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Ein Fahrverbotsschild für Fahrzeuge mit Diesel-Motor bis Euro5 in Hamburg

© dpa/Daniel Bockwoldt

Abgasbelastung in Innenstädten: Gericht entscheidet über Diesel-Fahrverbote in Berlin

Die Umwelthilfe will alte Diesel aus Berlins Innenstadt verbannen. Jetzt verhandelt das Verwaltungsgericht die Klage für saubere Luft.

Von Sabine Beikler

Der Regierende Bürgermeister geht am entscheidenden Diesel-Tag für Berlin in die Luft: Während das Verwaltungsgericht an diesem Dienstag die Klage der Deutschen Umwelthilfe auf saubere Luft und mögliche Fahrverbote verhandelt, fliegt Michael Müller als Regierender und Bundesratspräsident mit einer 40-köpfigen Delegation nach Australien. In Down Under wird es um Wissenschaft, Stadtentwicklung und Digitalisierung gehen, nicht um Fahrverbote, die in Berlin fast jeden sechsten Autofahrer treffen könnten.

Die Deutsche Umwelthilfe will Fahrverbote für Dieselfahrzeuge bis Abgasnorm Euro 6 durchsetzen. Betroffen wären davon mehr als 300.000 Dieselfahrer in Berlin. Hinzu kämen wohl noch Diesel-Fahrer der Abgasnormen 6a, 6b und 6c. Ein Fahrverbot könnte auf 20 Straßen drohen. Die Senatsumweltverwaltung geht von „maximal fünf Kilometer Teilstrecken“ aus, sagte ein Sprecher. Der Senat versucht die Grenzwerte zwar ohne Fahrverbote zu erreichen, sollten diese wegen einer Stichtagsregelung unvermeidbar sein, müssten sie vom Senat beschlossen werden.

Wer kontrolliert?

Das Bundesverwaltungsgericht hatte Fahrverbote für zulässig erklärt, betonte aber auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Deshalb gehen Experten nicht davon aus, dass im Fall eine Gerichtsurteils für Fahrverbote in Berlin eine flächendeckende Verbotszone wie etwa die Umweltzone innerhalb des S-Bahnrings eingerichtet wird. Außerdem bräuchte es laut Bundesverwaltungsgericht auch Ausnahmen etwa für Handwerker und bestimmte Anwohner. Aber wer kontrolliert die Dieselfahrer?

In Hamburg zum Beispiel sind zwei Straßenabschnitte für ältere Dieselautos bis Abgasnorm Euro 6 gesperrt. Die Polizei kontrolliert dort stichprobenartig. Eine erste Großkontrolle führte sie an Kontrollpunkten drei Wochen nach Inkrafttreten des Dieselfahrverbots Ende Mai durch. Polizisten auf Motorrädern und in Streifenwagen geleiteten mutmaßliche Verkehrssünder an diese Kontrollpunkte. Durch diese Maßnahme erwischte die Hamburger Polizei 173 Dieselfahrer.

„Kontrollen von Diesel-Fahrzeugen in Verbotszonen sind in Berlin im normalen Rahmen nicht möglich“, sagte Benjamin Jendro, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei in Berlin. Er wies auf die Personalknappheit hin. „Für solche Kontrollen bräuchten wir 3000 Kollegen mehr beim Verkehrsdienst.“ Deshalb müssten zwangsläufig Vignetten oder Plaketten für zulässige Diesel-Fahrzeuge in Verbotszonen eingeführt werden.

Kaum Alternativen

Der Wirtschaftsverkehr wäre von pauschalen Fahrverboten in der Innenstadt immens betroffen. Mehr als 40 Prozent aller in Berlin gewerblich genutzten Fahrzeuge wie Pkw, leichte und schwere Nutzfahrzeuge sind Diesel. Bei schweren Nutzfahrzeugen und Bussen sind es fast 100 Prozent. Und gerade bei schweren Nutzfahrzeugen gibt es kaum Alternativen, da das Angebot umweltfreundlicherer Antriebe nicht groß ist. Laut Industrie- und Handelskammer wären allein in Berlin rund 88.000 Betriebe von Fahrverboten betroffen. Laut einer IHK-Umfrage bei ihren Mitgliedern nutzen 46 Prozent der Unternehmen ihr Dieselfahrzeug für den Liefer- und Güterverkehr, 22 Prozent für den Kundendienst. Sollte es zu Fahrverboten kommen, befürchten 40 Prozent eine Einschränkung der Geschäftstätigkeit und zwölf Prozent sogar eine Geschäftsaufgabe. Hinzu kommen viele Pendler aus dem Umland: Täglich pendeln rund 220.000 Menschen ein, 80.000 pendeln Richtung Brandenburg.

In 14 Städten sollen Dieselfahrer Kaufprämien der Hersteller oder ein Angebot für die Hardware-Nachrüstung erhalten. Nach der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht könnte sich auch Berlin zu den vom Bund definierten „Intensivstädten“ mit mehr als 50 Mikrogramm gemessenen Stickoxiden pro Kubikmeter Luft im Jahresschnitt dazugesellen.

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