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Bundesfinanzminister Olaf Scholz und Klara Geywitz: Werden sie SPD-Vorsitzende?

© Monika Skolimowska/dpa-Zenztralbild/dpa

Update

19 wollen an Parteispitze: Diese Kandidaten haben gute Chancen auf den SPD-Vorsitz

Am Sonntag endet die Bewerbungsfrist für die Führung der Sozialdemokraten. Ein Überblick über das Paarlaufen vor der Parteibasis.

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Im Netz wird schon gespottet: Die SPD könne bald ein Panini-Sammleralbum herausgeben, so viele Bewerber drängen sich bereits in dem Rennen um den Parteivorsitz. Traute sich vor kurzem kaum jemand den wichtigsten Job in der SPD zu, konkurrieren jetzt insgesamt 17 Kandidatinnen und Kandidaten um den Vorsitz. Darunter sind auch drei Einzelbewerber, die allerdings als chancenlos gelten. Bleiben sieben Zweier-Teams – mit guten, mittleren und eher schlechten Erfolgsaussichten. Ein Überblick.

Die Favoriten

Obwohl Finanzminister Olaf Scholz in das Rennen um den SPD-Vorsitz mehr reinstolperte als einen kraftvollen Start hinzulegen, gilt er als aussichtsreicher Bewerber. Zwar hatte der langjährige Parteivize und heutige Vizekanzler im Juni noch kategorisch ausgeschlossen, als SPD-Chef zu kandidieren – aus Zeitgründen, wie er damals sagte.

Davon will er jetzt allerdings nichts mehr wissen. Deshalb gab es auch Gerüchte, ein Geheimtelefonat zwischen Scholz und der SPD-Interimsspitze stecke hinter dem Sinneswandel des Hamburgers. Scholz’ Chancen auf den Chefposten stehen dennoch gut – er führt eine aktuelle Forsa-Umfrage an, wonach 26 Prozent der SPD-Mitglieder für das Duo aus Scholz und seiner Mitbewerberin Klara Geywitz stimmen würden.

Geywitz ist Landtagsabgeordnete in Potsdam, war früher Generalsekretärin der Brandenburger SPD und bislang auf Bundesebene eher unbekannt. Wie Scholz gilt sie als rational und nüchtern – keine, die Begeisterungsstürme lostritt. Nach der Phase der Unübersichtlichkeit und dem Chaos sehnen sich weite Teile der SPD aber nach Stabilität und Ordnung – das könnte Scholz und Geywitz im Wettbewerb nützen.

Für das Versprechen nach Sicherheit und Ordnung steht auch das Ost-West-Duo aus Petra Köpping und Boris Pistorius. Der niedersächsische Innenminister hat sich in sechs Jahren im Amt den Spitznamen „Roter Sheriff“ verdient. Er vertritt eine zwar liberale, aber notfalls auch harte Sicherheitspolitik, die auf die Angst zahlreicher Menschen vor Kriminalität Rücksicht nimmt.

Petra Köpping (61) und Boris Pistorius (59).
Petra Köpping (61) und Boris Pistorius (59).

© dpa

Sachsens Integrationsministerin Köpping versteht sich als Stimme der Bürger aus den neuen Ländern, schreibt Bücher zum Thema und wirbt für eine Kommission, die das „Unrecht der frühen Nachwendezeit“ aufarbeiten soll. Sowohl Pistorius als auch Köpping kommen aus der Kommunalpolitik, waren früher Bürgermeister. Mit diesem basisnahen Profil und ihrem Charme als Kümmerer gehören beide bei der Abstimmung zu den Favoriten.

Das Mittelfeld

Es ist erklärungsbedürftig, dass ausgerechnet die Berliner Politikwissenschaftlerin und Chefin der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, zusammen mit Ralf Stegner antritt. Kommt Schwan doch vom rechten Flügel der SPD, war Mitgründerin des Seeheimer Kreises, während Stegner als Wortführer der SPD-Linken gilt. Die beiden vereint jedoch nicht nur ihre jahrzehntelange Parteimitgliedschaft, sondern auch Inhaltliches: etwa die Skepsis gegenüber der Groko, auch wenn Schwan und Stegner keinen Radikal-Ausstieg empfehlen.

Am liebsten wäre ihnen ein rot-rot-grünes Bündnis im Bund. Vor allem Stegner schafft es regelmäßig, mit kämpferischen Reden vor Genossen die politischen Instinkte der SPD anzusprechen. Die 23 Regionalkonferenzen, bei der sich alle Bewerber ab Anfang September der Basis präsentieren, sind als Forum für ihn wie geschaffen. Sofern die Mitglieder bei der Abstimmung aber nicht nur auf ihren Bauch hören, sondern die Wahlaussichten von Schwan und Stegner außerhalb der Partei in den Blick nehmen, dürften die Chancen des Teams schwinden.

Nina Scheer (47) und Karl Lauterbach (56).
Nina Scheer (47) und Karl Lauterbach (56).

© dpa/picture alliance

Eine feste Größe in der SPD ist auch der langjährige Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach. Er tritt zusammen mit seiner Fraktionskollegin, der Umweltexpertin Nina Scheer an, die außerhalb der SPD weitgehend unbekannt ist. Lauterbachs Gesicht dürften viele Fernsehzuschauer kennen: Der Medizinprofessor und Fraktionsvize, der gerne rote Fliege trägt, ist als Experte für Gesundheitspolitik ein gefragter Gesprächspartner der Medien. Er kommt wie auch Scheer vom linken Parteiflügel.

Beide empfehlen den schnellen Ausstieg aus der Groko. Außerdem will Lauterbach „das Soziale mit dem Ökologischen verbinden“, die SPD bei der Klimapolitik „ehrlich machen“ sowie eine Parteireform einleiten. Ein Alleinstellungsmerkmal ist das alles nicht. Es wäre sehr überraschend, wenn der Rheinländer und die Schleswig-Holsteinerin ein Spitzenergebnis erzielen würden.

Auch Michael Roth, Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt, und die NRW-Landtagsabgeordnete Christine Kampmann werden es schwer haben, sich gegen die Favoriten durchzusetzen. Als jüngstes Team stehen der 48-jährige Roth und seine 39 Jahre alte Genossin Kampmann zwar für eine echte Erneuerung der Parteispitze. Auch die Tatsache, dass die zwei Anfang Juli als erste ihre Kandidatur offiziell machten, brachte ihnen in der Partei viel Respekt ein.

Sozialdemokratische A-Promis sind die beiden aber nicht, weswegen ihre Chancen mittelmäßig sind. Roth und Kampmann vertreten einen Mitte-Links-Kurs, sie wollen die Schuldenbremse lockern, fordern eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit und mehr Umweltschutz. Über die Zukunft der Koalition will das Duo die SPD-Mitglieder entscheiden lassen.

Knapp vor Ende der Bewerbungsfrist am Sonntag haben der ehemalige nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (66) und die Bundestagsabgeordneten Saskia Esken aus Baden-Württemberg ihren Anspruch öffentlich gemacht, die SPD zu führen.

Walter-Borjans war bundesweit bekannt geworden, weil er illegal zusammengestellt CDs mit den Daten deutscher Steuersünder aus der Schweiz ankaufen ließ, um diesen das Handwerk zu legen. „Mich haben viele Menschen, die der SPD nahestehen oder wieder nahestehen wollen, darum gebeten, für den Parteivorsitz zu kandidieren“, sagte er dem "Kölner Stadtanzeiger". Esken, die Mitglied der Parlamentarischen Linken (PL) ist, kennen außerhalb der SPD-Bundestagsfraktion nur wenige. Am Freitagabend will der Landesvorstand der NRW-SPD entscheiden, ob er ein Bewerber-Team unterstützt und welches. Nach Angaben von Insidern haben Walter-Borjans und Esken dabei gute Chancen.

Die Außenseiter

Die Baden-Württembergerin Hilde Mattheis ist eine Dauerkritikerin der Groko. Sie ist eine der wenigen SPD-Bundestagsabgeordneten, die in Abstimmungen regelmäßig gegen die Fraktionslinie stimmen. Als Vorsitzende des kleinen Vereins „Demokratische Linke“ (DL21) gibt Mattheis gerne die Sprecherin der Parteilinken, auch wenn ihr Einfluss in der SPD gering ist. In der Partei eher unbekannt ist ihr Ko-Kandidat Dierk Hirschel, der als Gewerkschafts-Ökonom für Verdi arbeitet.

Sie fordern das schnelle Groko-Aus und eine Linkswende der Partei. Eine Mehrheit dafür ist unwahrscheinlich. Mattheis scheiterte bereits 2017 mit ihrer Kandidatur für den Parteivorstand. Sie erhielt beim Parteitag in Berlin gerade mal 37 Prozent der Delegiertenstimmen.

Ebenfalls bereits bei einem Parteikonvent unterlegen ist Simone Lange. Die Flensburger Oberbürgermeisterin verlor im Frühjahr 2018 die Wahl zur Vorsitzenden gegen Andrea Nahles, erreichte aber immerhin 27,6 Prozent der Delegiertenstimmen. Nun will Lange es noch einmal wissen – im Duo mit dem Bautzner Oberbürgermeister Alexander Ahrens.

Dass Lange an ihren Achtungserfolg von 2018 anknüpfen kann, ist aber unwahrscheinlich. Damals schaffte es die Parteilinke, den Frust der Groko-Gegner für sich zu nutzen. Mit ihrer Forderung nach einem schnellen Groko-Aus stehen Lange und Ahrens unter den Kandidaten für den Vorsitz aber nicht alleine da. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die beiden „Kommunalos“ in die engere Auswahl kommen.

Juso-Chef Kevin Kühnert verzichtet auf eine Kandidatur für den SPD-Vorsitz. Der Vorsitzende der SPD-Jugendorganisation sagte dem „Spiegel“: „Ich trete nicht an.“

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