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Beate Zschäpe - hier vor einer Verhandlung am 9. Juni - will nichts mehr mit ihren Verteidigern zu tun haben.

© Marc Müller/dpa

210. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Eiszeit zwischen Zschäpe und ihren Verteidigern

Ihrer Verteidigerin Anja Sturm will sie nicht einmal die Hand geben. Aber auch mit ihren anderen Anwälten scheint Beate Zschäpe, Hauptangeklagte im NSU-Prozess, inzwischen gebrochen zu haben.

Von Frank Jansen

Im NSU-Prozess herrscht nun offenbar Eiszeit zwischen Beate Zschäpe und allen drei Verteidigern. Die Hauptangeklagte sprach am Dienstag im Saal A 101 des Oberlandesgerichts München bis zum Mittag nahezu kein Wort mit einem der Anwälte. Zschäpe verweigerte auch, wie von ihr angekündigt, der Verteidigerin Anja Sturm den Handschlag. In der vergangenen Woche hatte Zschäpe dem 6. Strafsenat einen Antrag auf „Entbindung“ von Pflichtverteidigerin Sturm geschickt. Auf drei Seiten äußert Zschäpe Vorwürfe, die allerdings kaum belegt werden. Zschäpe betont in dem Schriftsatz, im Saal nicht mehr Sturm die Hand geben zu wollen, „dahingehend geht gar nichts mehr“.

Die Verteidigerin ließ sich am Dienstag nicht anmerken, wie sie das Verhalten der Mandantin empfindet. Die Co-Verteidiger Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl saßen ebenfalls mit geschäftsmäßiger Miene im Saal. Zschäpe, zwischen den beiden platziert, wirkte beinahe wie abwesend. Sie ließ  ihr Laptop zugeklappt, stützte sich mit den Ellbogen darauf und ließ ihr Kinn in den geballten Händen ruhen. Mehrmals schloss sie die Augen wie bei einem Sekundenschlaf. In den Pausen stand sie wortlos auf und ging zur hinteren Tür, vor der aus sie zur Gewahrsamszelle gebracht wird.

Bis zu diesem Mittwoch hat Zschäpe Zeit, auf die Stellungnahmen ihrer drei Verteidiger zu dem Antrag gegen Sturm zu reagieren. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl hatte der Angeklagten eine Frist bis Mittwoch 15 Uhr gesetzt. Die Anwälte hatten in kurzen Schreiben Zschäpes Vorwürfe zurückgewiesen. Möglicherweise lässt die Angeklagte sich jetzt von einem externen Anwalt aus Mannheim oder München helfen, eine Stellungnahme zu den Stellungnahmen zu verfassen. Wenn Zschäpes Schriftsatz sowie die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft zu dem ganzen Vorgang eingegangen sind, wird Götzl entscheiden, wie er den Antrag auf Entpflichtung Sturms bewertet.

Gelächter über Hetze gegen Ausländer

Der Richter setzte die Verhandlung am Dienstag routinemäßig mit der Befragung von Zeugen fort. Ein aus Chemnitz stammender ehemaliger Skinhead erinnerte sich, bei einem Rechtsrockkonzert Uwe Mundlos kennengelernt zu haben. Mundlos hetzte  in der auf den Einlass wartenden Menge gegen Ausländer und Juden. „Es gab Gelächter, hat sich keiner 'nen Kopf gemacht“, sagte der Zeuge. Wann das war, konnte oder wollte er nicht sagen.

Mundlos, Zschäpe und ihr Kumpan Uwe Böhnhardt waren im Januar 1998 aus Jena verschwunden, nachdem die Polizei in einer von Zschäpe gemieteten Garage eine Werkstatt zum Bau von Bomben entdeckt hatte. Die drei konnten mit Hilfe von Rechtsextremisten in Chemnitz untertauchen.

Anders als in seiner Aussage bei der Polizei wusste der frühere Skinhead jetzt auch nicht mehr, ob Zschäpe mit Mundlos zu dem Konzert gekommen war. Gegenüber dem Bundeskriminalamt hatte der Zeuge noch Zschäpe erwähnt.

Der Mann war in Chemnitz mit mehreren Rechtsextremisten bekannt, die Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe geholfen haben sollen, sich in der Stadt zu verstecken. Dennoch will der Zeuge  nichts davon mitbekommen haben, dass die drei in Chemnitz Unterschlupf fanden.

Zschäpe zeigte am Nachmittag etwas mehr Interesse an der Verhandlung, als ein BKA-Beamter über eine ominöse Wette sprach. Auf einer DVD, die im Schutt der mutmaßlich von Zschäpe abgebrannten Wohnung in Zwickau lag, fand die Polizei eine Datei mit einer Vereinbarung zwischen Zschäpe und Böhnhardt. Jeder gab ein  Körpergewicht an, das bis zu einem bestimmten Termin erreicht werden sollte. Zschäpe wettete, 62 Kilo zu erreichen – falls nicht, wollte sie 200 Mal Videoclips schneiden. Böhnhardt sollte bei einem Misserfolg zehnmal das Bad der gemeinsamen Wohnung putzen.

Bearbeitete Zschäpe die NSU-Bekennervideos?

So banal die Wette klingt, sehen  BKA und Bundesanwaltschaft doch einen deutlichen Hinweis auf die Beteiligung Zschäpes an der Produktion des Bekennervideos der Terrorzelle NSU. In dem vergleichsweise aufwändig hergestellten Machwerk sind Szenen aus Filmen mit der Zeichentrickfigur Paulchen Panther eingebaut. Der BKA-Beamte untersuchte mehrere Videos, die Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe zugeschrieben, und kam zu dem Schluss: die Wette habe sich vermutlich auf den Film bezogen, in dem sich der NSU zu den zehn Morden bekennt sowie zu den beiden Sprengstoffanschlägen in Köln.

Die „Wette“ habe den Zeitstempel 24. November 2005, sagte der BKA-Mann. Die Arbeit am Bekennervideo sei nur ein halbes Jahr später, am 28. Mai 2006 begonnen worden. Außerdem seien bei dem Film viele Schnitte notwendig gewesen, allein 94 für die Bilder. Aus  Sicht des Ermittlers gibt es einen Bezug zu den 200 Schnitten an Videoclips, die als Zschäpes Wetteinsatz vorgesehen waren.

Sollte die Angeklagte an dem zynischen Paulchen-Panther-Video mitgewirkt haben, wäre das ein Beweis für das Bekenntnis zur terroristischen Vereinigung NSU. Wäre - die „Wette“ ist jedoch nur ein mögliches Indiz.

Zschäpes Verteidiger Stahl konfrontierte den BKA-Mann mit anderen DVDs, die Zschäpe handschriftlich gekennzeichnet hatte. Die Datenträger enthalten Folgen der Fernsehserie „Dr. House“ mit herausgeschnittener Werbung. Der Beamte musste zugeben, diese DVDs nicht gesichtet zu haben. Und ob Zschäpe oder Böhnhardt die Wette gewonnen hat, ist bis heute unbekannt.

Obwohl Verteidiger Stahl den Zeugen in Bedrängnis gebracht hatte, gab sich Zschäpe auch am Ende des Verhandlungstages gegenüber ihren Anwälten eisig.  Kein Abschiedswort, kein Händedruck. Zschäpe eilte hingegen zu einer beisitzenden Richterin und redete auf sie ein. Worum es ging, bleibt offen.

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