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Will deutlich mehr in Rüstung investieren: Bundeskanzler Olaf Scholz, hier vor Soldaten des Wachbataillons.

© Kay Nietfeld/dpa

100-Milliarden-Fonds für die Bundeswehr: Der Schuldentopf ist ein Unding

Der Fonds für die Bundeswehr kann die Schuldenbremse quasi wertlos machen. Es darf keinen Sonderstatus für das Militär geben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Die Bundeswehr kann zufrieden sein. Sie wird bald erheblich mehr Geld zur Verfügung haben. Im Etat für 2022 sind 50 Milliarden Euro vorgesehen. Gut acht Milliarden Euro hat sie zuletzt für Beschaffungen bekommen. Das dürfte nun verdoppelt werden.

Mit der von Kanzler Olaf Scholz angekündigten Einhaltung des Nato-Ziels von jährlichen Wehrausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab 2024 (bisher hält Deutschland diese Quote nicht ein) bekommt das Militär wohl bald 20 Milliarden Euro mehr in jedem Jahr.

Die Ampel-Koalition will nun angesichts der russischen Bedrohung einen schuldenfinanzierten 100-Milliarden-Fonds anlegen und damit auf Jahre hinaus Rüstungsvorhaben finanzieren. Er wird als Sondervermögen bezeichnet, ist in diesem Fall also ein Nebenhaushalt.

Es ist binnen kurzem der zweite Ampel-Beschluss, der sich in die Rubrik „Schulden auf Vorrat“ einordnen lässt. Der Energie- und Klimafonds  wurde schon mit Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro ausgestattet.  Aber der Bundeswehr-Fonds hat eine andere Dimension. Und zwar eine durchaus bedenkliche.

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Denn hier soll das Grundgesetz via Grundgesetz ausgehebelt werden. Die Schuldenbremse gilt weiterhin, wie Finanzminister Christian Lindner am Montag nochmals bestätigte. Doch sie soll offenkundig umgangen werden, indem eine konkurrierende Regel in die Verfassung geschrieben wird – für den kreditfinanzierten Bundeswehr-Topf als Sonderfall. Das ist widersprüchlich.

Ein unguter Präzedenzfall

Eine solche Konstruktion kann die Schuldenbremse praktisch wertlos machen, weil ein Präzedenzfall geschaffen wird. Denn warum sollte dieses Vorgehen auf die Bundeswehr beschränkt bleiben? Warum sollte nicht jedes Ministerium einen kreditfinanzierten Nebenhaushalt bekommen, über den Geld ausgereicht werden kann?

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Die Grünen wollten einen solchen Topf für ihre klimapolitischen Wünsche. Der ist ihnen von SPD und FDP verwehrt worden. Stattdessen wurde der EKF ausgebaut. Aber der ist nicht im Grundgesetz verankert. Er kann heute oder morgen mit einfacher Mehrheit verändert oder abgeschafft werden. Der mit Krediten finanzierte Waffen-Fonds im Grundgesetz bleibt, und jede Regierung könnte diesen Nebenhaushalt immer wieder neu befüllen.

Natürlich könnte die Laufzeit dieses Fonds beschränkt werden. Er kann ein Verfallsdatum bekommen. Lindner spricht von „diesem Jahrzehnt“. Doch dann würde man die Ausgaben einem Zeitdiktat unterwerfen, was in aller Regel keine gute Idee ist. Man kann sich die Situation vorstellen: Alarm, der Fonds läuft aus, alles muss raus.

Ein bisschen wie bei Bismarck

Aber auch wenn es beim Einzelfall bleibt, der Vorgang ist kritikwürdig. Verteidigungsministerium und Bundeswehr können so beliebig Druck machen zur Nutzung der Kredite, auch wenn eine Bundesregierung insgesamt eine andere Linie verfolgen möchte.

Im Extremfall bekommt die Bundeswehr das Parlament in die Hand, nicht umgekehrt. Sie hat einen Riesentopf zur Bedienung ihrer Wünsche, der in seiner Größe und Dauer nicht mehr hinterfragt und damit auch im Ganzen nicht ohne Verfassungseingriff verändert werden kann.

Das erinnert ein wenig an den Militärhaushalt im Bismarck-Reich und das berühmt-berüchtigte Septennat – eine Regelung, mit der dieser Einzeletat für sieben Jahre festgeschrieben war. Es war ein Kompromiss zwischen dem autoritären Reichskanzler, der keine parlamentarische Beteiligung wollte, und dem Reichstag, der eine deutlich kürzere Periode forderte. Das Ergebnis war ein haushaltspolitischer Sonderstatus des Militärs. So käme es jetzt wieder.

Es geht auch anders

Man soll historische Vergleiche nicht zu weit treiben. Aber dass eine Koalition, die sich als progressiv versteht, auf eine solche Idee kommt, ist schon erstaunlich. Das Jährlichkeitsprinzip, eine Grundregel der Haushaltspolitik, wird verletzt – dabei ist es gerade bei der Kreditaufnahme wegen der langfristigen Wirkung von Schulden wichtig. Was dem Bundestag bliebe, wäre eine Mitbestimmung über die einzelnen Posten im Fonds. Das kann man auf nachrangigen Feldern machen, aber nicht beim Wehretat.

Es wäre wohl redlicher, bei einer Erhöhung der Rüstungsfinanzierung die Möglichkeiten der Schuldenbremse anzuwenden. Diese hat eine Ausnahmeregelung, die auch in der Pandemie genutzt wird.

Die Ukraine-Krise und ihre möglichen Folgen könnten von der Koalition als „außergewöhnliche Notsituation“ definiert werden, die mehr Kredite rechtfertigt. Dann braucht sie die Union nicht für die Grundgesetzänderung, und die größte Oppositionskraft könnte, wenn sie es für gut und richtig hält, das Gesetz in Karlsruhe prüfen lassen. Dann wäre die Grundgesetzordnung auch hier nicht ausgehebelt.

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