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Zwei Tage lang feierte das Bundesumweltministerium mit Engagierten, Bürgern und Forschern das 30-jährige Bestehen des Hauses. Das Foto zeigt Umweltministerin Barbara Hendricks bei der Eröffnung der Veranstaltung auf dem Euref-Gelände in Schöneberg.

© BMUB/Gottschalk/Truschel

30 Jahre Bundesumweltministerium: Ein Plan für die Zukunft

Beim "Festival der Zukunft" diskutiert Umweltministerin Barbara Hendricks über eine neue Umweltstrategie, die nicht mehr nur "die Kollateralschäden eines aus dem Ruder gelaufenes Wirtschaftsmodells beseitigen" soll.

Zum 30-jährigen Bestehen hat sich das Bundesumweltministerium eine neue Umweltstrategie und ein zweitägiges „Festival der Zukunft“ in Berlin gegönnt. Rund um das Gasometer in Schöneberg versammelten sich Umweltverbände, Unternehmer, Forschungsinstitute und diskutierten über die Themen des neuen Umweltprogramms mit dem Titel „Den ökologischen Wandel gestalten“.
Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat die UN-Beschlüsse des vergangenen Jahres zum Anlass genommen, die eigene Umweltpolitik zu überdenken. Nach dem Pariser Klimaabkommen, der Zustimmung zu 17 globalen Nachhaltigkeitszielen für alle Statten und dem Bekenntnis des 7. EU-Umweltprogramms zu einer „Entwicklung innerhalb der planetaren Grenzen“, sei es nicht mehr genug, „die Kollateralschäden eines aus dem Ruder gelaufenen Wirtschaftsmodells zu beseitigen“, schreibt sie im Vorwort. „Wir wollen eine Form der Ressourcennutzung und des Konsums, die die ökologischen Belastbarkeitsgrenzen in Deutschland und weltweit einhält“, heißt es weiter.

Unzufriedene Ökonomen: Der Magdeburger Professor Joachim Weimann (von links), der ehemalige Chef des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn und Umweltministerin Barbara Hendricks streiten über das EEG.
Unzufriedene Ökonomen: Der Magdeburger Professor Joachim Weimann (von links), der ehemalige Chef des Ifo-Instituts Hans-Werner Sinn und Umweltministerin Barbara Hendricks streiten über das EEG.

© BMUB/Gottschalk/Truschel

Bei der Opposition kommt das gut an. Der Fraktionschef der Grünen um Bundestag, Anton Hofreiter, sagte dem Tagesspiegel: „Kompliment an das Umweltministerium: das 2030-Umweltprogramm ist ein Paukenschlag für die 30 Jahr-Feier.“ Die Bundesregierung vertue zwar bei den aktuellen Haushaltsberatungen ihre Chancen, aber immerhin lege Hendricks „eine ambitionierte Agenda vor für den Wandel zu einer umweltverträglichen Gesellschaft“. Er schräntk jedoch ein, dass „es diesem Programm nicht anders ergeht als ihrem Klimaschutzprogramm. Dieses wurde gerade von ihrem Parteivorsitzenden und den Unions-Ministern bis zur Unkenntlichkeit entkernt“.

Für Hofreiter und die Grünen dürfte es allerdings schwer werden, programmatisch über das „Integrierte Umweltprogramm 2030“ hinauszukommen. Es bekennt sich zur Energiewende mit dem Ziel einer Energieversorgung nahezu ohne Kohlendioxidausstoß. Dazu sei ein Dialog über den Kohleausstieg nötig. Hendricks streitet für lebenswerte Städte und eine Mobilität ohne Luftverschmutzung und Lärm – und das ist nichts anderes, als das Ende des Verbrennungsmotors im Individualverkehr in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren. Die Ministerin verlangt von der Landwirtschaft, die biologische Vielfalt und das Klima zu erhalten, die Intensiv-Tierhaltung zu beenden und die massive Umweltbelastung mit Nitrat und Phosphor zu beenden.

Ein Initiativrecht für das Umweltministerium

Wie Deutschland da hin kommen soll, steht auch im Programm: mit umfassenden Luftreinhalte-, Stickstoff- und Lärmstrategien. Außerdem mit Hilfe einer weiter entwickelten ökologischen Steuerreform und einer umfassenden Berichterstattung darüber, welche Schäden der Konsum in Deutschland überall in der Welt hinterlässt. Dazu wünscht sich Hendricks ein „Initiativrecht“ ihres Hauses – mit einer Mobilitätsstrategie und der Stickstoffstrategie aus dem Umweltministerium soll das bereits beginnen.

Am Samstagabend diskutierte Umweltministerin Barbara Hendricks (von links) mit international bekannten Klimaschützern über die Perspektiven des Pariser Klimaabkommens. Auf dem Podium saßen die UN-Klimabotschafterin Mary Robinson, der Chef des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung Hans-Joachim Schellnhuber, die Umweltministerin Luxemburgs Carole Dieschbourg, der ehemalige Präsident von Kiribati Anote Tong und Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan (nicht im Bild).
Am Samstagabend diskutierte Umweltministerin Barbara Hendricks (von links) mit international bekannten Klimaschützern über die Perspektiven des Pariser Klimaabkommens. Auf dem Podium saßen die UN-Klimabotschafterin Mary Robinson, der Chef des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung Hans-Joachim Schellnhuber, die Umweltministerin Luxemburgs Carole Dieschbourg, der ehemalige Präsident von Kiribati Anote Tong und Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan (nicht im Bild).

© BMUB/Gottschalk/Truschel

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen, den es seit den 1970er Jahren gibt, soll regelmäßig darüber berichten, ob die Umweltziele auch erreicht werden. In Gesetzentwürfen soll künftig nicht mehr nur stehen, welche Folgen für die Staatskasse und auf die Gleichberechtigung von Frauen und Männer sie haben sondern auch, welche Umweltwirkung sie entfalten. Das hat Hendricks Vorgänger Klaus Töpfer (CDU) schon vor knapp 30 Jahren gefordert – damals vergeblich, berichtete er beim „Festival der Zukunft“.

Hans-Werner Sinn hat immer Recht

Dass sie die Kontroverse nicht scheut, bewies Hendricks beim Auftaktpodium, wo sie mit Töpfer und den beiden Ökonomen Hans-Werner Sinn sowie Joachim Weimann diskutierte. Sinn wie Weimann halten das Erneuerbare-Energien-Gesetz für die teuer und die Klimapolitik für verfehlt, weil sie nur anderen europäischen Staaten erlaube, mehr CO2 zu emittieren. Töpfers Argument, dass das EEG die Solarenergie und die Windkraft international wettbewerbsfähig gemacht hätten, ignorierte Sinn und behauptete stattdessen, die geringere Nachfrage Deutschlands nach Öl, Kohle und Gas habe das internationale Preisgefüge so verändert, dass China und andere Staaten mehr fossile Energie verbrauchen könnten. Da platzte Hendricks dann die Hutschnur. „Das ist doch Quatsch, was Sie da sagen“, entfuhr es ihr. „Mehr als 500 Millionen Menschen sind in China und rund 300 Millionen in Indien der absoluten Armut entkommen und nutzen erstmals überhaupt Energie. Das ist der Zusammenhang.“

Der deutsche Lebensstil und Kiribati

Als Zeugen dafür, was der westliche Lebensstil anderswo anrichtet, hat Hendricks den ehemaligen Präsidenten des pazifischen Inselstaats Kiribati eingeladen. Anote Tong warb dafür, die Inseln vor dem Untergang zu bewahren. Wer Einbußen durch eine klimafreundlichere Wirtschaftsweise befürchte, möge sich vor Augen führen, was das für sein Volk bedeute: „Für uns geht es ums Überleben.“ Er hofft auf Hilfe, um einige Inseln so zu erhöhen, dass sie auch dem steigenden Meeresspiegel gewachsen sind.

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