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50. Tag im NSU-Prozess: Passanten entgingen Schüssen bei NSU-Mord nur knapp

Beinahe hätte es bei dem Mord an dem türkischen Imbissbetreiber Ismail Yasar in Nürnberg noch weitere Opfer gegeben. Während der Tat im Jahr 2005 hielten sich mehrere Personen in der Nähe auf. Besonders gefährdet war ein Professor.

Von Frank Jansen

Bei dem Mord des NSU an dem türkischen Imbissbetreiber Ismail Yasar in Nürnberg sind Passanten offenbar nur knapp einem der Schüsse entgangen. Ein Projektil habe die Eingangstür des Containers durchschlagen und „sich im Freien verloren“, sagte am Donnerstag ein Polizist als Zeuge im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München. Die Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten Yasar am Vormittag des 9. Juni 2005 in seinem Imbiss mit fünf Schüssen in Kopf und Oberkörper getötet. Wo das Projektil landete, das aus dem Container herausgeflogen war, ist unklar. „Es konnte nicht aufgefunden werden“, sagte der Beamte.

Während der Tat hielten sich mehrere Personen in der Nähe des Imbisses auf. Mindestens einer von ihnen war offenbar in besonderem Maße gefährdet. Der Professor Lutz B. sagte im August als Zeuge, er sei wegen einer Forschung über die Arbeitsbelastung in Kleinbetrieben zu dem Imbiss gegangen, um den Betreiber zu befragen. Lutz B. blickte offenbar kurz nach dem Mord an Yasar von außen in den Anbau des Containers, sah aber niemanden. Mundlos und Böhnhardt hatten vermutlich gerade  Ismail Yasar erschossen und duckten sich.

Zeuge Lutz B. hatte wahrscheinlich doppeltes Glück

Dafür spricht, dass Lutz B. zwei Fahrräder sah, die vor dem Imbiss abgestellt waren. Mundlos und Böhnhardt fuhren in der Regel mit ihren Mountainbikes zu den Orten der Morde. Lutz B. hatte wahrscheinlich doppeltes Glück: er entging dem aus dem Imbiss herausgeflogenen Projektil und er verzichtete darauf, den Container zu betreten. Hätte er es getan, wäre er wahrscheinlich ebenfalls von Mundlos und Böhnhardt erschossen worden.

Die NSU-Mörder töteten insgesamt neun türkisch- und griechischstämmige Migranten, die in Kleinbetrieben tätig waren. Alle Morde verübten Mundlos und Böhnhardt mit einer Pistole der Marke Ceska 83. Nur bei dem zehnten Tötungsverbrechen, dem Attentat auf Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn, benutzten die Täter eine andere Waffe. Dieser Fall kam bislang im NSU-Prozess kaum zur Sprache. Wann der 6. Strafsenat dazu kommt, ist offen.

50 Verhandlungstage seit Prozessbeginn im Mai

In den jetzt 50 Verhandlungstagen seit Beginn des Prozesses im Mai wurden außer den neun Morden an den Migranten auch der Sprengstoffanschlag des NSU in der Keupstraße in Köln sowie die Brandstiftung in Zwickau thematisiert. In der sächsischen Stadt hatte die Hauptangeklagte Beate Zschäpe am 4. November 2011 die gemeinsam mit Mundlos und Böhnhardt genutzte Wohnung angezündet. Einige Stunden zuvor hatten die zwei Neonazis in Eisenach eine Filiale der Sparkasse überfallen. Als sie auf der Flucht durch die thüringische Stadt von der Polizei überrascht wurden, erschoss Mundlos in einem Wohnmobil Böhnhardt, zündete das Fahrzeug an und tötete dann sich selbst.

Die insgesamt 15 Raubüberfälle des NSU und einen weiteren Sprengstoffanschlag in Köln hat der Strafsenat bislang in der Beweisaufnahme nur gestreift. Die Richter haben Verhandlungstage bis Ende 2014 eingeplant.       

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