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Kandidat Cory Booker inmitten von Anhängern

© Reuters/Chris Aluka Berry

20 Monate vor US-Wahl: Schaulaufen der Demokraten gegen Trump

Erst 2020 wählen die Amerikaner einen neuen Präsidenten. Die Demokraten gehen aber schon auf Tour zu den Wählern. Viele Kandidaten sind in Iowa unterwegs.

Am Ende dreht Cory Booker so richtig auf. Er nutzt den Raum der rund sechs Quadratmeter großen schwarzen Bühne im River Center in Davenport für seine letzten aufrüttelnden Sätze. Der Senator aus New Hampshire reißt die knapp 400 Zuhörer von ihren Sitzen, die Musik schallt wieder laut aus den Boxen und Booker endet mit den Worten „We must dream again“ – Worte, die ganz bewusst an den großen Bürgerrechtler Martin Luther King erinnern sollen und die im Applaus und Gejohle fast untergehen.

Zuvor hat Booker sich schon bei den früheren Präsidenten Barack Obama und John F. Kennedy bedient, hat von „Change“ und Hoffnung gesprochen und gefordert, dass es nicht darum gehen dürfe, wogegen man sich einsetze, sondern darum, wofür. Hinter ihm hängen große Flaggen der USA und von Iowa.

Der Wunsch nach Wechsel ist gigantisch

Die Menge ist begeistert von der Show und dem Pathos. Genau so stellen sie sich das hier in Iowa vor, dem US-Bundesstaat im Mittleren Westen, der das Glück hat, wegen seines Status als erster Staat, in dem sowohl Demokraten als auch Republikaner ihre Präsidentschaftsvorwahlen abhalten, einen Kandidaten nach dem anderen erleben zu können. Vielen davon kommen sie zum Anfassen nah. Wobei sich das mit den Kandidaten derzeit auf die Demokratische Partei beschränkt, bei denen sich bereits 15 Bewerber erklärt haben; bei den Republikanern gibt es bisher nur Donald Trump, den Amtsinhaber. Noch wagt sich kein Herausforderer aus der Deckung.

Zwar sind es noch knapp 20 Monate, bis die Amerikaner ihren neuen Präsidenten wählen. Aber bereits in einem Jahr werden die Kandidaten bestimmt, und daher sind die Demokraten schon voll im Wahlkampfmodus. Der Wunsch, Trump zu einem One-Term-Präsidenten zu machen, ist gigantisch. Aber wer das schaffen will, muss sich erst mal gegen die beachtliche innerparteiliche Konkurrenz durchsetzen.

So touren sie in den frühen Vorwahlstaaten, in New Hampshire, Nevada, South Carolina, und an diesem Wochenende ganz besonders in dem Drei-Millionen-Staat Iowa – denn wer hier im Februar 2020 gewinnt, hat allein durch die massive Berichterstattung gute Chancen, sich auch die demokratische Nominierung zu sichern. Die frühen Auftritte sind zudem eine gute Gelegenheit, die eigenen Botschaften im ländlichen Amerika zu testen. Zieht die Karte mit dem gemeinsamen Traum – von neuer Einigkeit und überparteilichem Konsens – oder sollte man sich doch besser auf die Kritik an dem bei vielen so verhassten Präsidenten konzentrieren? Wie kommen die Themen Klimawandel und Minderheitenschutz an? Welche Sorgen treiben die Wähler hier um?

Ganz nah an den Kandidaten

Die Menschen in Iowa stellen sich gerne als Versuchskaninchen zur Verfügung. „Das ist einfach toll, dass sie alle zu uns kommen“, sagt Andy McGuire, die zwei Jahre lang als Vorsitzende der Demokratischen Partei in Iowa einen Kandidaten nach dem anderen empfangen durfte, und die sich nun der Kampagne von Amy Klobuchar, der Senatorin aus Minnesota, als Freiwillige angeschlossen hat. „Als sie sagte, dass sie 2020 antritt, war klar, dass ich auf ihrer Seite bin“, sagt McGuire. Warum? „Weil sie eine Kämpferin ist und gezeigt hat, dass sie erfolgreich Politik machen kann.“

Auch Klobuchar ist an diesem Wochenende in Iowa unterwegs, am Sonntagnachmittag kommt sie zum „Meet and Greet“ ins Hickory Garden Restaurant, nur drei Kilometer entfernt von dem River Center, in dem Booker vier Stunden später seinen Auftritt haben wird. Im Restaurant, das zur Feier des St.Patrick’sDay grün dekoriert ist und vor dessen Eingang ein roter Traktor die Besucher begrüßt, geht es deutlich beschaulicher zu. Die eher älteren Zuhörer sitzen an langen Tischen, Musik gibt es keine, aber dafür ist man der Kandidatin ganz nahe, die sich später auch die Zeit nimmt, mit jedem Einzelnen noch ein Selfie zu machen. Ausdauernd ist sie, und vorsorglich hat sie auch ihre alten Laufschuhe angezogen. So ein Wahlkampf geht auf die Knochen.

In den großen Saal passen gut 100 Leute, und die sind auch gekommen. Wie Cheryl und Jerry Linn aus der Nachbarstadt Eldridge. Das Ehepaar hat sich zum Ziel gesetzt, alle Demokraten-Auftritte live zu erleben. Dabei sind sie schon ziemlich weit, nur den texanischen Hoffnungsträger Beto O’Rourke am Vortag haben sie verpasst, der gerade mit dem höchsten Spendenaufkommen in den ersten 24 Stunden nach Kandidaturankündigung – 6,1 Millionen Dollar – gezeigt hat, wozu er in der Lage ist. Aber er kommt bald wieder. Statt „Beto“ haben sie Bernie Sanders, den 77-jährigen unabhängigen Senator aus Vermont mit seiner sozialdemokratischen Botschaft, und Peter Buttigieg erlebt, den offen schwulen und erst 37 Jahre alten Bürgermeister von South Bend in Indiana, der vor allem die Jungen begeistert. Davor waren sie bei Elizabeth Warren, der Senatorin aus Massachusetts, und bei Kamala Harris, der Senatorin aus Kalifornien, die so gerne die erste afroamerikanische Präsidentin werden würde.

Die Partei ist nach links gerückt

Cheryl, die von Beruf Krankenschwester ist und selbst einen afroamerikanischem Hintergrund hat, ist ein großer Harris-Fan. „Bisher fand ich alle Kandidaten gut, aber Harris spricht einfach meine Sprache.“ Klobuchars knapp einstündiger Auftritt, bei dem viel und herzlich gelacht wird – immerhin kommt die Senatorin ja auch aus einem Staat des Mittleren Westens und ist nebenbei noch Mitglied in der Minnesota Democratic-Farmer-Labor Party, es fällt ihr leicht, die richtigen Worte zu finden – gefällt dem Ehepaar Linn aber trotzdem gut.

Die USA sind im Kern und mehrheitlich konservativ, bis auf wenige Flecken an der Ostküste und Kalifornien mit liberalen Mehrheiten. Linke Politik ist ein sicherer Rohrkrepierer beim Wahlvolk. Je linker die Kandidaten der Demokraten werden, desto besser kommen sie zwar innerparteilich an, verlieren aber in allgemeinen Wahlen.

schreibt NutzerIn maxost

Überhaupt geht es derzeit noch sehr harmonisch zu in Iowa, das liegt wohl auch an den Themen, die bei allen Kandidaten ähnlich klingen: die Folgen des Klimawandels, eine Gesundheitsversicherung für alle, bezahlbare Bildung, eine gerechtere Arbeitswelt samt Mindestlohn von 15 Dollar und – da sind sich viele Kandidaten erstaunlich nah – eine Kampfansage an multinationale Konzerne wie die großen Techfirmen, die ihre Eigentümer zu den reichsten Menschen der Welt machten, dabei aber zum Teil gar keine Steuern zahlten. Selbst Klobuchar, die nicht zum linken Flügel ihrer Partei zählt, will gegen „die Monopole“ vorgehen. Die Partei ist erkennbar nach links gerutscht.

Cory Booker ist einer von bislang 15 Präsidentschaftskandidaten der Demokraten.
Cory Booker ist einer von bislang 15 Präsidentschaftskandidaten der Demokraten.

© Chris Aluka Berry, Reuters

Ob das die Chancen auf einen Wahlsieg gegen Trump erhöht oder nicht vielmehr schmälert, ist umstritten. Viele fürchten, dass der Linksruck der Partei die Wechselwähler in der Mitte und gerade in den ländlichen Regionen verschrecken könnte. Wer so argumentiert, hat häufig eine große Hoffnung: dass Joe Biden antritt, Obamas ehemaliger Vizepräsident, der Umfragen zufolge zu den potenziellen Kandidaten mit den besten Siegeschancen zählt.

Ein Versprecher am Samstagabend hat die Hoffnungen mächtig steigen lassen, dass er sich trotz seiner 76 Jahre dieses Mal traut: Bei einer Großveranstaltung in Dover/Delaware sagte er: „Ich habe die progressivste Bilanz von allen, die kandidieren für die...“, unterbrach sich dann, als die Zuhörer vereinzelt in Jubel ausbrachen, und versuchte sich mit den Worten zu korrigieren: „Von jedem, der kandidieren würde.“ Ein eher untauglicher Versuch, seine Anhänger sind sich nun ganz sicher, dass er sich entschieden hat. Auch Cheryl und Jerry Linn würden sich wünschen, dass Biden antritt. „Kamala Harris wäre dann eine perfekte Vizepräsidentschaftskandidatin“, glaubt Jerry. Seine Frau nickt.

So weit ist es aber noch lange nicht. Das Schaulaufen der Kandidaten in Iowa geht erst einmal weiter, am Dienstag wird mit Kirsten Gillibrand aus New York die nächste Senatorin erwartet. Und, auch das ist bezeichnend für die derzeitige Demokratische Partei, die nächste Frau. Sechs Kandidatinnen haben bereits erklärt, das schaffen zu wollen, was Hillary Clinton nicht gelungen ist: als erste Frau ins Weiße Haus gewählt zu werden. In Iowa können sie ihre Botschaft testen. Genauso wie Joe Biden. Wenn er denn antritt.

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