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Pressekonferenz in Potsdam zu 100 Tagen Kenia-Koalition.

© Sren Stache/dpa

100 Tage Kenia-Koalition in Brandenburg: SPD, Grüne und CDU sind kein Dream-Team, regieren aber pragmatisch

Nach der Wahl war die Situation ähnlich schwierig wie in Thüringen. Doch das Dreier-Bündnis zeigt: Erfolgreiches Regieren kann trotzdem gelingen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thorsten Metzner

Brandenburg, neuerdings verblüfft es. Mancher erinnert sich noch an das Spottlied, mit dem Reinald Grebe ins Schwarze traf: „Es gibt Länder, wo richtig was los ist und es gibt Brandenburg.“ Doch plötzlich häufen sich hier Nachrichten anderer Art. Da schlägt die Mark, die früher eher als ostdeutsche Verlierer-Provinz galt, bei der Ansiedlung der Gigafabrik von Tesla die gesamte europäische Konkurrenz, BASF legt gleich nach.

Und während Thüringen im politischen Chaos versinkt, hat in Brandenburg – gewählt wurde nur wenig zeitversetzt – Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) jetzt schon die 100-Tage-Bilanz seiner Kenia-Regierung präsentiert. Tatsächlich kann man konstatieren, dass Kenia in Brandenburg – entgegen allen Unkenrufen – gut gestartet ist. Was läuft hier anders?

Schwierige Start-Bedingungen

Auch in Brandenburg waren die Verhältnisse nach der Landtagswahl, bei der Woidke erst auf der Schlussgeraden die AfD hinter sich lassen konnte, weder klar noch stabil. Jeder Vierte hat AfD gewählt. Bei Arbeitern, Angestellten, Beamten und Selbständigen ist die AfD in Brandenburg stärkste Partei. Es waren nur knappe Konstellationen möglich, das Land zerrissen, Vertrauen in Politik, Staat und Demokratie angekratzt.

Und, da ist Thüringen nicht so fern: Auch in Brandenburg lagen Welten – politisch, kulturell, auch menschlich – zwischen der nach 30 Jahren Dauerregieren ausgezehrten SPD, der auf ein Allzeittief abgestürzten CDU und den drängenden, aber eher Speckgürtel-fixierten Grünen. Und jetzt, nach einhundert Tagen?

Brandenburg, dieser Befund lässt sich treffen, wird nicht von einer Zwietracht-Koalition der kleinsten gemeinsamen Nenner regiert. Vielleicht kann man das an dem Mann, der diesem Land seit 2013 vorsteht, selbst am besten festmachen: Dietmar Woidke aus der Lausitz, der sich in der Vergangenheit den Ruf eines Braunkohle-Dinos hart erarbeitet hatte.

Der Kompromiss als Erfolgsrezept

Inzwischen vergeht kein Auftritt, in dem Woidke nicht als strategisches Ziel der Kenia-Koalition formuliert, Brandenburg zum Vorzeigeland in Europa zu machen, in dem Klimaschutz, Wirtschaft und Wohlstand vereinbar sind. Einschließlich starkem Staat, Abschiebungen von Straftätern inklusive.

Der politische Kompromiss wird nicht denunziert sondern praktiziert. Manchmal kann eben doch zusammengehen, was nur scheinbar nicht zusammengehört. Und dabei behalten SPD, CDU und Grünen dennoch ihr Profil. Warum es in Brandenburg besser läuft, bisher zumindest, hat vielleicht vor allem mit einer Grundeinsicht der „Kenianer“ zu tun: Es geht in diesen Zeiten um nicht weniger als um den Beweis, dass parlamentarische Demokratie, Staat und Institutionen eben doch funktionieren.

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