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Der Luxemburger Jean-Claude Juncker scheidet nach fünf Jahren aus dem Amt des Kommissionspräsidenten „nicht betrübt, aber auch nicht glücklich".

© Vincent Kessler, Reuters

Abschied des Krisenmanagers: Junckers letzte Rede als EU-Kommissionschef

Mehr als 30 Jahre mischte Jean-Claude Juncker in der Europapolitik mit. Nun zog er vor dem EU-Parlament Bilanz, sprach von seinen Misserfolgen und Erfolgen.

Jean-Claude Juncker ist einer, der mit entwaffnender Ehrlichkeit über eigene Gemütszustände sprechen kann. Als feststand, dass eine knappe Mehrheit der Briten für den Austritt aus der EU stimmte, machte er keinen Hehl daraus, dass ihm zum Heulen zumute war.

Als er am Dienstag im Europa-Parlament ein letztes Mal antritt, um nach fünf Jahren an der Spitze der EU-Kommission Bilanz zu ziehen und sich dem Urteil des Parlamentes zu stellen, klingt es ehrlich, als er sagt: „Ich bin nicht betrübt, aber auch nicht übermäßig glücklich.“ Er gehe aber, sagt der 64-jährige, gebrechlich wirkende Luxemburger, der seit mehr als 30 Jahren in der Europapolitik mitmischt, mit dem Gefühl, sich redlich bemüht zu haben.

Das klingt bescheiden. Aber Juncker wäre nicht Juncker, wenn er im Nachsatz nicht harte Kritik äußern würde: „Wenn sich alle redlich bemüht hätten, würde es heute um Europas besser stehen.“ Juncker spricht anderen den guten Willen ab, er unterstellt, dass sie die gute Arbeit der Kommission hintertrieben haben. Wen meint er? Die Staats- und Regierungschefs der 28 Mitglieder haben die Verantwortung dafür, dass seine Kommission für „Enttäuschungen“ gesorgt hat. Juncker benennt diese Enttäuschungen.

So sei es nicht gelungen, die Wiedervereinigung Zyperns unter seinem Mandat zu erreichen. Auch das Rahmenabkommen mit der Schweiz und die Bankenunion seien nicht durchgesetzt. Am meisten schmerzt wohl, dass die EU-Mitglieder in der Flüchtlingspolitik immer noch uneinig sind und sich nicht auf einen solidarischen Verteilungsmechanismus einigen können.

Juncker verweist darauf, dass seine Kommissare Vorschläge unterbreitet haben, dass sie aber scheiterten am Egoismus in einigen Hauptstädten. Er zählt diese nicht auf, jeder weiß aber, dass Warschau, Budapest und Prag verantwortlich sind für die Blockade. „Die Initiative für Solidarität auf europäischer Ebene erfuhr Zurückweisung durch die Innenpolitik in den Mitgliedstaaten.“

Viele Erfolge

Juncker zählt seine Erfolge auf. Es sei gelungen, Griechenland im Euro zu behalten. Wirtschaftlich stehe der Kontinent wesentlich besser da als 2014. 14 Millionen neue Jobs seien entstanden, die Haushaltsdefizite in den Mitgliedstaaten seien gesunken von 6,6 Prozent 2009 auf 0,7 Prozent jetzt.

Die EU und die Euro-Zone seien seit 25 Quartalen auf Wachstumskurs. Seine Kommission werde auch eigenen Ansprüchen gerecht: So habe er versprochen, gesetzgeberisch nur das Nötige zu regeln. „Groß in großen Dingen, klein in den kleinen“, war die Devise.

Unter seinem Vorgänger habe die Kommission im Schnitt noch 130 Gesetzgebungsvorschläge im Jahr unterbreitet, seine Kommission sei mit rund zwei Dutzend im Jahr ausgekommen. Sein spektakulärster Erfolg war, als er am 25. Juli 2018 US-Präsident Donald Trump Autozölle ausreden konnte.

Vorerst zumindest. Als Politiker aus dem kleinen Luxemburg sei er immer noch stolz darauf, dass er Trump erklären konnte: Nicht Kanzler, Ministerpräsidenten noch Staatspräsidenten seien für die Handelspolitik der EU zuständig, vielmehr der Chef der EU- Kommission: „Ich bin dieser Mann.“

Juncker muss mindestens bis Dezanber weitermachen

Juncker scheidet eigentlich am 1. November aus dem Amt. Da aber im Team seiner Nachfolgerin Ursula von der Leyen noch drei Posten von Kommissaren offen sind, muss er mindestens bis zum Dezember weitermachen.

Juncker bekommt viel Applaus. Besonders deutlich fällt das Lob von Manfred Weber aus, dem Fraktionschef der christdemokratischen Parteienfamilie, der auch Juncker angehört. Weber bescheinigt Juncker: „Dank dir ist Europa ein sichererer und wohlhabenderer Kontinent als vor fünf Jahren.“

Jens Geier, Chef der deutschen SPD-Abgeordneten, urteilt nüchterner: „Der Juncker-Kommission fehlte der Weitblick, um die Menschen auch in Krisen vor Dumpingwettbewerb und Arbeitslosigkeit zu schützen.“ Sven Giegold, Chef der deutschen Grünen, findet: „Juncker hat zumindest die letzte Chance nicht verspielt.“

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