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Deutlich geschmälert: Betriebsrentner müssen seit 2004 den doppelten Krankenkassenbeitrag zahlen.

© Karolin Krämer/dpa

Doppelverbeitragung von Betriebsrenten: "Komplett verfahren"

Union und SPD haben versprochen, Betriebsrentner wieder von der doppelten Beitragspflicht zu entlasten. Doch die Verhandlungen kommen nicht vom Fleck.

Vor vier Monaten gaben sich die Verhandler noch zuversichtlich. „Wir werden im September eine Lösung für die Doppelverbeitragung von Betriebsrentnern präsentieren“, versicherte SPD-Experte Karl Lauterbach. Und Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann stauchte seine zögerliche Truppe vor der Sommerpause noch mal zusammen. Die Groko müsse „endlich die versprochene Entlastung bei den Betriebsrenten liefern“, drängte der CDU-Politiker in der letzten Fraktionssitzung. Sonst gehe „die betriebliche Altersversorgung vor die Hunde“.

Jüngstes Treffen wieder ergebnislos

Nun ist der Oktober fast vorbei, die Regierungs- und Fraktionsexperten saßen vergangene Woche erneut zusammen, gingen wieder ergebnislos auseinander. Linnemann gibt sich nach wie vor unverdrossen drängelnd. Lauterbach dagegen – inzwischen nicht mehr Fraktionsvize und auch nicht mehr Groko-Fan – hat die Hoffnung auf eine Einigung aufgegeben.

„Ich bin sehr pessimistisch, dass wir da noch eine Lösung hinbekommen“, sagte der SPD-Politiker dem Tagesspiegel. Die Situation sei „komplett verfahren“, die Gespräche drehten sich im Kreis. Momentan sehe es danach aus, dass die dringend nötige Entlastung von Betriebsrentnern und Direktversicherten an der Union scheitern werde.

Massiver Druck von Geschädigten

Die SPD sei schuld, tönt es zurück. Denn die wolle jetzt viel mehr, als man finanziell wuppen könne. Und so gesellt sich die versprochene Entlastung der Betriebsrentner zu all den anderen rentenpolitischen Projekten der Koalition, die auch nicht oder nur in Zeitlupe vorankommen– wie die Grundrente für Geringverdiener oder die ebenfalls in Aussicht gestellte Einbeziehung von Selbständigen ins gesetzliche Rentensystem. Eine Lösung ist auch nach vielen Monaten des Verhandelns nicht in Sicht. Trotz des enormen Drucks, den Betroffene über Zusammenschlüsse wie den Verein für „Direktversicherungsgeschädigte“ aufgebaut haben.

Worum geht es? Seit 2004 müssen Rentner auf Bezüge aus ihrer betrieblichen Altersversorgung nicht nur den Arbeitnehmeranteil zur Krankenversicherung zahlen, sondern auch den der Arbeitgeber. Auf diese Weise wollte die damalige rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder den finanziell ausgebluteten Krankenkassen höhere Einnahmen verschaffen. Ein „Fehler und einmaliger Vertrauensbruch“, rekapituliert der SPD-Politiker Lauterbach. Denn zahlreiche Sparer, die vor der Neuregelung Verträge zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen hatten, fühlen sich durch die nun deutlich geringeren Auszahlungssummen schlicht betrogen.

Mehr als sechs Millionen Sparer betroffen

Schätzungen zufolge trifft das mindestens 6,3 Millionen Menschen im Land. Und besonders stöhnen die Direktversicherten, deren einmalige Kapitalauszahlungen vorher komplett beitragsfrei waren. Sie bekommen von ihrem Ersparten nun nicht selten eine fünfstellige Summe abgezogen.

Den Ärger bekommen die Regierenden natürlich zu spüren. Es gebe kaum ein Thema, mit dem sie bei Bürgerkontakten so häufig konfrontiert werde, gestand die einstige Sozialministerin und SPD-Chefin Andrea Nahles schon vor Jahren. Und die Krankenkassen stehen finanziell wieder ganz prächtig da. Kein Wunder, dass nicht nur SPD-Politiker die unpopuläre Maßnahme wieder zurückgenommen haben wollen.

CDU steht per Parteitagsbeschluss im Wort

Mit großer Mehrheit beschloss im Dezember 2018 auch der CDU-Parteitag die Abschaffung der ärgerlichen Doppelverbeitragung. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ließ daraufhin einen Gesetzentwurf erarbeiten, der für Betriebsrenten nur noch den halben Beitragssatz vorsah. Kostenpunkt: knappe drei Milliarden Euro, zum Großteil von den Steuerzahlern zu stemmen. Doch das war etlichen Wichtigen aus CDU und CSU dann doch zu heftig. Kanzlerin Angela Merkel höchstselbst legte ihr Veto ein, der Entwurf schaffte es nicht mal ins Kabinett.

Seither geht es um Kompromisse. Aus der Union kam die Idee, die bisher bestehende Freigrenze bei Betriebsrenten (155,75 Euro im Monat) in einen Freibetrag umzuwandeln – was im Endeffekt nur 1,2 Milliarden Euro kosten würde. Der Unterschied: Die Freigrenze bewahrt nur Rentner mit darunterliegenden Auszahlbeiträgen vor der Beitragsverpflichtung. Alle anderen merken nichts davon, sie zahlen Beitrage auf ihre komplette Auszahlsumme.

Ein echter Freibetrag dagegen wäre für alle Betriebsrentner unabhängig von der Gesamtrente abgabenfrei. Ein Drittel der Betroffenen mit Zahlbeträgen von bis zu 310 Euro im Monat wäre dann beispielsweise nur noch maximal mit dem halben statt wie bisher mit dem vollen Beitragssatz belastet.

Eine wirklich saubere Lösung wäre viel zu teuer

Im Juni sah es so aus, als ob es auf diese Lösung hinauslaufen könnte. Doch der SPD sei das nicht genug, sie könne sich ein solche Teilentlastung nur als ersten Schritt vorstellen, heißt es von der Union. Am Ende sollte die hälftige Beitragsentlastung für alle Betriebrentner stehen, bestätigte Lauterbach. Zudem streitet man weiter darüber, ob vor allem Beitrags- oder doch eher die Steuerzahler für die Einnahmeverluste der Krankenkassen aufkommen sollten.

Die Skeptiker der Union wiederum geben zu bedenken, dass man es den Versicherten ohnehin nicht recht machen könne – und somit trotz eines hohen finanziellen Aufwandes mit der Abschaffung der Doppelverbeitragung politisch kaum was zu gewinnen sei. Denn viele Betroffene forderten nicht nur Entlastung für künftige Rentner, sondern auch rückwirkende Entschädigung. Und das sei - bei einem geschätzten Kostenvolumen von 40 Milliarden Euro - nun wirklich nicht machbar.

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