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Schweigt hinter der Maske. Gesundheitsminister Jens Spahn möchte nicht sagen, mit wem er zu Abend gegessen hat.

© AFP

Update

9999 Euro für Dinner mit Gesundheitsminister: Jens Spahn will Namen der Spender nicht nennen

Nach einem Dinner mit Unternehmern flossen Spenden an den Kreisverband von Gesundheitsminister Jens Spahn. Die Namen der Spender will der CDU-Politiker nicht nennen.

Es war ein Abendessen am 20. Oktober 2020 in Leipzig, das Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) noch bis heute Bauchschmerzen verursachen dürfte. Am Menü - laut „Bild“-Zeitung Rindfleischfilets und Rotwein - dürfte es aber kaum liegen. Vielmehr bleibt ein politisches Geschmäckle zurück.

Denn der Gesundheitsminister, der am nächsten Tag seine Covid-Infektion öffentlich machte, nahm an diesem Abend nicht nur die eigenen Hygiene-Ansprüche in der Pandemie etwas lockerer. Im Nachgang des Abendessens mit rund einem Dutzend Teilnehmern, über das zuerst der Spiegel berichtete, flossen auch Spenden an Spahns Kreisverband Borken. Nach Informationen der „Bild“-Zeitung 9999 Euro - genau einen Euro unter der Grenze zur Veröffentlichungspflicht.

Auf Anfrage des Tagesspiegel bestätigt das Abgeordnetenbüro von Jens Spahn mehrere Tage später, dass Spenden an den Kreisverband geflossen sind. Die Namen der Teilnehmer an dem Abendessen und die der Spender nennt das Büro jedoch nicht. Man möge sich an den CDU-Kreisverband Borken wenden.

Dort heißt es in einer kurzen Mail von Kreisgeschäftsführer Markus Jasper: "Der CDU-Kreisverband Borken setzt die partei- und datenschutzrechtlichen Vorgaben um. Eingehende Spenden werden entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen verbucht, bescheinigt und dokumentiert." Die Namen will man auch im Münsterland ebenso wenig nennen wie die Gründe, warum die Spenden genau einen Euro unter der Veröffentlichungsgrenze lagen: "Die Parteienfinanzierung in Deutschland fußt auch auf Spenden", teilt Jasper mit.

Hartmut Bäumer findet dieses Agieren unanständig. "Von Herrn Spahn und der CDU Borken ist das instinktlos", sagt der Vorsitzende von Transparency International Deutschland dem Tagesspiegel. Bäumer fordert von Spahn, die Spender zu benennen. "Meiner Forderung fehlt aber derzeit leider ein rechtlicher Anspruch", ergänzt Bäumer.

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Tatsächlich hat das Abendessen in einer juristischen Grauzone stattgefunden. Anders als normale Abgeordnete dürfen Minister laut Bundesministergesetz neben ihrem Amt kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben. Selbst Geschenke dürfen sie nicht annehmen, diese müssen der Bundesregierung gemeldet werden.

Deswegen lässt Spahn betonen, er habe an dem Dinner im sächsischen Leipzig nicht in seiner Funktion als Gesundheitsminister teilgenommen, sondern privat. Und die Spenden gingen im Nachgang natürlich nicht an Spahn persönlich, sondern seinen Kreisverband in Borken, für den er im Herbst wieder für die Bundestagswahl antritt.

SPD sieht sich im Wahlkreis benachteiligt

Dort, nahe der Grenze zu den Niederlanden ärgert sich die politische Konkurrenz über Spahn. „Das ist eine Unverschämtheit“, sagt Jürgen Coße, Vorsitzender der SPD im Unterbezirk Steinfurt, der ebenfalls zum Wahlkreis Borken I gehört. Coße, der von 2016 bis 2017 selbst kurzzeitig Mitglied des Bundestags war, findet Spahn müsse die Namen nennen oder zurücktreten. „Das erinnert an die Spendenaffäre von Kohl“, sagt er hörbar aufgebracht am Telefon. Er sieht durch die Spenden eine Chancenungleichheit. „Die CDU hat hier mehr Geld für den Wahlkampf als alle anderen Parteien zusammen.“ Schon in den vorherigen Wahlkämpfen habe die CDU so deutlich mehr Werbung geschalten und Plakate anbringen können. Mit Erfolg - Jens Spahn gewann den Wahlkreis Borken I mit mehr als 50 Prozent der Stimmen. Coße, der im Herbst im Nachbarwahlkreis gegen Bildungsministerin Anja Karliczek antreten wird, befürchtet, dass sich der finanzielle Vorteil im Pandemie-Jahr noch deutlicher bemerkbar machen könnte.

"Ministeramt wird ausgenutzt"

Auch Hartmut Bäumer ärgert Spahns Auslegung der Regeln. "Es ist doch klar, dass die Spender nicht zum Abendessen kommen, um den Abgeordneten von Borken zu treffen, sondern um mit dem Gesundheitsminister zu sprechen", sagt Bäumer. Er sieht darin eine Parallelität zu den Fällen in der Masken-Affäre um Georg Nüsslein, Nikolas Löbel und Co: "Hier wird das Ministeramt ausgenutzt, um Spenden für den eigenen Wahlkampf zu sammeln."

Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency International Deutschland.
Hartmut Bäumer, Vorsitzender von Transparency International Deutschland.

© promo

Auch die Höhe der Spende hält er für eine kalkulierte Verschleierung. "Es geht nur darum, dass die Spender nicht öffentlich werden. Das ist mindestens fragwürdig."

Grüne: "Das ist verlogen"

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, kritisiert Spahn ebenfalls. "Während er Bürgerinnen und Bürger zu Vorsicht und vor zu vielen Kontakten in der Corona-Pandemie mahnt, nimmt er zeitgleich abends an einem Spendendinner teil. Das ist verlogen", sagte sie dem Tagesspiegel.

Dass die Spenden genau einen Euro unter der Veröffentlichungspflicht liegen, "setzt dem Ganzen die Krone auf und sorgt für Misstrauen". Haßelmann fordert von Spahn deshalb, die Namen zu nennen: "Inmitten der Affäre um schwarzen Filz bei CSU und CSU erwarten wir auch von Spahn, für Transparenz zu sorgen."

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