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Der Sarg mit Altkanzler Helmut Kohl wird aus dem Dom zu Speyer getragen.

© dpa/Boris Roessler

Update

Abschied vom Altkanzler: Helmut Kohl in Speyer beigesetzt

Bei einem Trauerakt in Straßburg fanden Weggefährten persönliche Worte. In Speyer nahmen nach der Totenmesse tausende Menschen Abschied. Der Altkanzler wurde anschließend in kleinem Kreis beerdigt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Helmut Kohl in einer bewegenden Trauerrede als großen Brückenbauer zwischen Ländern und Menschen gewürdigt. „Er war ein den Menschen zugewandter Weltpolitiker“, sagte Merkel am Samstag beim europäischen Trauerakt im EU-Parlament. Jetzt müssten die nächsten Generationen sein Vermächtnis bewahren. Das sei der engagierte, unermüdliche Einsatz für Frieden, Freiheit und Einheit.

Merkel dankte Kohl auch ganz persönlich. „Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil. Danke für die Chancen, die Sie mir gegeben haben. (...) Ich verneige mich vor Ihnen und Ihrem Angedenken in Dankbarkeit und Demut“, sagte sie, die dabei ihren Blick auf den Sarg richtete und später Tränen in den Augen hatte. Merkel schilderte ihn als einen Mann der absoluten Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und unerschütterlichen Überzeugung. Und als einen Politiker, an dem sich viele Menschen gerieben haben und der Gegenargumente scharf abwehren konnte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verneigt sich vor dem Sarg von Helmut Kohl.
Bundeskanzlerin Angela Merkel verneigt sich vor dem Sarg von Helmut Kohl.

© Sven Hoppe/dpa

Auch Bill Clinton fand persönliche Worte. "Ich habe ihn geliebt. Ich habe ihn sehr gemocht“, sagte der ehemalige US-Präsident. Kohl habe in seiner politischen Zeit ganz große Fragen gestellt bekommen. Er habe eine Welt gewollt, in der Zusammenarbeit als besser gilt als der Konflikt. „Er wollte eine Welt schaffen, in der niemand niemanden dominiert.“ Zum Schluss sagte Clinton: „Du hast das gut gemacht in deinem Leben. Und wir, die wir dabei sein durften, lieben dich dafür.“

Immerhin ist es schön zu hören, dass unsere europäischen Nachbarn große Dankbarkeit und Freundschaft bekunden, für den Beitrag Deutschlands unter Kohl zu einem friedlichen und vereinten Europa.

schreibt NutzerIn InspectorBarneby

Macron: An Kohl ein Vorbild nehmen

Der französische Präsident Emmanuel Macron würdigte den Altkanzler als großen Freund seines Landes. „Helmut Kohl reichte uns die Hand.“ Macron erinnerte dabei an die Annäherung beider Länder in den 80er Jahren und die Nähe Kohls zum damaligen französischen Präsidenten François Mitterrand. Der 39-Jährige bekräftigte zudem seinen Willen zur engen Zusammenarbeit mit Deutschland und Bundeskanzlerin Merkel. Auf Deutsch sagte er: „Wir haben heute überhaupt keinen Anlass zur Resignation. Wir haben vielmehr Grund zu realistischem Optimismus.“ Er rief außerdem die europäischen Politiker dazu auf, sich Helmut Kohl zum Vorbild zu nehmen.

Die Geschichte werde eines Tages streng über diejenigen richten, die kurzfristig dächten und nationale Interessen voranstellten, warnte der Präsident vor dem mit einer Europaflagge bedeckten Sarg. Der ehemalige Bundeskanzler habe demgegenüber für Völkerverständigung und insbesondere die deutsch-französische Freundschaft gestanden. „Er wollte Brücken bauen statt Grenzen errichten.“ Bereits am Morgen hat Macron in einem deutschsprachigen Facebookpost den verstorbenen Altkanzler mit den Worten „Frankreich trauert um Helmut Kohl“ gewürdigt. Kohl habe gewusst, dass Realpolitik sich nur auszahle, wenn sie „höhere Ideen“ anstrebe: „Eintracht, Freiheit, Solidarität“.

"Er wurde zum kontinentalen Monument", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in einer Ansprache. "Helmut Kohl war ein deutscher Patriot, aber auch ein europäischer Patriot", so Juncker. Er würdigte insbesondere Kohls Beitrag für die "Versöhnung" Europas.

EU-Ratschef Tusk nannte Kohl einen Wegbereiter der europäischen Einigung sowohl im Westen als auch im Osten des lange geteilten Kontinents. „Seine Vision ging weit über die deutschen Grenzen und die deutschen Interessen hinaus.“ Der Deutsche habe „verstanden, dass die ersten, die der Berliner Mauer Risse beigebracht haben, die Werftarbeiter von Danzig waren“, betonte der selbst aus Danzig stammende Pole Tusk mit Blick auf die Verdienste der Gewerkschaft Solidarnosc für die demokratische Entwicklung Ost- und Mitteleuropas.

Der Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht am Trauerakt teilnehmen. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew erinnerte dafür in seiner Rede an die engen Beziehungen Kohls zu seinem Land. Für den Altkanzler sei Russland Bestandteil eines vereinten Europas gewesen, sagte Medwedew. „Für ihn war das ein Teil eines gemeinsamen Hauses, ohne Stacheldraht.“

Größte Beerdigung der Nachkriegsgeschichte

Der mit einer Europaflagge bedeckte Sarg des früheren Bundeskanzlers war am Samstagmorgen aus dessen Haus in Ludwigshafen-Oggersheim getragen und nach Straßburg gebracht worden. Das Wachbataillon der Bundeswehr trug den Sarg dort in den Plenarsaal des Europäischen Parlaments. An den Trauerakt nahmen zahlreiche Spitzenpolitiker teil. Aus Deutschland waren auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, dessen Amtsvorgänger Joachim Gauck und Horst Köhler, Bundesminister und Ministerpräsidenten angereist.

Nach dem europäischen Trauerakt fuhr der Konvoi mit dem Sarg durch Kohls Heimatstadt Ludwigshafen. Ein Hubschrauber flog diesen am Samstagnachmittag von Frankreich nach Deutschland. Im Zentrum von Kohls Geburtsstadt standen Menschen links und rechts der Straße und applaudierten, als der inzwischen mit einer Deutschland-Flagge bedeckte Sarg vorbeifuhr. Beim Trauerakt in Straßburg war dieser noch in eine blaue Europaflagge gehüllt.

Anschließend wurde der Sarg per Schiff auf dem Rhein nach Speyer gebracht und dabei von mehreren Polizeibooten eskortiert. Kurz zuvor hatten drei Hubschrauber der Bundespolizei die Anlegestelle in V-Formation überflogen. Ein Leichenwagen brachte ihn dann in den Dom.

Bischof Wiesemann würdigt „einen wahrhaft großen Staatsmann“

Die Totenmesse hielt der katholische Bischof Karl-Heinz Wiesemann vor rund 1500 Gästen. Er würdigte in seiner Ansprache „einen wahrhaft großen Staatsmann“. Zugleich ging er auf die Situation der Angehörigen ein. Er betonte, Maike Kohl-Richter habe ihrem Mann entsprechend dem Eheversprechen „in guten wie in bösen Tagen, in Gesundheit wie in Krankheit“ beigestanden. Das Mitempfinden gelte aber auch den Söhnen und Enkeln, die ihren Vater und Großvater verloren hätten. Ohne auf den familiären Streit direkt einzugehen sagte Wiesemann wörtlich: „Uns berührt und erschüttert das Große wie auch das nach Erlösung Rufende, das diesen Tod umgibt.“

Der Bischof erinnerte während der Feier auch an Kohls besondere Beziehung zum Speyerer Dom. Sie hatte damit begonnen, dass Kohl hier mit seiner Mutter im Zweiten Weltkrieg Zuflucht vor Fliegerbomben fand. Als Kanzler führte Kohl Staatsgäste aus aller Welt nach Speyer. Neben Wiesemann standen auch Kardinal Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Präsident der EU-Bischofskommission COMECE, Wiesemanns Vorgänger als Bischof von Speyer, Kardinal Friedrich Wetter und Bischof Anton Schlembach, sowie Weihbischof Otto Georgens und der päpstliche Nuntius Nikola Eterovic am Altar.

Nach einem militärischen Ehrenzeremoniell der Bundeswehr wurde Helmut Kohl auf einem nahen Friedhof in Speyer - und somit nicht im Familiengrab in Ludwigshafen - im Freundes- und Familienkreis beigesetzt.

Helmut Kohl war 16 Jahre lang Bundeskanzler. Er starb am 16. Juni im Alter von 87 Jahren. Erstmals wurde für einen Politiker ein solcher europäischer Trauerakt ausgerichtet. Einen deutschen Staatsakt für Kohl wird es dagegen nicht geben. Ein Großaufgebot der Polizei mit mehr als 1000 Beamten sichert die Trauerfeierlichkeiten. Die Beisetzung dürfte zu den größten Beerdigungen in der deutschen Nachkriegsgeschichte zählen, Tausende Menschen werden dazu alleine in Speyer erwartet. (Tsp, dpa, AFP, epd)

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