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Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe.

© dpa

157. Tag im NSU-Prozess: Der fatale Mangel an Ausdauer beim Verfassungsschutz

Der Thüringer Verfassungsschutz hätte mit mehr Hartnäckigkeit und Nachdruck den drei untergetauchten Neonazis auf die Spur kommen können - bevor es zu den Morden kam.

Von Frank Jansen

Der Thüringer Verfassungsschutz hätte offenbar mit mehr Hartnäckigkeit die 1998 untergetauchten  Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe aufspüren kommen, bevor es zu Morden und Sprengstoffanschlägen kam. Das wurde am Dienstag im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München bei der Aussage eines ehemaligen V-Mann-Führers deutlich. Der pensionierte Beamte war von 1998 bis 2001 für den Spitzel Tino Brandt zuständig, der eine führende Rolle in der rechten Szene in Thüringen einnahm und 1999 sogar ein konspiratives Telefonat mit Böhnhardt führte. Brandt gab dem Verfassungsschutz auch einen Hinweis, der die Behörde auf die Spur zu den drei Verschwundenen hätte führen können -  wenn die Behörde mit mehr Ausdauer agiert hätte.

Der frühere V-Mann-Führer bestätigte, dass Brandt im März 1999 erfahren hatte, der Jenaer Rechtsextremist Carsten S. werde einen  Kontakt zu den Untergetauchten halten. Diese Information hatte einen enormen Wert. Carsten S., heute einer der Angeklagten im NSU-Prozess, brachte im Frühjahr 2000 eine Pistole zu Mundlos und Böhnhardt in Chemnitz. In der sächsischen Stadt hielten sich die beiden Männer damals mit  Zschäpe versteckt.

Verfassungsschutz verpasste Chance, Taten zu verhindern

Bei der Waffe handelte es sich um die Ceska 83, mit der Mundlos und Böhnhardt von September 2000 bis April 2006 neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen. Hätte der Verfassungsschutz Carsten S. durchgängig observiert, wäre der Behörde vermutlich die Übergabe der Waffe nicht entgangen. Doch die Chance, die drei Untergetauchten zu finden und damit schwere Verbrechen zu verhindern, wurde verpasst.

Carsten S. wurde nach Informationen des Tagesspiegels lediglich knapp zwei Wochen im März 1999 vom Bundesamt für Verfassungsschutz observiert, in Absprache mit den Thüringer Kollegen. Obwohl dem Nachrichtendienst aus den Mitteilungen des Spitzels Brandt bekannt war, dass Carsten S. schon früh als Unterstützer der Untergetauchten aktiv war.

So hatte Carsten S. versucht, in Zschäpes Wohnung einzubrechen, um persönliche Sachen von ihr herauszuholen und der Frau zuzuleiten. Tino Brandt berichtete dem Verfassungsschutz auch, Carsten S. habe Geld an Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe nach Sachsen überwiesen. Dennoch wurde Carsten S. nur kurzzeitig observiert.

Verfassungsschutz hatte offenbar sogar Foto von Böhnhardt

Der Ex-V-Mann-Führer reagierte auf Fragen von Richter Manfred Götzl hilflos. Man habe in der Szene nicht über Brandt nachfragen können, sagte der Zeuge mehrmals. Der V-Mann sollte in der Szene nicht in Verdacht geraten, für den Staat zu spionieren. Andererseits gab der Beamte zu, der Verfassungsschutz habe im März 1999 Brandt 500 D-Mark gegeben, damit dieser sie als seine Spende an einen weiteren Kontaktmann der Untergetauchten weiterreiche. Die Kontaktperson war Ralf Wohlleben, der spätere hochrangige NPD-Funktionär sitzt heute auch als Angeklagter im Münchner Prozess. Brandt habe angeben, Wohlleben sei über die Spende erfreut gewesen, da Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe finanzielle Probleme hatten, sagte der Zeuge. Mit dem Geld habe V-Mann Brandt Vertrauen bei Wohlleben aufbauen sollen, um an mehr Informationen über die drei Verschwundenen heranzukommen.

Im März 1999 hatte der Thüringer Verfassungsschutz offenbar sogar aus einer anderen Observation ein Foto von Böhnhardt in Chemnitz. Das Bild sei Tino Brandt gezeigt worden, der habe Böhnhardt jedoch nicht erkannt. Dass er es war, habe sich erst später herausgestellt, sagte der frühere V-Mann-Führer. Von Fehlern bei der Suche nach Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe sprach er nicht. 

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