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Forschung statt Foto-Safari: Wenn sich die Zebras aus dem Staub gemacht haben, sammeln die Wissenschaftler Kotproben ein.

© Ulrich Sternberg

Parasitologie: Forscher, die auf Zebras starren

Veterinärmedizin- und Biologie-Doktoranden haben im Nationalpark Serengeti in Tansania Parasiten bei Wildtieren erforscht.

Gemächlich zieht die Zebraherde durch die Savanne. Ein Tier hebt den Schwanz. Alle Ferngläser richten sich jetzt auf das gestreifte Hinterteil. Die Forscher merken sich den Ort des Geschehens und lassen die Zebras weiterziehen. Erst als sie sicher sind, dass sie die Tiere nicht stören, rollt der Geländewagen an die Stelle, an der sie die Zebra-Äpfel im hohen Gras vermuten.

Kot ist wertvolles Forschungsmaterial für die Promovierenden im Graduiertenkolleg 2046 „Parasiteninfektionen: von experimentellen Modellen zu natürlichen Systemen“, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Und Kot haben die acht Doktorandinnen und Doktoranden, die im Sommer in die Serengeti reisten, reichlich gesammelt: 49 Proben in knapp zehn Tagen allein von Zebras, viele weitere von Tüpfelhyänen, Pavianen und anderen Tieren. Jede Probe wurde durch exakte Aufzeichnungen über das Alter der Tiere, Geschlecht und Rang innerhalb der Gruppe ergänzt. Ausscheidungen aufzusammeln, ist die einzige Möglichkeit, „berührungsfrei“ Proben von den Wildtieren zu nehmen. Denn die Serengeti ist ein Nationalpark, und dort dürfen selbst Forscher nur sehr begrenzt in die Natur eingreifen. Dass die Doktoranden überhaupt nach Tansania reisen konnten, ist den Kooperationspartnern vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) zu verdanken: dem Direktor des IZW Heribert Hofer und der promovierten Biologin Marion East. Beide forschen seit Jahrzehnten in der Serengeti und teilten in Afrika ihre Erfahrungen zu Wildtieren und Parasiten mit den Studierenden.

Zehn Tage lang wurden Kotproben gesammelt und anschließend im Labor untersucht.
Zehn Tage lang wurden Kotproben gesammelt und anschließend im Labor untersucht.

© Frank Seeber

Ziel der Nachwuchswissenschaftler ist es, Parasiten und ihre Ausbreitung besser zu verstehen.
Ziel der Nachwuchswissenschaftler ist es, Parasiten und ihre Ausbreitung besser zu verstehen.

© Ulrich Sternberg

Parasiten sind inzwischen weltweit ein großes Problem. Viele bilden Resistenzen aus und verbreiten sich durch den globalen Tourismus und Handel rasch unter Menschen und Tieren. In Zukunft könnte sich dieser Prozess durch die Umgestaltung der Landschaften und Lebensräume sowie durch die Erderwärmung noch beschleunigen.

In dem Graduiertenkolleg sollen deshalb die Parasitologen der Zukunft ausgebildet werden. Professorin Susanne Hartmann, Institutsdirektorin und Sprecherin des Kollegs, hält es für essenziell, dass ihre Doktorandinnen und Doktoranden direkt erfahren, was Parasiteninfektionen für Menschen und Tiere bedeuten: Die Promovierenden sollen die Verbindung herstellen zwischen den biomolekularen und immunologischen Fragen, denen sie im Labor nachgehen, und der Realität „draußen im Feld“. Und dies verlangt eben manchmal, stundenlang auf die Verdauung eines Zebras zu warten.

Eine Datenbank soll helfen, Parasiten schneller und sicherer zu bestimmen

Für die Doktorandin Christina Bredtmann hat sich das Warten gelohnt. Sie will eine Datenbank für Nematoden aufbauen, Würmer, die auch Pferde befallen. Die Auswertung der Daten soll helfen, die Parasiten künftig schneller und sicherer zu bestimmen. Mithilfe der Parasiten in den Zebraäpfeln kann sie ihre Angaben nun vervollständigen. Einen Teil der Untersuchungen an dem Zebrakot führte sie nachmittags im Labor der Forschungsstation des Serengeti Wildlife Research Centre (SWRC) bereits durch.

Vormittags waren die Doktoranden mit den Wissenschaftlern vom IZW oder einheimischen Helfern unterwegs in der Savanne. Oriana Kreutzfeld war froh über die Begleitung der Wildtierexperten. Die Doktorandin untersuchte Paviane: Die Affen sind mit langen scharfen Eckzähnen ausgestattet, meist in Horden unterwegs – und oft mit Malaria-ähnlichen Parasiten infiziert. „Es könnte genetische Gründe dafür geben, warum einige Paviane anfällig für diese Erreger sind und andere nicht“, sagt Oriana Kreutzfeld. Die Untersuchung des Affenparasiten Hepatocystis könnte dabei helfen, herauszufinden, ob es auch Menschen gibt, die genetisch vor Malaria geschützt sind.

Um an der Exkursion, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert wurde, teilnehmen zu können, mussten die Bewerberinnen und Bewerber ein zu ihrer Doktorarbeit passendes und auf Wildtiere in der Serengeti bezogenes Forschungsprojekt entwerfen. Ein Dreivierteljahr hat Juliane Kofer, promovierte Biotechnologin vom Institut für Immunologie des Fachbereichs Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin und Koordinatorin des dort angesiedelten Graduiertenkollegs, die Exkursion vorbereitet.

Auch Tsetsefliegen wurden kurzerhand zum Forschungsobjekt

Im Gespräch mit den Wissenschaftlern wird schnell klar, dass Parasitologen eine etwas andere Vorstellung von einer Traum-Safari haben als gewöhnliche Reisende. „Es war sehr beeindruckend, in ausnahmslos allen Tieren, ob Gazelle, Klippschliefer, Zebra oder Löwe Wurmparasiten zu finden“, erzählt Susanne Hartmann. Und während Touristen den zahllosen Tsetsefliegen hilflos ausgeliefert sind, nutzten die Doktorandinnen und Doktoranden sie kurzerhand für ein Forschungsprojekt: Christina Bredtmann fing die Fliegen im Geländewagen, und Oriana Kreutzfeld und ihre Kollegin Suzana Zakovic präparierten sie so, dass ihre Kommilitonen im Darm der Fliegen die sich dort bewegenden Trypanosomen erkennen konnten. Diese Parasiten sind Auslöser verschiedener Krankheiten, zu denen auch die Schlafkrankheit zählt. Dies waren selbst für Professorin Susanne Hartmann nachhaltige Erlebnisse: „Es ist natürlich viel eindrucksvoller, die Pathogene direkt vor Ort im Überträger zu bestaunen, die kurz vorher noch im Auto um einen herumgeschwirrt sind, als wenn ich den Promovierenden an der Uni in Berlin von den Parasiten und ihren molekularen Besonderheiten erzähle.“

Ebenfalls wertvolle Kotlieferanden: die Tüpfelhyänen.
Ebenfalls wertvolle Kotlieferanden: die Tüpfelhyänen.

© Ulrich Sternberg

Auf die Frage, ob die Erfahrungen, die sie in Afrika gemacht habe, sie nicht manchmal auch schockiert hätten, antwortet Christina Bredtmann: „Nein, es war fantastisch.“ Schockiert hätten die Doktorandin andere Erkenntnisse. Zum Beispiel wie viele Tiere bei Touristentouren von Geländewagen angefahren würden. Oder die Wilderei. An einem Tag sei sie mit den IZW-Forschern und dem Tierarzt der Station stundenlang einer Hyäne gefolgt, die sich aus einer Falle befreien konnte, indem sie die Halterung der Drahtschlinge durchgebissen hatte. „Die Schlinge, die sie noch am Hals trug, hatte sich in ihre Luftröhre geschnitten. Hätten wir sie nicht gefunden, wäre das möglicherweise ihr Todesurteil gewesen.“ Christina Bredtmann hat darüber auch mit Einheimischen gesprochen. „Die Menschen stellen im Nationalpark Fallen auf, weil sie arm sind und wenig zu essen haben. Das ist etwas, was mir immer noch zu denken gibt.“

Stefanie Hardick

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