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30 Jahre nach der Wende: Open-Air-Ausstellung vor dem Abgeordnetenhaus in Berlin. Wie geht es Ostdeutschland heute?

© Jörg Carstensen/dpa

30 Jahre nach der Wende: „Die Situation im Osten ist viel besser als ihr Ruf“

Viele Ostdeutsche seien unzufrieden, sagt der Ostbeauftragte der Bundesregierung. Sein Bericht zeigt: Die Wirtschaft hinkt hinterher, aber es gibt Fortschritte.

Trotz anhaltender Strukturschwächen im Osten sieht die Bundesregierung deutliche Fortschritte beim wirtschaftlichen Aufholprozess. „Die Situation im Osten ist viel besser als ihr Ruf“, sagte der Ostbeauftragte der Regierung, Wirtschaftsstaatssekretär Christian Hirte, in Berlin. „Unterm Strich gibt es eine extrem positive Entwicklung seit der Einheit.“

Der CDU-Politiker sagte: „Der ökonomische, soziale und gesellschaftliche Zustand im Osten ist viel besser, als wir uns das vor 30 Jahren alle gemeinsam erwartet und vorgestellt hätten.“ Zugleich aber seien viele Menschen im Osten „veränderungsmüde“ und fühlten sich nach wie vor als Bürger zweiter Klasse. „Wir dürfen sie nicht überfordern. Die Erwartungen an den Staat sind größer als im Westen.“

Der Ostbeauftragte stellt am Mittwochvormittag den Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit vor.

Es gebe nach wie vor viele Bürger, die meinten, dass der Osten kollektiv und individuell benachteiligt werde, sagte Hirte. „Das resultiert daraus, dass die Ostdeutschen das Pech hatten, 40 Jahre auf der falschen Seite der Geschichte gestanden zu haben.“

Es habe aber einen massiven Aufholprozess gerade in den vergangenen Jahren gegeben. Löhne und Renten seien überproportional gestiegen. Die verfügbaren Einkommen seien auf einem vergleichbaren Niveau mit dem Westen, weil die Lebenshaltungskosten niedriger seien. „Der Osten ist insgesamt hochgradig attraktiv nicht nur für Unternehmensansiedlungen, sondern auch für die Bürger. Seit 2017 ziehen mehr Menschen aus dem Westen in den Osten als aus dem Osten in den Westen.“

„Der Blick für den Osten fehlt schon noch, vor allem in Berlin“

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): „Für Unmut sorgt vor allem, dass wir 30 Jahre nach der Deutschen Einheit immer noch keine gleichen Löhne und keine gleichen Renten haben.“ Der Thüringer CDU-Landesparteichef Mike Mohring kritisierte laut RND: „Der Blick für den Osten fehlt schon noch, vor allem in Berlin.“

Die Unterschiede in der wirtschaftlichen Leistungskraft hängen laut Jahresbericht vor allem mit strukturellen Faktoren zusammen. Dazu zählten die Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft, ein Mangel an Konzernzentralen großer Unternehmen und die ländlich geprägte Siedlungsstruktur. Die Gesellschaft sei zudem wegen der Abwanderung vieler junger Leute nach 1989/1990 älter als im Westen.

Ostbeauftragter: Firmen im Osten müssen sich internationaler aufstellen

Der Ostbeauftragte Hirte sagte, auf der anderen Seite sei die Geburtenrate im Osten höher, es gebe eine gute Entwicklung vor allem im Mittelstand. „Dort wachsen Unternehmen überdurchschnittlich stark. Genau das wollen wir künftig stärker fördern.“ Es seien mehr Investitionen in Innovationen nötig, die Firmen müssten sich internationaler aufstellen.

Zudem müssten strukturschwache Regionen mehr gefördert werden. Es sollten nicht nur im Zuge des Kohleausstiegs neue Verwaltungen und Behörden vor allem im Osten angesiedelt werden. „Der Staat darf sich nicht großflächig aus ländlichen Regionen zurückziehen.“ Die Politik habe auch die Verpflichtung, mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen.

„Dass der Osten heute wirtschaftlich schlechter aufgestellt ist als der Westen, liegt nicht an der Situation ab 1990 – sondern daran, dass die DDR wirtschaftlich marode war“, sagte Hirte. „Ich halte das für einen hanebüchenen Unsinn, dass der Eindruck erweckt wird, der Westen habe ab 1990 quasi den Osten überrannt und ausgebeutet. Natürlich sind im Zuge der Privatisierung auch Unternehmen im Osten unter die Räder gekommen. Ich will gar nicht behaupten, dass wir alles richtig gemacht hätten.“

Hirte sagte weiter: „Aber dass die Treuhand schuld ist an den Problemen, die wir heute haben, das halte ich für völlig falsch. Wenn Linke und AfD meinen, das sei alles vom bösen Westen verursacht worden, ist das Geschichtsklitterung.“

Die Linke-Fraktion will einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Treuhand, die eine zentrale Rolle bei der Umwandlung der DDR-Planwirtschaft in eine Marktwirtschaft hatte. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch hatte gesagt, der Schaden, den die Treuhand angerichtet habe, sei bis heute eine wesentlich Ursache für den ökonomischen Rückstand des Ostens und für politischen Frust. Die Linke braucht für einen Untersuchungsausschuss die Zustimmung anderer Fraktionen. Unterstützung kam bisher nur von der AfD. (dpa)

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