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Eine Fogle der Coronakrise: Die Einnahmen für die Pflegeversicherung sinken.

© Doris Spiekermann-Klaas

Exklusiv

16.000 Stellen unbesetzt: Personalmangel gefährdet die ambulante Pflege

Die meisten Menschen wollen im Alter zuhause gepflegt werden. Doch den ambulanten Diensten geht zunehmend das Personal aus, wie eine Studie belegt.

Personalengpässe gefährden in Deutschland zunehmend die ambulante Versorgung von Pflegebedürftigen. Das ist einer aktuellen Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) zu entnehmen, die dem Tagesspiegel vorliegt. Hochgerechnet sind bei den ambulanten Pflegediensten hierzulande demnach rund 16.000 Stellen seit mindestens drei Monaten unbesetzt.

80 Prozent der befragten Anbieter berichteten, dass sie deshalb in diesem Zeitraum auch etliche Versorgungsanfragen ablehnen mussten – im Mittel waren es knapp elf pro Pflegedienst. Und 13 Prozent gaben an, wegen des Fachkräftemangels sogar zur Kündigung von Versorgungsverträgen gezwungen gewesen zu sein.

Für die Bestandsaufnahme hat das ZQP zwischen Ende Juni und Juli 535 Pflegedienste telefonisch befragt. Dabei stellte sich heraus, dass mehr als jeder zweite Anbieter (53 Prozent) offene Stellen hat, die wegen des Fachkräftemangels schon seit mindestens drei Monaten unbesetzt sind. Im Schnitt handelt es sich dabei pro Pflegedienst um 1,1 Stellen.

Unter den bevölkerungsreichsten Bundesländern ist das Problem in Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen am größten – mit 1,2 bis 1,3 vakanten Fachkräftestellen pro Pflegedienst. Baden-Württemberg, Sachsen und Hessen liegen mit 0,9 bis 1,1 vakanten Stellen pro Anbieter etwas unter dem bundesdeutschen Mittel.

Für ZQP-Vorstandschef Ralf Suhr sind die Befragungsergebnisse besorgniserregend. „Personalmangel in der gesundheitlichen Versorgung und nicht zuletzt in der Pflege ist ein Risiko für die Patientensicherheit“, warnt er. Wenn sich die Zahl pflegebedürftiger Menschen in Deutschland wie prognostiziert von heute etwa 3,4 auf 4,9 Millionen im Jahr 2054 erhöhe, werde es „sehr schwer werden, alle diese Menschen gut zu versorgen“.

Denn selbst wenn man kurzfristig deutlich mehr Fachpersonal gewinnen könne, sei auch noch die hohe Zahl der Pflegenden zu kompensieren, die in den nächsten Jahren altersbedingt ihren Job quittierten.

Sorge um Patientensicherheit und Selbstbestimmung

„Die Frage muss erlaubt sein, wie das Versprechen von einer bedürfnisorientierten, menschenwürdigen Pflege sowie von besser unterstützten pflegenden Angehörigen zukünftig eingelöst werden soll“, sagte Suhr dem Tagesspiegel.

Zu befürchten sei aufgrund des Fachkräftemangels momentan eher das Gegenteil, so der Experte: Die Sicherheit in der Pflege könne sich weiter verschlechtern. Und in der ambulanten Pflege seien die Gefahren besonders groß, weil dort oft mehrere Akteure nebeneinander wirkten. Ungenügende Kommunikation, fehlendes Wissen, Unachtsamkeit und Zeitdruck erhöhten das Risiko für die Betroffenen, etwa für Stürze, Infektionen oder für Schäden durch falsche Medikation.

Außerdem bedrohe der Fachkräftemangel die Selbstbestimmung von Pflegebedürftigen. Mangelnde ambulante Pflegekapazitäten könnten „zu einer Überforderung pflegender Angehöriger oder zu einem Heimeintritt führen, der bei angemessener ambulanter Versorgung nicht nötig geworden wäre“. Ende 2017 wurden in Deutschland etwa 830.000 der insgesamt 3,4 Millionen Pflegebedürftigen von ambulanten Diensten versorgt. Seit 2003 ist ihre Zahl um 84 Prozent gestiegen.

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