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Die UN-Vollversammlung verabschiedet am 10.12.1948 die Erklärung der Menschenrechte.

© dpa-Bildarchiv

70 Jahre UN-Menschenrechtserklärung: Ein gültiger Vertrag für alle

Neue Nationalismen stellen sich universellen Übereinkünften in den Weg. Auch der vor 70 Jahren verabschiedeten Menschenrechtserklärung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Auf Personen, die Integrität haben, ist Verlass. Nicht anders verhält es sich mit Staaten. Schwindet Verlässlichkeit, dann erodiert Vertrauen, ganz wie ein Hang, auf den niemand mehr ein Haus bauen will.

In der Gegenwart lässt sich einiges an Erosion registrieren: Die Regierung in Belgien ist am Streit über den UN-Migrationspakt zerbrochen, der Anfang der Woche in Marrakesch verabschiedet werden soll. Russland, das Völkerrecht ignorierend, hat gewaltsam Grenzen auf der Krim verschoben. Auch den Vertrag mit den USA zum Verzicht auf nukleare Mittelstreckenraketen scheint Moskau zu unterlaufen. Auf der anderen Seite des Atlantiks sabotiert US-Präsident Donald Trump auf erratische Weise bilaterale wie multilaterale Abkommen, die vor seiner Amtszeit erarbeitet wurden.

Vom bloßen Missachten internationaler Gepflogenheiten zu sprechen scheint in all solchen Fällen geradezu verharmlosend. Umso eher muss an die Universelle Erklärung der Menschenrechte erinnert werden, verabschiedet heute vor siebzig Jahren in Paris. 48 Staaten waren damals dabei, darunter Afghanistan, China, Kanada, Mexiko, Schweden, Syrien, die Türkei und die USA. Der elementare Auslöser für die inzwischen weltweit anerkannte Erklärung war das Entsetzen über den Holocaust und die Millionen Kriegstoten.

Angriffe auf die Menschenrechte zielen auf die zivilisatorische Basis des internationalen Miteinander. Nicht nur die früheren Supermächte des Kalten Krieges hätten jeden Grund, nach der Auflösung der Blöcke den Frieden für ihr Gedeihen zu nutzen. Das Ende der Blöcke hat auch wirtschaftliche Deregulierung befördert und zusätzliche Ungewissheiten entstehen lassen. Das treibt offenbar viele Akteure zurück in die nationalistischen Tunnel der Vergangenheit.

Für alle Erdenbewohner gilt das Recht auf Leben und Freiheit

Seit 1968 hat die Erklärung der Menschenrechte, auch wenn sie keinen Vertrag darstellt, „verpflichtenden Charakter für die internationale Gemeinschaft“. Für alle Erdenbewohner gilt das Recht auf Leben und Freiheit, auf Bildung und kulturelle Teilhabe, auf Schutz vor Folter und inhumaner Behandlung. In diesem Sinne ist auch der UN-Migrationspakt formuliert, der Rechte und Pflichten von Migranten besser regeln soll. Trotzdem wird er jetzt von einigen Regierungen abgelehnt und beargwöhnt. Dabei ist noch gar nicht klar, wie er völkerrechtlich ausgestaltet werden kann.

Neue Nationalismen stellen sich multilateralen wie universellen Übereinkünften in den Weg. Nationalismus ist die politische Pubertät eines Landes auf dem Weg zum erwachsenen Staat. Meist bricht er nach der Staatsgründung heftig flaggeschwenkend aus. So sind auch die identitären Bewegungen in den ehemaligen Sowjetrepubliken zu erklären. Nationalismus kann aber auch wiedererstarken, wenn eine neue Generation politisch pubertärer Demagogen auftaucht, wie im Fall Trump oder in der Brexit-Causa. So erodiert Integrität und entgleiten den Regierenden die Maßstäbe.

Für ein Individuum bedeutet persönliche Integrität, dass jemand die Anteile der eigenen Person gut genug kennt und balancieren kann, um im Entscheiden und Handeln verbindlich zu bleiben. Dadurch behalten Absprachen jenseits von momentanem Kalkül oder affektiven Anwandlungen Geltung. Dasselbe gilt für Staaten: „Pacta sunt servanda“, Verträge müssen gelten.

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