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Hinweisschild zum NSU-Prozess am Oberlandesgericht München.

© dpa

87. Tag im NSU-Prozess: Das Drama des Max-Florian B.

Kurz nachdem die Mitglieder des NSU untergetaucht waren, lernte Max Florian B. sie kennen. Der mutmaßliche Unterstützer wurde offenbar von der Terrorzelle benutzt. Möglicherweise war er zu schwach, um sich aus dem Klammergriff zu befreien.

Von Frank Jansen

Der Mann ist möglicherweise eine tragische Figur. Eine, die sich jung und naiv rechtsextrem auf Leute einließ, die härter und gefährlicher waren. Die Rede ist von Max-Florian B., einem mutmaßlichen Unterstützer der Terrorzelle NSU, der im November 2011 beim Bundeskriminalamt eine Art Lebensbeichte abgelegt hat. Warum er sich dann am Donnerstag im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München weigerte, als Zeuge auszusagen, bleibt unklar. Max-Florian B. nahm das Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch, da die Bundesanwaltschaft ihn im NSU-Komplex als Beschuldigten führt.

Doch seine Angaben gegenüber dem BKA, dafür hatte der 6. Strafsenat gesorgt, konnten gleich nach dem kurzen Auftritt von Max-Florian B. in den Prozess eingeführt werden. Der Beamte, der B. 2011 befragt hatte, berichtete mit einem guten Gedächtnis die Geschichte, die der ehemalige Rechtsextremist erzählt hatte.

Der heute 36 Jahre alte Steinmetz aus Dresden lernte demnach Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe im Februar 1998 in Chemnitz kennen. Die drei waren kurz zuvor untergetaucht, nachdem die Polizei in Jena in einer von Zschäpe gemieteten Garage Sprengstoff und weiteres Material zum Bau von Rohrbomben entdeckt hatte. Seine damalige Freundin Mandy S., so berichtete es Max-Florian B. dem BKA, habe ihn gebeten, in seiner Wohnung Personen übernachten zu lassen, „die was angestellt hatten“. Der 1998 in Chemnitz lebende Max-Florian B. stimmte zu, die drei zogen bei ihm ein.

Der tragende Einfluss

Max-Florian B. selbst wohnte bei Mandy S., doch nach einem Monat ging die Beziehung in die Brüche. Der Rechtsextremist zog in seine Wohnung zurück, warf aber Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nicht raus. Obwohl oder weil er mitbekam, dass die drei eine Waffe dabei hatten. Erst im April 1998 zogen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe aus. Er sei erleichtert gewesen, sagte Max-Florian B. dem BKA. Doch zumindest Mundlos und Böhnhardt hatten ihn da schon fest im Griff.

Mundlos habe B. bearbeitet, seinen Personalausweis zur Verfügung zu stellen, berichtete der BKA-Mann aus der Vernehmung. Mundlos wollte sich einen Reisepass ausstellen lassen, auf den Namen Max-Florian B. Als Grund sollen die drei gesagt haben, sie würden gesucht und wollten ins Ausland flüchten. Max-Florian B. stellte seinen Personalausweis für zehn Tage zur Verfügung, dann bekam er ihn von Mundlos zurück. Der sagte, es gebe nun einen Reisepass. Und Mundlos setzte ihn ein. Mit dem Dokument eröffnete er im Jahr 2000 bei der Commerzbank ein Konto auf den Namen Max-Florian B. Den Pass legte Mundlos auch vor, als er in Zwickau eine Wohnung mietete, offenbar als neues Versteck für ihn, Böhnhardt und Zschäpe.

Mehrmalige Treffen

Um die Räume zu bekommen, präsentierte Mundlos zudem monatliche Gehaltsabrechnungen, die Max-Florian B. von seiner Firma erhalten hatte. Wie Mundlos sich die Unterlagen verschafft hatte, konnte B. dem BKA nicht sagen – er hielt es für möglich, die drei hätten ihm die Abrechnungen entwendet. Jedenfalls hielten sie weiter Kontakt zu B., der vielleicht zu schwach war, sich abzunabeln.

Als Mundlos ihn 2003 nach Zwickau einlud, fuhr B. dorthin, schlug aber das Angebot einer Übernachtung aus. 2004 oder 2005 traf er sich mit Mundlos und Böhnhardt in Radebeul, 2009 oder 2010 dann mit allen drei in seiner Dresdener Wohnung. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe brachten Sparschweinchen mit etwas für die Kinder mit. Doch die waren nicht da. Es sei B. damals wichtig gewesen, dass seine Lebensgefährtin und die Kinder nicht anwesend waren, berichtete der BKA-Beamte aus der Vernehmung. Doch besonders für Mundlos waren die privaten Verhältnisse von B. enorm wichtig.

Bei den Treffen hätten ihn die drei „über Persönliches“ befragt, sagte B. dem Kriminaloberkommissar des BKA. Offenbar wollte Mundlos gewappnet sein, sollte eine Behörde, die Bank oder ein Vermieter etwas mehr über den als Max-Florian B. auftretenden Mann erfahren wollen. Und B. spielte mit. Per Überweisung beglich er Schulden, die bei dem von Mundlos auf den Namen Max-Florian B. eingerichteten Konto in  die Commerzbank aufgelaufen waren. Und aus Angst, die Bank könnte merken, dass seine Unterschrift nicht mit der von Mundlos gefälschten übereinstimmt, habe er das Konto nicht gekündigt, sagte B. dem BKA.

Reisepass und Gehaltsabrechnungen

Als der NSU am 4. November 2011 aufflog und Beate Zschäpe in Zwickau die Wohnung der drei anzündete, wurde es auch für Max-Florian B. brenzlig. Obwohl er sich längst von der rechten Szene entfernt hatte und wohl nur widerwillig mit Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe in Kontakt geblieben war. So reagierte B. geschockt, als ihm das BKA bei der Vernehmung im November 2011 nicht nur den von Mundlos genutzten Reisepass vorhielt. Die Polizei hatte das Dokument in Eisenach gefunden, bei den Leichen von Mundlos und Böhnhardt in einem ausgebrannten Wohnmobil.

Das BKA zeigte B. aber auch seine drei Gehaltsabrechnungen aus dem Jahr 2000, die im Schutt der zerstörten Zwickauer Wohnung gelegen hatten. Ebenso wie die Geburtsurkunde von Max-Florian B. Auf dessen Rückseite vermutlich Mundlos viele persönliche Daten zu B. notiert hatte, auch zu dessen Lebensgefährtin, den Kindern und der Arbeitsstelle.

Dem BKA sagte B., er sei „sehr beschämt“, dass mit seinem Namen Straftaten begangen wurden. Mundlos hatte gemeinsam mit Böhnhardt zehn Menschen erschossen, mindestens zwei Sprengstoffanschläge verübt sowie 15 Raubüberfälle. Dass B. von den Verbrechen wusste, glauben die Ermittler offenbar nicht.

Naives Vertrauen auf falsche Worte

Max-Florian B. hatte sogar, offenbar arglos, Mundlos bei einem Telefonat erzählt, er sei nicht mehr in der rechten Szene  – woraufhin der Terrorist behauptet haben soll, ebenfalls ausgestiegen zu sein. Und Mundlos sagte B. auch, der manipulierte Pass sei „weg“.

Max-Florian B. hat offenbar gehofft, das alles könnte stimmen. Zweifel wurden offenbar verdrängt. Er habe viele Jahre ein Doppelleben geführt und sich „ein Konstrukt aufgebaut“, sagte B. dem BKA. Offen bleibt, wie das Verfahren gegen ihn wegen des Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung endet. Einige Taten sind wohl verjährt. Max-Florian B. kann dennoch froh sein, im NSU-Prozess nicht als der sechste Angeklagte sitzen zu müssen.

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