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Protest gegen Abschiebungen nach Afghanistan am Flughafen Frankfurt/Main (Archivbild von 2016)

© dpa/Susann Prautsch

Update

39. Sammelabschiebung seit 2016: Deutschland bringt weitere 42 Männer nach Afghanistan zurück

Ungeachtet der kritischen Sicherheitslage setzt Deutschland Abschiebungen nach Afghanistan fort. In dem Krisenland werden derweil zehn Minenräumer erschossen.

In Afghanistan ist erneut ein Abschiebeflug aus Deutschland eingetroffen. Die Maschine sei um 7.48 Uhr (Ortszeit) am Mittwoch am Flughafen Kabul gelandet, sagten Behördenvertreter der Deutschen Presse-Agentur. An Bord der Maschine seien 42 abgeschobene Männer gewesen, hieß es weiter. Es war die 39. Sammelabschiebung seit dem ersten derartigen Flug im Dezember 2016. Damit haben Bund und Länder bisher 1077 Männer nach Afghanistan zurückgebracht.

40 der 42 abgeschobenen Männer seien strafrechtlich verurteilt, sagte ein Sprecher des deutschen Bundesinnenministeriums unter Verweis auf Angaben der Länder. Es gehe um Delikte wie Körperverletzung, Raub, Diebstahl, Sexualdelikte und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz. 

Einer der abgeschobenen Männer sagte am Flughafen Kabul zur dpa, er wolle versuchen, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Seine Eltern und Geschwister seien weiter dort. Er habe seit acht Jahren in Deutschland gelebt und zuletzt als Autolackierer gearbeitet. Afghanische Offizielle hätten ihm gesagt, er könne nun helfen, das Land wiederaufzubauen. Er wolle aber nichts unversucht lassen, um rasch wieder nach Deutschland zu kommen.

Ein anderer Abgeschobener sagte, er wolle sich nun in Afghanistan ein Leben aufbauen. Er habe viele Jahre als Flüchtling in Deutschland verbracht, das sei sehr schwierig gewesen. Er sei nach einem Streit zwei Jahre lang im Gefängnis gewesen.

Zuletzt gab es seit Dezember monatlich einen Abschiebeflug von Deutschland nach Afghanistan. Der für den Mai geplante Flug wurde nach Angaben des Bundesinnenministeriums verschoben, weil die afghanischen Behörden rund um den 1. Mai die Notwendigkeit verstärkter Sicherheitsmaßnahmen gesehen hätten. Am 1. Mai haben die USA und andere Nato-Länder offiziell mit dem Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan begonnen. 

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Abschiebungen in das Krisenland sind umstritten. Trotz der Aufnahme von Friedensgesprächen im September geht der Konflikt mit den militant-islamistischen Taliban weiter. Seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen hat sich die Sicherheitslage verschlechtert. Die militant-islamistischen Taliban haben seither mehrere Offensiven gestartet und mindestens elf Bezirke in dem Land erobert. Dabei kamen Hunderte Sicherheitskräfte ums Leben oder wurden verletzt. 

Am Montag hatten die Taliban die früheren Helfer der internationalen Streitkräfte, die nach dem Abzug der Truppen Rache fürchten, zum Bleiben aufgefordert. Sie sollten „Reue zeigen und dem Land dienen“ und hätten nichts zu befürchten.

[Mehr über die Lage der Ortskräfte nach dem Truppenabzug lesen Abonnenten von T+ hier: „Wenn es Visa für Europa gäbe, kämen viele Afghanen“]

Täglich werden auch Zivilisten Opfer des Konflikts. Neben den Taliban ist auch die Terrormiliz Islamischer Staat in dem Land aktiv. Zuletzt ist zudem die Zahl der Corona-Neuinfektionen in dem Land signifikant gestiegen.

Zehn Tote bei Angriff auf Minenräumer

Bei einem Angriff auf einen Minenräumtrupp der britisch-amerikanischen Organisation Halo Trust sind in Afghanistan zehn Menschen ums Leben gekommen. 16 weitere seien verletzt worden, bestätigte Halo Trust am Mittwoch in einer auf Twitter geteilten Erklärung.

Demnach war eine „unbekannte, bewaffnete Gruppe“ am Dienstagabend (Ortszeit) in ein Camp mit rund 110 Minenräumern in der Provinz Baghlan im Norden des Landes eingedrungen und hatte das Feuer eröffnet. Noch kurz zuvor hatten die Minenarbeiter auf einem nahe gelegenen Minenfeld gearbeitet.

Bisher bekannte sich niemand zu dem Vorfall. Das afghanische Innenministerium beschuldigte die militant-islamistischen Taliban. Die Islamisten erklärten auf Twitter, sie hätten mit dem Vorfall nichts zu tun.

„Wir verurteilen den Angriff auf unsere Mitarbeiter auf das Schärfste“, hieß es in der Erklärung von Halo Trust. Sie hätten humanitäre Arbeit geleistet, um Leben zu retten. Man konzentriere sich nun darauf, sich um die Verletzten zu kümmern und die betroffenen Familien zu unterstützen.

In der Vergangenheit waren Mitarbeiter von Halo Trust in Afghanistan mehrmals von Unbekannten für kurze Zeit verschleppt worden. Der Webseite der Wohltätigkeitsorganisation zufolge arbeiten 2600 Mitarbeiter für Halo Trust in Afghanistan. Das Programm der Minenräumorganisation in dem Land werde vollständig von Afghanen geführt. Seit 1988 zerstöre man Minen und andere explosive Gegenstände in dem Land.

Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts zeigte sich schockiert über den Angriff auf die Minenräumer. Der Sprecher des Innenministeriums sagte, pauschale Aussagen zur Gefährdung Abgeschobener in Afghanistan seien nicht möglich. Es müsse immer der Einzelfall geprüft werden, was im Asylverfahren auch geschehe. Dabei spielten etwa der Wohnort, die Herkunft, die ethnische Zugehörigkeit, der Beruf oder das Geschlecht eine Rolle.

Nichtregierungsorganisationen und Hilfsprojekte in Afghanistan sind immer wieder angegriffen worden. 2020 wurden nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Inso 180 Vorfälle mit NGOs in Afghanistan registriert. Dabei wurden 14 Mitarbeiter getötet, 27 verletzt und 42 entführt. (dpa)

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