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31. Oktober 1968. Zigarren und Späßchen vor der Urteilsverkündung in der Kaufhausbrandstiftung. Die vier Angeklagten, Thorwald Proll, Horst Söhnlein, Andreas Baader und Gudrun Ensslin.

© Manfred Rehm/Imago

50 Jahre Rote Armee Fraktion: „Der Staat schießt auf uns. Nun schießen wir zurück!“

Vor 50 Jahren formierte sich die Rote Armee Fraktion, die den Staat fast drei Jahrzehnte lang herausforderte. Eine Chronik des linken Terrors in Bildern.

Vor einem halben Jahrhundert stürmten Bewaffnete den Lesesaal des "Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen" in Berlin-Dahlem. Fünf Frauen und zwei Männer wirkten am 14. Mai 1970 an der Befreiung des verurteilten Kaufhaus-Brandstifters Andreas Baader mit. Schüsse fielen, ein Angestellter wurde schwer verletzt.

Als Baader und seine Befreier durch ein Fenster in die Freiheit sprangen, schloss sich ihnen auch Ulrike Meinhof an, wohl spontan. Die bekannte Journalistin der Zeitschrift "konkret" hatte den Vorwand für den Haftausgang Baaders geliefert, getarnt als Recherchetreffen für ein gemeinsames Buch. Es war wohl geplant, dass sie unbeteiligt sitzen bleiben sollte, als ob sie von der Aktion überrascht worden wäre.

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Für Andreas Baader, dessen Partnerin Gudrun Ensslin, den Rechtsanwalt Horst Mahler, Ulrike Meinhof und einige andere war die Tat ein Sprung in den Untergrund und den bewaffneten Kampf. Ganz geplant schien ihr Abtauchen nicht, denn die Gruppe hatte kein Versteck vorbereitet und irrte eine Weile zwischen Freunden und Bekannten umher, auf der Suche nach einem Zufluchtsort. [Lesen Sie mehr über den 14. Mai 1970: Die Geburtsstunde der Roten Armee Fraktion.]

Den offiziellen Teil ihrer Gründung lieferte die "Baader-Meinhof-Gruppe" nach. In der linksradikalen Zeitschrift "Agit 833" hieß es: "Die Rote Armee aufbauen!"

Es war auch ein Weg in die Selbstisolation, das sollte aber erst der letzten Generation der verbliebenen Stadtguerilleros klar werden - nach beinahe drei Jahrzehnten.

Prolog: Der Protest gegen den Vietnamkrieg

Der Einstieg in den bewaffneten Kampf hatte sich im Verlauf der Vietnamproteste langsam abgezeichnet. Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten Deutschland vom Faschismus befreit, waren seit 1965 aber verantwortlich für einen immer sinnloser erscheinenden Krieg. Grausame Bilder von Bombenangriffen, von Massakern an der Zivilbevölkerung brachten eine ganze Generation von jungen Deutschen gegen ihr eigenes Land auf, das sich bedingungslos hinter Amerika stellte und wenig Widerspruch gelten ließ. Das Jahr 1968 wurde zum Höhepunkt der Studentenrevolte.

18. Februar 1968. Protest gegen den Vietnamkrieg während des Vietnamkongresses in Berlin, mit Plakaten von Liebknecht, Luxemburg und Ho Chi Minh. In der ersten Reihe marschierten offenbar viele SPD-Mitglieder mit.

Foto: Ludwig Binder/Stiftung Haus der Geschichte (CC: BY-SA 3.0 DE)
Foto: Ludwig Binder/Stiftung Haus der Geschichte (CC: BY-SA 3.0 DE)

© Ludwig Binder

Am Tag zuvor: Etwa 3000 Personen, meist Studenten, nehmen an der "Internationalen Vietnam-Konferenz" in der Technischen Universität Berlin teil.

17.02.1968, Berlin: Etwa 3000 Personen, meist Studenten, nehmen an der vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) durchgeführten «Internationalen Vietnam-Konferenz» in der TU teil.
17.02.1968, Berlin: Etwa 3000 Personen, meist Studenten, nehmen an der vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) durchgeführten «Internationalen Vietnam-Konferenz» in der TU teil.

© Chris Hoffmann/dpa

Ohnmacht, Wut und Angst vor einer Wiederkehr des Faschismus

Gleichzeitig erfuhr die heranwachsende Generation langsam von der wahren Dimension der Verbrechen des Dritten Reichs, dessen Funktionsträger auch in der jungen Bundesrepublik viele Führungspositionen besetzt hielten. Es waren Dinge, über die in der Elterngeneration nicht gern geredet wurde. Man sprach lieber über die famosen "Wirtschaftswunderjahre".

[Kriegsende und Neuanfang 1945: Auf unserer Themenseite finden Sie zahlreiche Beiträge zum 75. Jahrestag der Befreiung.]

Kanzler Kurt Georg Kiesinger, ehemaliges Mitglied der NSDAP, führte gegen erbitterten Widerstand die Notstandsgesetze ein, die eine Handlungsfähigkeit des Staates in Krisensituationen sichern sollten. Nicht wenige junge Erwachsene fürchteten einen Rückfall in den Faschismus, nachdem Polizisten auf wehrlose Demonstranten einprügelten.

Zum Schlüsselereignis für die 68er-Generation wurde der gewaltsame Tod des Studenten Benno Ohnesorg ein Jahr zuvor - am 2. Juni 1967. Der Polizist Karl-Heinz Kurras erschoss ihn auf einem Hof in Berlin-Charlottenburg. Während Kurras einen Freispruch erntete, mussten Studenten für Steinwürfe in Haft.

Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 nach dem letztlich tödlichen Polizeischuss.
Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 nach dem letztlich tödlichen Polizeischuss.

© Joachim Barfknecht/dpa

2. Juni 1967. "Knüppel frei" für die Polizei auf der Demo gegen den Staatsbesuch von Schah Mohammad Reza Pahlavi. Die Staatsmacht kesselte Demonstranten nach der "Leberwursttaktik" ein. Viele der brutalen Szenen sind Wort und Bild überliefert.

Foto: Ludwig Binder/Stiftung Haus der Geschichte (CC: BY-SA 3.0 DE)
Foto: Ludwig Binder/Stiftung Haus der Geschichte (CC: BY-SA 3.0 DE)

© Ludwig Binder

13. Juni 1967. Sit-In auf dem Ku'damm. Die Erschießung Benno Ohnesorgs löste wochenlange Massendemos in ganz Westdeutschland aus.

 Foto: Ludwig Binder/Stiftung Haus der Geschichte (CC: BY-SA 3.0 DE)
Foto: Ludwig Binder/Stiftung Haus der Geschichte (CC: BY-SA 3.0 DE)

© Ludwig Binder

4. Juli 1967. Rainer Langhans mit Mitstreitern vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) beim Verteilen von Flugblättern. Darauf wurde, so der Fotograf Ludwig Binder, "zur Brandstiftung in prominenten Häusern aufgerufen". -

Foto: Ludwig Binder/StiftungHausder Geschichte (CC: BY-SA 3.0 DE)
Foto: Ludwig Binder/StiftungHausder Geschichte (CC: BY-SA 3.0 DE)

© Ludwig Binder

Sollte man weiter provokant aber gewaltfrei in der Außerparlamentarischen Opposition, kurz: APO, Dutschkes "Marsch durch die Institutionen" antreten? Oder die Gesellschaft mit Waffengewalt verändern?

Ein Teil der Szene sah nur noch den bewaffneten Kampf als eine Antwort. "Der Staat schießt auf uns. Nun schießen wir zurück", soll Gudrun Ensslin gesagt haben. Die Pastorentochter aus Tuttlingen lernte Andreas Baader in der Berliner Studentenbewegung kennen und lieben.

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Baader war als 21-Jähriger mit einer längeren Strafakte aus München nach Berlin gekommen. Erster militanter Akt waren die Brandstiftungen in zwei Frankfurter Warenhäusern, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren. Der Prozess gegen Thorwald Proll, Horst Söhnlein, Andreas Baader und Gudrun Ensslin brachte die spätere Führungsriege der ersten RAF-Generation zusammen. Das Urteil: Drei Jahre Zuchthaus.

2. April 1968. Brandanschlag. Polizisten im ausgebrannten Kaufhaus Schneider in Frankfurt.

11. April 1968. Ein weiterer Schock für die Studentenbewegung und die APO: Vor der SDS-Zentrale am Kurfürstendamm 140 streckt der 23-jährige Hilfsarbeiter und Hitler-Verehrer Josef Bachmann den Studentenführer Rudi Dutschke mit drei Schüssen nieder. Dutschke überlebt, stirbt jedoch elf Jahre später an den Spätfolgen des Attentats. Sein Fahrrad bleibt am Tatort zurück.

11.04.1968, Berlin: Das Fahrrad von Rudi Dutschke am Tatort vor der Geschäftsstelle des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) am Kurfürstendamm in Berlin.
11.04.1968, Berlin: Das Fahrrad von Rudi Dutschke am Tatort vor der Geschäftsstelle des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) am Kurfürstendamm in Berlin.

© Chris Hoffmann/dpa

4. November 1968. Die "Schlacht am Tegeler Weg" in Berlin-Charlottenburg war ein Wendepunkt der Außerparlamentarischen Opposition. Ein Teil der Bewegung setzte auf Gewalt - Stadtguerilla statt Spaßguerilla. 130 Polizisten und 22 Demonstranten wurden verletzt. Polizisten waren damals noch ohne Helm, Schild und Schutzpanzer unterwegs. Auslöser war ein Ehrengerichtsverfahren gegen Horst Mahler.

Das Bild ist Teil der Ausstellung "Revolte!" im Bonner Haus der Geschichte. - Foto: Ludwig Binder/Stiftung Haus der Geschichte
Das Bild ist Teil der Ausstellung "Revolte!" im Bonner Haus der Geschichte. - Foto: Ludwig Binder/Stiftung Haus der Geschichte

© Ludwig Binder

14. Mai 1970. Was liegen blieb von der Baader-Befreiung in Berlin-Dahlem: Eine Beretta-Pistole, gekauft von der 19-jährigen Irene Goergens, und zwei Perücken.

8. Mai 1971. Horst Mahler mit Ingrid Schubert und Irene Goergens im Prozess um die Baader-Befreiung. Mahler wurde 1980 entlassen. Seit Ende der Neunziger Jahre vertrat er zunehmend rechtsextreme Positionen, die ihn wegen Volksverhetzung erneut ins Gefängnis brachten.

24. Mai 1972. Nach einer längeren Aufbauphase mit Waffenausbildung in Palästina, Banküberfällen und Dokumentendiebstählen ging die RAF in die Offensive. Unter den Zielen mehrerer Bombenanschlage war das Hauptquartier der US-Landstreitkräfte in Heidelberg. Drei US-Soldaten wurden getötet.

Der Staat reagierte mit erhöhtem Fahndungsdruck. Bis zum Ende des Jahres 1972 konnte die gesamte Führungsriege der RAF festgenommen werden.

Verhaftet. Jan-Carl Raspe und Holger Meins.

Ulrike Meinhof und Andreas Baader. Meinhof wurde durch den Hinweis eines Gewerkschafters und Lehrers in Hannover verhaftet, in dessen Wohnung sie übernachten wollte.

1973 wurden die wichtigsten RAF-Terroristen im siebten Stock der JVA Stuttgart-Stammheim zusammengelegt. Hier ein Blick in die Zelle von Jan-Carl Raspe.

Unterstützung von Jean-Paul Sartre. Der französische Philosoph besuchte Andreas Baader und nannte dessen Haftbedingungen anschließend Isolationsfolter. Dieses Wort wurde zum Kampfbegriff der Unterstützer. Es wird vermutet, dass der halbblinde Sartre den kargen Besucherraum für die Zelle Baaders hielt. Neben Sartre saßen RAF-Anwalt Klaus Croissant und Daniel Cohn-Bendit.

Die Anwälte der Baader-Meinhof-Gruppe. Klaus Croissant, Otto Schily und Hans Heinz Heldmann. Hie beschwerten sie sich über ungerechtfertigte Leibesvisitationen beim Besuch ihrer Mandanten. Ein Anwalt aus der Kanzlei Croissants wurde später wegen des Schmuggels von Waffen und anderen Gegenständen zu den Gefangenen im Hochsicherheitstrakt verurteilt.

Aus Protest gegen die Haftbedingungen traten die Terroristen in den Hungerstreik, woran Holger Meins am 9. November 1974 starb. Sein Tod brachte der RAF eine Welle der Sympathie in der Studentenbewegung. "Holger, der Kampf geht weiter!" - das sagte damals Rudi Dutschke.

Rudi Dutschke (schwarze Mütze) mit RAF-Anwalt Otto Schily auf der Beerdigung.

Die zweite Generation und der Deutsche Herbst

Während die Führungsriege der RAF-Gründer in Stammheim saß, formierte sich aus den Unterstützerzirkeln eine neue Generation aus Terroristen. Vermutlich wurden sie auch aus dem Gefängnis heraus instruiert, durch Botendienste bei Besuchen von Anwälten. Zahlreiche Anschläge folgten, die im Herbst 1977 ihren Höhepunkt erreichten.

27. Februar 1975. Drei Tage vor der Berlin-Wahl wurde der CDU-Spitzenkandidat Peter Lorenz entführt. Den Tätern der "Bewegung 2. Juni", einer linken Terrororganisation, die neben der RAF existierte, gelang es, fünf inhaftierte Terroristen für die Freilassung von Lorenz freizupressen, jedoch nicht die Stammheimer. Dort soll Andreas Baader von seinen Gefolgsleuten außen eine ähnliche Aktion eingefordert haben.

7. April 1977. Siegfried Buback, höchster Ankläger der Bundesrepublik, wurde durch Schüsse von einem Motorrad aus in seinem Dienstwagen getötet. Das Foto zeigt den Tatort mit den zugedeckten Leichen von Buback (vorne links) und seinem Fahrer. Später starb ein weiterer verletzter Polizist an seinen schweren Verletzungen.

Schweigemarsch nach der Ermordung Bubacks.

24. April 1975. "Kommando Holger Meins". Sechs Terroristen stürmten die deutsche Botschaft in Stockholm und brachten zwölf Geiseln in ihre Gewalt. Ihre Forderung: Freilassung von 26 inhaftierten RAF-Terroristen. Die Bundesregierung lehnte ab. Bei der Aktion wurden zwei Geiseln ermordet. Zwei der Terroristen starben durch eine Sprengstoffexplosion, die wohl versehentlich von den Tätern ausgelöst worden war.

9. Mai 1976. Ulrike Meinhof erhängte sich in ihrer Zelle. Vorausgegangen waren heftige interne Kämpfe.

30. Juli 1977. Mord an Jürgen Ponto, Vorstandssprecher der Dresdner Bank.

5. September 1977. Die Entführung des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer in Köln war das zentrale Ereignis des Deutschen Herbstes. Die Täter erschossen seine vier Begleiter und brachten Schleyer ins "Volksgefängnis". Das Bild zeigt die grausamen Spuren am Tatort.

Ein weiteres Detail: Am Rand des ausgeleuchteten Tatorts stand ein Kinderwagen, in dem die Terroristen Waffen transportiert hatten. Einige davon lagen auf der Heckklappe des zerschossenen Mercedes.

30. September 1977. Der Stuhl neben Helmut Schmidt war für Hanns Martin Schleyer. Auf einem Jubiläum in Nürnberg blieb er leer, denn Schleyer war zu diesem Zeitpunkt Gefangener.

Oktober 1977. Polizeikontrolle mit Maschinenpistole im Anschlag. An solche Bilder mussten sich die Bürger gewöhnen während der Großfahndung nach Hanns Martin Schleyer und seinen Entführern. Hier zogen die Polizisten einen Porsche aus dem Verkehr, denn die Vorliebe der RAF für schnelle Autos war bekannt.

13. Oktober 1977. Zur Unterstützung ihrer deutschen Genossen entführte ein palästinensisches Terrorkommando eine Lufthansa-Maschine. Die Landshut war auf ihrem Weg von Mallorca nach Frankfurt. Die Terroristen ermordeten den Kapitän Jürgen Schumann und ließen das Flugzeug schließlich auf dem Flughafen von Mogadischu in Somalia landen. Am 18. Oktober befreite die Eliteeinheit des Bundesgrenzschutzes GSG 9 die Geiseln und tötete drei der vier Entführer.

18. Oktober 1977. Nun war klar, dass sich der Staat nicht noch einmal erpressen ließ. Die Unterstützungsaktion war gescheitert. Hanns Martin Schleyer wurde am 18. Oktober erschossen. "Wir haben nach 43 Tagen Hanns-Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet", lautete die zynische Mitteilung der RAF.

In Stammheim nahmen sich Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe das Leben. Nur Irmgard Möller überlebte die "Todesnacht von Stammheim" schwer verletzt. Auch 30 Jahre später blieb sie bei ihrer Darstellung einer geplanten Ermordung.

25. Oktober 1977. Dieser Händedruck bleibt untrennbar verbunden mit den Geschehnissen im Herbst 1977. Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) stand mit gesenktem Blick vor der Witwe Waltraud Schleyer. Vielleicht hätte er ihren Mann retten können, wenn er auf die Forderungen der Terroristen eingegangen wäre. Er tat es nicht, aus Prinzip. Der Staat hatte sich bereits einmal erpressbar gezeigt, was als ein Fehler betrachtet wurde. Mehrere der Freigepressten blieben dem Terror treu. "Man hat Schleyer sozusagen aus Gründen der Staatsräson geopfert", sagte viele Jahre später der Jurist Klaus Pflieger.

27. Oktober 1977. Die Särge von Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan Carl Raspe.

Der Kampf geht weiter. Geste vor Journalisten am gemeinsamen Grab.

Insgesamt zehn RAF-Mitglieder der zweiten Generation setzten sich mit Hilfe der Stasi in die DDR ab. Unter neuer Identität führten die Aussteiger dort ein unauffälliges Leben. Nach dem Ende der DDR flogen jedoch alle zehn Ex-Terroristen auf. In diesem Cottbusser Wohnblock lebte Susanne Albrecht, die maßgeblich an der Ermordung Jürgen Pontos beteiligt war.

Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar (Mitte) gelten als Führungsfiguren der zweiten Generation. Sie sollen maßgeblich an den Aktionen des Deutschen Herbstes beteiligt gewesen sein und konnten beide 1982 festgenommen werden. Verurteilt wegen neunfachen Mordes, sind beide inzwischen wieder entlassen. Mohnhaupt im März 2007, Klar wurde im Dezember 2008. Rechts abgebildet ist Knut Folkerts, der bereits 1977 gefasst wurde.

Peter-Jürgen Boock war an mehreren Anschlägen beteiligt, darunter dem Mord an Jürgen Ponto und der Schleyer-Entführung. Nach seiner Verhaftung im Jahr 1981 schrieb er seine Erinnerungen auf. Vom Terrorismus hatte sich Boock losgesagt, doch Ermittler unterstellten ihm später ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit. 1998 wurde er aus der Haft entlassen.

Die dritte Generation

Die letzten Kämpfer der RAF fuhren keine auffälligen Autos mehr und hatten sich auch sonst besser an das Leben in Untergrund angepasst. Namen und Gesichter kennen die Ermittler nur wenige. Die "Big Raushole" ihrer Genossen stand nicht mehr im Vordergrund. Bis zu ihrer Selbstauflösung im Jahr 1993 verübte die RAF weitere zehn Morde und zahlreiche Anschläge auf Führungspersonen in Politik und Wirtschaft.

10. Oktober 1986. Mord am Diplomaten Gerold von Braunmühl, Abteilungsleiter im Auswärtigen Amt. Braunmühl wurde auf dem Heimweg von zwei bis heute unbekannten Attentätern erschossen.

30. November 1989. Alfred Herrhausen, Vorstandssprecher der Deutschen Bank, starb in seinem Dienstwagen durch eine Bombe am Straßenrand. Über die Hintergründe des Mords in Bad Homburg ranken sich bis heute Spekulationen, die Täter sind nicht ermittelt. Die Installation der Lichtschranke, die Herrhausen zielgenau in dem gepanzerten Mercedes traf, setzte hohe technische Perfektion und genaue Planung voraus. Diese Art der Ausführung war eher untypisch für vorausgegangene Attentate.

1. April 1991. Detlev Carsten Rohwedder war als Chef der Treuhandanstalt mit der Privatisierung der ehemaligen Volkseigenen Betriebe der DDR befasst. Die Täter erschossen ihn durch ein Fenster in seinem Düsseldorfer Wohnhaus. Auch seine Frau wurde durch einen Schuss verletzt. Das Verbrechen ist bis heute ungeklärt, wobei die DNA-Analyse eines Haars am Tatort auf Wolfgang Grams als einen der Täter hindeutet.

Rohwedder mit Birgit Breuel, die nach seinem Tod zur Chefin der Treuhand wurde.

Einschusslöcher in den Scheiben an Rohwedders Haus.

27. März 1993. Bei ihrem letzten Anschlag legte die RAF den Neubau der JVA Weiterstadt in Schutt und Asche. Dabei wurde offenbar sorgfältig darauf geachtet, nur Sachschaden anzurichten. Das Wachpersonal des noch nicht eingeweihten Gefängnisses wurde gefesselt und in Sicherheit gebracht.

27. Juni 1993. Das letzte Gefecht der RAF fand in Bad Kleinen statt, einem kleinen Ort in Mecklenburg-Vorpommern. Es war den Ermittlern zum ersten Mal gelungen, einen V-Mann in die höchste Ebene der RAF einzuschleusen. Doch bei der geplanten Festnahme von Birgit Hogefeld und Wolfgang Grams starben auf dem Bahnhof von Bad Kleinen ein Beamter der GSG 9 und der Terrorist Grams. Der missglückte Einsatz hatte politische Folgen, Innenminister Rudolf Seiters trat zurück.

Tod auf den Gleisen. An dieser Stelle starb Wolfgang Grams.

20. April 1998. "Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte", hieß es in einem achtseitigen Schreiben an die Nachrichtenagentur Reuters. Einige der verbliebenen Kämpfer leben bis heute im Untergrund. Um ihr Lebensunterhalt zu sichern, sollen sie mehrere Überfälle auf Banken und Geldtransporter begangen haben.

Auf der Fahndungsliste des Bundeskriminalamts verbleiben bis heute vier RAF-Terroristen: Ernst-Volker Staub, Daniela Klette, Burkhard Garweg und Friederike Krabbe (hier nicht im Bild).

Burkhard Garweg und Ernst-Volker-Staub auf Fahndungsfotos aus dem Jahr 2016.

Die Ermittler waren ihnen nach einer Serie von mindestens neun Raubüberfällen in Norddeutschland wieder auf die Spur gekommen.

Mit Terror hätten diese Aktivitäten nichts mehr zu tun, meinen Ermittler. Eher mit Altersvorsorge, denn ein Leben in der Illegalität ist teuer.

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