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Beate Zschäpe am 25. März vor Gericht. Ab heute geht es im NSU-Prozess um die Raubüberfälle

© Marc Müller/dpa

195. Tag im NSU-Prozess: Mit Überfällen füllte das NSU-Trio die Kasse auf

15 Raubüberfälle verübten Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt und erbeuteten dabei mehr als 600.000 Euro. Auch Beate Zschäpe werden die Taten angelastet. Sie bilden den letzten großen Themenblock im NSU-Prozess

Von Frank Jansen

Die Zeugin ist auch mehr als drei Jahre nach dem Überfall noch stark belastet. „Wenn ich daran denke, geht es mir richtig schlecht“, sagt die ehemalige Mitarbeiterin der Sparkassenfiliale im thüringischen Arnstadt. Einer der beiden Täter schlug mehrere Male mit einem herausgerissenen Telefon auf sie ein, „ich habe die Hände über den Kopf gehalten, aber das war nicht ausreichend“. Die Frau erlitt eine Platzwunde am Kopf und Prellungen an Armen und Händen, dann lag sie benommen in einer Blutlache am Boden. So bekam die Angestellte nur noch mit, „irgendwann sind die zwei rausgerannt“. Die zwei, das waren die NSU-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Mit 15 000 Euro Beute.

  Showdown in Eisenach

Mit der Befragung von Zeugen zur Tat vom 7. September 2011 in Arnstadt hat am Mittwoch im NSU-Prozess die Beweisaufnahme zum letzten großen Themenblock begonnen. Der 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München befasst sich nun mit 14 der 15 Raubüberfälle der rechtsextremen Terrorzelle. Zur 15. Tat wurden bereits viele Zeugen befragt, allerdings ging es da um mehr als einen Überfall – gleich danach kam es zum dramatischen Ende des NSU. Am 4. November 2011 hatten Mundlos und Böhnhardt die Filiale der Sparkasse in Eisenach beraubt, noch in der Stadt spürte die Polizei die beiden auf. Sie warteten in einem Wohnmobil die Ringfahndung ab. Als die Terroristen merkten, dass sie nicht entkommen konnten, erschoss Mundlos Böhnhardt, zündete das Fahrzeug an und richtete die Waffe gegen sich selbst.

Der Showdown in Eisenach war für den Prozess schon früher wichtig als die weiteren 14 Raubüberfälle, da am 4. November noch mehr passierte. Mutmaßlich die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zündete drei Stunden später die Wohnung in Zwickau an, in der sie mit Mundlos und Böhnhardt gelebt hatte. Die Bundesanwaltschaft sieht einen direkten Zusammenhang zwischen „Eisenach“ und „Zwickau“.

  Vor allem Post- und Sparkassenfilialen überfallen

Der NSU erbeutete bei den Überfällen insgesamt rund 608.000 Euro. Attackiert wurden ein Supermarkt in Chemnitz sowie Filialen von Post und Sparkasse in Chemnitz, Zwickau, Stralsund, Arnstadt und Eisenach. Bei einem Überfall auf eine Sparkasse in Zwickau schoss mutmaßlich Böhnhardt einem Angestellten in den Bauch. Danach floh der Neonazi ohne Beute. Die Bundesanwaltschaft rechnet diese Tat wie alle Überfälle und die weiteren Verbrechen des NSU auch Beate Zschäpe zu. Die Ankläger sehen die Frau als Mitglied der Terrorzelle und somit als Mittäterin bei jedem Delikt des NSU. Die Überfälle sind auch von großer Bedeutung, da die Angeklagte die mit dem geraubten Geld gefüllte Kasse des NSU verwaltet haben soll. Was die Verteidiger der permanent schweigenden Zschäpe bestreiten.

Der Überfall in Arnstadt war brutal und chaotisch. Die maskierten Männer seien mit dem Ruf „Überfall!“ hereingestürmt, erinnerten sich am Mittwoch mehrere Angestellte der Filiale. Einer der Täter, laut Anklage Uwe Böhnhardt, traktierte offenbar die eine Mitarbeiterin mit Schlägen, weil eine Kollegin zunächst die Kasse nicht öffnen wollte. Das geschah dann doch, der mit einem Revolver und der Attrappe einer Handgranate bewaffnete Täter griff sich 15.000 Euro. Unterdessen ging mutmaßlich Uwe Mundlos, in jeder Hand eine Pistole, mit einer weiteren Angestellten zum Büro des Filialleiters. Der erklärte sich bereit, den mit einem Zeitschloss gesicherten Tresor zu öffnen. Der Täter stand dann mit im Tresorraum und drohte dem Filialleiter, ihn zu erschießen. Doch plötzlich war der Neonazi weg, vermutlich dauerte ihm der Überfall zu lange. „Als ich mich wieder umdrehte, war der Täter nicht mehr da“, sagt der Zeuge jetzt im Prozess. Die beiden Räuber beschreibt er als hektisch. Und sie bekamen nicht mit, dass eine Angestellte flüchten konnte. Die Mitarbeiterin, die mit dem Telefon geschlagen wurde, hat weiterhin psychische Probleme. In einer Filiale kann sie nicht arbeiten, weil dann die Erinnerung an den Überfall zu heftig wäre. Die Sparkasse hat der Frau einen anderen, „internen“ Job gegeben.

 Auf Fahrrädern geflüchtet

Der Raub in Arnstadt war für Mundlos und Böhnhardt offenbar auch der Anfang vom Ende. Zeugen berichteten der Polizei, die beiden Täter seien auf Fahrrädern geflüchtet. Die Thüringer Polizei recherchierte und bekam aus Sachsen den Hinweis auf eine Serie ähnlicher Banküberfälle. Das war präsent, als zwei Monate später die Sparkasse in Eisenach attackiert wurde.  Mundlos und Böhnhardt flohen da ebenfalls auf Rädern. Ein Rentner sah, wie die beiden Männer die Fahrräder in einem Wohnmobil verstauten und wegfuhren. Der Zeuge gab der Polizei den entscheidenden Tipp. Die Beamten spürten den Caravan im Eisenacher Stadtteil Stregda auf.

Die Neonazis gaben noch einen Schuss aus einer Maschinenpistole ab, dann richteten sie sich selbst. Im ausgebrannten Wohnmobil fand die Polizei nicht nur geraubtes Geld, sondern auch die Dienstpistolen der Polizistin Michèle Kiesewetter und ihres Kollegen Martin A. Mundlos und Böhnhardt hatten Kiesewetter im April 2007 in Heilbronn erschossen. Der neben ihr im Streifenwagen sitzende Martin A. überlebte einen Kopfschuss.

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