zum Hauptinhalt
Angeklagter Ralf Wohlleben.

© dpa

88. Tag im NSU-Prozess: Angeklagter Wohlleben erneut belastet

Der Ex-Vizechef der Thüringer NPD wurde mit einer neuen Zeugenaussage belastet. Die Bundesanwaltschaft wirft Wohlleben, der seit seiner Festnahme schweigt, die Beihilfe zu neunfachem Mord vor.

Von Frank Jansen

Es sieht nicht gut aus für Ralf Wohlleben. Der Ex-Vizechef der Thüringer NPD ist einer von fünf Angeklagten im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München, er sitzt seit November 2011 in Untersuchungshaft – und wurde am Dienstag erneut belastet.

Der ehemalige Mitarbeiter eines rechten Szeneladens in Jena habe ausgesagt, Wohlleben habe ihn im Frühjahr 2000 nach einer scharfen Waffe gefragt, sagte ein Beamter des Landeskriminalamts Thüringen. Der Polizist hatte im Januar 2012 den früheren Skinhead Andreas S. vernommen, der nach einigem Hin und Her zugab, „ich hab’ dem die Scheiß-Knarre besorgt“. Bei der Waffe handelte es sich mutmaßlich um die Pistole Ceska 83, mit der die NSU-Mörder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen.

Zu Beginn des Prozesses im vergangenen Jahr hatte bereits der Mitangeklagte Carsten S. in seinem Geständnis Wohlleben belastet. Carsten S. berichtete im Juni dem 6. Strafsenat, Wohlleben habe ihm gesagt, wo er die  Waffe in Jena bekommen könne und ihm Geld gegeben. Carsten S. erhielt die Ceska 83 dann für 2500 D-Mark von Andreas S. und brachte sie, mit Schalldämpfer und Munition, nach Chemnitz zu Mundlos und Böhnhardt. Die beiden hielten sich dort mit Beate Zschäpe versteckt.

Die Bundesanwaltschaft wirft Wohlleben und Carsten S. Beihilfe zu neunfachem Mord vor. Wohlleben schweigt seit seiner Festnahme. Carsten S. hatte schon vor dem Prozess ein Geständnis abgelegt und kam aus der Untersuchungshaft frei.

Das Bundeskriminalamt hat Carsten S. in sein Zeugenschutzprogramm aufgenommen, um Racheakten der rechtsextremen Szene vorzubeugen. Das Aussageverhalten von Andreas S. ist allerdings widersprüchlich. Obwohl er gegenüber der Polizei weitreichende Angaben gemacht hatte, lehnte er es  Ende Januar im Prozess ab, sich zur Sache zu äußern. Andreas S. wollte sich nun nicht der Gefahr aussetzen, sich selbst zu belasten.

Ohne den ganzen "Politscheiß"

Der 6. Strafsenat lud dann die Polizisten als Zeugen, die Andreas S. im Januar 2012 befragt hatten. Damals erzählte Andreas S., Wohlleben und ein junger Begleiter, offenbar Carsten S., seien im Frühjahr 2000 bei ihm aufgetaucht. Andreas S. war in Jena als Mitarbeiter im  Szeneladen „Madley“ eine bekannte Figur im rechtsextremen Spektrum. In dem Geschäft wurden unter anderem Textilien und CDs verkauft, die bei Neonazis beliebt sind. Deshalb wurde Andreas S. offenbar auch zugetraut, eine scharfe Waffe besorgen zu können. Der Skinhead hat denn auch zumindest im Fall der Ceska 83 die Erwartungen offenbar nicht enttäuscht, obwohl er mit dem „Politscheiß“ des strammen Neonazis Wohlleben nichts zu tun haben wollte.

Der Polizei sagte Andreas S., er habe die Waffe bei zwei Männern aus dem ehemaligen Jugoslawien gekauft, die in Jena mit einem Spielcenter zu tun hatten. Für die Pistole will Andreas S. 2000 D-Mark gezahlt haben. Wofür die Waffe bestimmt war, habe Andreas S. gar nicht wissen wollen, zitierte der LKA-Beamte aus der Vernehmung. Angeblich sah Andreas S. „nur das schnelle Geld“.

Sollten seine Angaben stimmen, hätte er am Verkauf von Pistole und Munition 500 D-Mark verdient. Die Waffe reichte Andreas S. in einem Kleinwagen an Carsten S. weiter und nahm die vereinbarten 2500 D-Mark entgegen.

Warum blieb Andreas S. von der Anklage verschont?

Bei der Aussage des Kriminaloberkommissars starrte Wohlleben, wie oft im Prozess, trotzig vor sich hin. Seine Verteidiger versuchten, den Beamten in die Enge zu treiben, was nur punktuell gelang. Der Polizist räumte ein, Andreas S. sei nicht gefragt worden, ob er geprüft habe, ob die Waffe funktionsfähig war.

Trotz der bohrenden Fragen der Verteidiger gibt es allerdings kaum Zweifel, dass Andreas S. die aus der Schweiz stammende Ceska 83 beschafft hat und sie von Carsten S. dem NSU überbracht wurde. Unklar bleibt allerdings, warum Andreas S. von einer Anklage wegen Beihilfe zum neunfachen Mord oder zumindest wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verschont blieb.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false