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Eine Streife fährt durch Hof. Hier gibt es wegen hoher Corona-Zahlen strenge Kontrollen.

© Nicolas Armer/dpa

Ab 20.30 Uhr darf niemand mehr das Haus verlassen: Corona-Hotspot Hof hat die Notbremse längst gezogen

In der bayerischen Stadt sind die Infektionszahlen besonders hoch. Die Polizei kontrolliert die Maßnahmen massiv, der eigentliche Gegner aber bleibt unsichtbar.

Von der Fußgängerzone zum Bahnhof, ein Abstecher zum abgesperrten Basketballplatz, dann zum Seeufer und wieder zurück an den Bahnhof: Die Polizei demonstriert Präsenz im Corona-Hotspot Hof.

Fast nirgendwo sonst in Deutschland ist die Inzidenz in der Corona-Pandemie so hoch wie in der oberfränkischen Stadt mit ihren knapp 50.000 Einwohnern. Seit Tagen schieben die Beamten deshalb Sonderschichten, selbst aus Nürnberg und Würzburg kommt Verstärkung von der Bereitschaftspolizei. Allein in der Nacht zu Freitag rücken neun Fahrzeuge aus Unterfranken aus, immer wieder kreuzen sich ihre Wege mit den Streifen aus Hof und den Kontrolleuren vom Ordnungsamt.

Hof ist wohl so sicher wie noch nie - und gleichzeitig ist die Unsicherheit riesig. Denn der Gegner ist unsichtbar, ein Virus, das die Stadt seit Monaten lahmlegt. Die Lokale sind seit November dicht, die meisten Läden seit Dezember und die Schulen seit Februar.

Ohne Ausnahme, nicht einmal für Abschlussklassen. Trotzdem sind die Infektionszahlen viel zu hoch. Seit Anfang April lag Hof bundesweit an der Spitze, am Freitag erstmals auf Platz zwei mit mehr als 460 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tage.

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„Es ist für uns schwer erklärbar, warum ausgerechnet bei uns die Zahlen so hoch sind“, meint Matthias Singer, Vize-Chef der Polizei Hof. Er deutet auf einen verlassenen Basketballplatz, der mit einem Absperrband notdürftig abgeriegelt ist. „Das ist ein Treffpunkt gewesen, zum Ballspielen, zum Musikhören und Reden. Seitdem der Platz gesperrt wurde, kommen kaum noch Leute her.“ Aber auch sonst würden sich die allermeisten Leute in der Stadt an die Regeln halten.

Die immens hohen Zahlen sind ein Rätsel, vor dem auch die Politik steht. Pendler schleppen wahrscheinlich das Virus ein, hochansteckende Mutationen breiten sich aus, aber auch die Jüngsten scheinen sich schnell zu infizieren.

Auch am Bahnhof in Hof wird kontrolliert.
Auch am Bahnhof in Hof wird kontrolliert.

© Nicolas Armer/dpa

Immerhin 350 Kinder in Hof besuchen die Notbetreuung der Schulen, mehr als 550 die Kitas. Allein in der vergangenen Woche habe es in 16 Kitas in Stadt und Landkreis Coronafälle gegeben, sagte Landrat Oliver Bär (CSU) in einer Pressekonferenz am Donnerstag. Selbst die Notbetreuung musste dann oft schließen.

Also greifen Stadt und Landkreis durch, verkünden Maßnahmen um Maßnahmen. Schon ab 20.30 Uhr darf in Hof niemand mehr das Haus verlassen, die Sportanlagen sind gesperrt, auf Spielplätzen gilt Maskenpflicht, und Gottesdienste sind auch nicht mehr erlaubt. Vielleicht weichen die Hofer aus, fahren nur wenige Kilometer weiter? Nein, einen „Gottesdienst-Tourismus“ gebe es nicht, beteuert Dekan Günter Saalfrank.

Ab Samstag werden die Regeln noch einmal verschärft

Trotzdem werden die Regeln ab Samstag noch einmal verschärft. Dann gilt die Notbetreuung nur noch für Kinder, deren Eltern beide systemrelevanten Berufen nachgehen. Verkäufer und Kassierer müssen eine Maske tragen, genauso wie Friseure und Kosmetiker bei der Pflege von Gesicht und Bart. Auch die Einkaufswagen sollen künftig ständig desinfiziert werden. Die große Hoffnung liegt aber beim Impfen: Ab dem Wochenende soll die Bundeswehr mit anpacken, Anfang der Woche erhält die Region 2000 zusätzliche Impfdosen.

[Mehr zum Thema: Jung, gesund – trotzdem geimpft - die drei legalen Tricks der Ungeduldigen (T+)]

Die Stadt habe inzwischen eine ganze Liste mit Maßnahmen, räumt die Oberbürgermeisterin Eva Döhla (SPD) am Donnerstag bei der Pressekonferenz ein. Es werde „völlig zurecht gefragt: Lässt sich das denn alles noch kontrollieren? Ist denn das, was angeordnet wird, überhaupt noch durchsetzbar?“

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Doch es wird kontrolliert - und immer mehr beanstandet. „Es gibt Tage, da machen die Corona-Kontrollen fast ein Drittel des Tagesgeschäfts aus“, sagt Matthias Singer von der Polizei. Rund 600 Verstöße gegen die Corona-Regeln meldeten die Beamten vergangenes Jahr. Seit Januar sind waren es nun schon knapp 450 Anzeigen, davon allein 140 seit der Verschärfung der Regeln am vergangenen Samstag.

Es sind Szenen wie am Hauptbahnhof am Donnerstagabend: Drei Männer und eine Frau trinken Alkohol und rauchen, alles ohne Abstand und Maske. Die Polizei stellt sie zur Rede, ihnen drohen eine Anzeige und 250 Euro Bußgeld. „Ich weiß gar nicht, wie ich das zahlen soll“, lallt einer der Männer und fuchtelt mit seiner Bierflasche durch die Luft.

„Bei einem Freiluftstammtisch oder Corona-Partys gibt es überhaupt keinen Spielraum“, betont Singer kopfschüttelnd. Doch oft gehe es um Fingerspitzengefühl. Als eine Neunjährige mit ihrem Hund Gassi geht und dabei zufällig zwei Freunde trifft, drücken die Beamten noch einmal ein Auge zu. Bei der Kontrolle „hat man selbst auch ein schlechtes Gewissen“, räumt einer der Polizisten ein.

Sonst bleibt es ruhig, wenige Stunden nach Bekanntgabe der erneuten Verschärfung der Regeln. Ein Schneesturm treibt die Menschen in ihre Häuser, aber auch die Kontrollen sprechen sich herum, meint der stellvertretende Leiter der Polizei. Der Kampf gegen die Pandemie sei eine „gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das geht nur, wenn sich jeder an die Regeln hält und wir mit unseren Kontrollen unseren Beitrag leisten“, betonte Singer. „Wir sind alle auch Privatpersonen, die irgendwann wieder in den Urlaub fahren möchten oder Freunde treffen wollen.“ (dpa)

Mirjam Uhrich

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