einer breiten Koalition liberaler, sozialdemokratischer und radikal-linker Separatisten.

Seitdem lebt Puigdemont in Belgien, 2018 wurde er aufgrund eines spanischen Haftbefehls in Deutschland festgesetzt. Im Exil kommentiert Puigdemont das politische Geschehen, sein Nachfolger Torra hatte ihn als legitimen Präsidenten Kataloniens bezeichnet.

Der 2017 von Spaniens Regierung abgesetzte katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont lebt im Exil.
Der 2017 von Spaniens Regierung abgesetzte katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont lebt im Exil.

© Olivier Matthys/dpa

Puigdemont, der seine Heimat im Fall der Unabhängigkeit gern in die EU geführt hätte, kandidierte 2019 bei der Europa-Wahl. Seine sozialliberalen Separatisten entsandten ihn ins EU-Parlament. Den Sitz allerdings konnte Puigdemont zuerst nicht einnehmen – die Ernennungsurkunde hätte der frühere Journalist in Spanien entgegennehmen müssen. Dort aber wäre Puigdemont verhaftet worden.

Der Europäische Gerichtshof entschied später, dass für die Ausübung des Mandats der geforderte Eid in Madrid unnötig sei. Ein belgisches Gericht setzte 2020 zudem den Haftbefehl außer Vollzug, schließlich genieße Puigdemont parlamentarische Immunität.

Puigdemont floh ins Exil

In Katalonien setzt sein Wahlbündnis nach wie vor auf Konfrontation mit Madrid. Inzwischen sind es die Koalitionspartner von der Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), die zentralspanischen Politikern vorsichtig Verhandlungsbereitschaft signalisieren. So hatten die ERC-Abgeordneten in Spaniens Parlament dem Haushaltsplan von Regierungschef Pedro Sánchez zugestimmt.

Vom sozialdemokratischen Premier erwartet man dafür Zugeständnisse an die Unabhängigkeitsbefürworter – und sei es in Fragen erweiterter Autonomie. ERC-Vertreter betonen, sie hätten bei der Zentralregierung zwei Milliarden Euro für Kataloniens Infrastruktur herausgehandelt.

Premier Sánchez wird kaum weitere Zugeständnisse machen

Strategisch will auch die ERC die Unabhängigkeit von Spanien. Und deshalb wird Premier Sánchez weitere Zugeständnisse kaum machen. Er steht unter Druck von rechts: Die Konservativen der langjährigen Regierungspartei Partido Popular sowie die Rechtspopulisten der Vox hatten den Kampf um Katalonien ihrerseits zum zentralen Thema gemacht.

Zur angespannten Lage trägt bei, dass im Dezember den inhaftierten Separatisten der offene Vollzug verweigert wurde. Spaniens Oberster Gerichtshof hob ein Urteil einer niedrigeren Instanz auf, das den inhaftierten Politikern ermöglicht hätte, das Gefängnis tagsüber zu verlassen.

Der frühere Vize-Regierungschef Oriol Junqueras von der ERC war wegen seiner Rolle beim verbotenen Referendum 2017 und der verkündeten Unabhängigkeit wegen „Rebellion“ zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Nach diesem und ähnlichen Urteilen hatte es 2019 in Barcelona tagelang Ausschreitungen gegeben. Torra bezeichnet die Verweigerung des offenen Vollzugs für die Inhaftierten als „Rachejustiz“ und vergleicht sie mit der Praxis „totalitärer Staaten“.

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