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Israel-Fahne beim Protest gegen den Al-Kuds-Marsch in Berlin - bei dem jedes Jahr zur Eroberung Israels aufgerufen wird.

© Fischer/dpa

Neuer Botschafter Israels in Berlin: Jeremy Issacharoff kommt in stürmischen Zeiten

Erst Diplomat in New York, dann Stratege in Jerusalem - an diesem Dienstag wird Jeremy Issacharoff der wichtigste Botschafter Israels in Europa.

Als Jeremy Issacharoff in seinem Büro in Jerusalem vor einigen Tagen die letzten Kisten packen lässt, per E-Mail erste Termine in der neuen Dienstheimat Berlin bestätigt, erreichen ihn von dort beunruhigende Nachrichten. Einer Anti-Israel-Kampagne ist ihr bislang größter Coup in Deutschland gelungen: Ägyptische, tunesische, syrische und britische Künstler haben ihre Teilnahme an dem vom Senat geförderten Pop-Kultur-Festival abgesagt – ein Boykott, über den weltweit berichtet wurde. Die Musiker wollten nicht auftreten, weil die israelische Botschaft eingeladenen Künstlern aus Israel rund 500 Euro als Reisekostenzuschuss versprach – und als Unterstützer des Festivals erwähnt wurde.

Nun steht Jeremy Issacharoff eben dieser Botschaft in Berlin-Schmargendorf als Chef vor. Wenn er am heutigen Dienstag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue seine Akkreditierung erhält, ist der Diplomat höchster Repräsentant Israels in Deutschland. Issacharoff folgt Yakov Hadas-Handelsman, der seit 2012 im Amt war.

Der Druck aus Europa auf Israel wächst

Es sind turbulente Zeiten – aus Sicht Israels hat sich das Verhältnis der Europäer zur einzigen Demokratie im Nahen Osten verschlechtert. Die erwähnte Kampagne unter dem programmatischen Namen „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ beispielsweise hat erst angefangen, hierzulande Druck zu machen. Ihren Machern geht es darum, israelische Waren aus Regalen zu verdrängen, potenzielle Touristen vor Israel-Besuchen abzuschrecken und Regierungen zu Sanktionen gegen den Judenstaat zu drängen. In Großbritannien weigern sich inzwischen Hochschuldozenten, mit israelischen Kollegen zu kooperieren.

Hierzulande treffen Boykottaufrufe auf eine ohnehin Israel-skeptische, wenn nicht -feindliche Stimmung. Das Land gilt vielen Bundesbürgern, das zeigen Umfragen immer wieder, als Aggressor. Unter den zahlreichen Neuankömmlingen aus dem Nahen Osten dürfte dieses Bild oft deutlicher ausgeprägt sein. Der scheidende Botschafter Hadas-Handelsman sagte dem Tagesspiegel zur Amtseinführung seines Nachfolgers: Es mache keinen Unterschied, von wem Antisemitismus ausgehe – mit Blick auf die Geschichte müsse Judenhass entgegengewirkt werden. „Es liegt aber heute in der Verantwortung Deutschlands, dafür zu sorgen, dass für jeden in diesem Land – egal ob die Familie seit 100, 50 oder fünf Jahren hier lebt – klar ist, dass dieses Stück Geschichte zu Deutschland gehört und man es nicht einfach abtun und vergessen kann.“

Israels neuer Botschafter: Jeremy Issacharoff, bislang Stratege im Außenministerium in Jerusalem.
Israels neuer Botschafter: Jeremy Issacharoff, bislang Stratege im Außenministerium in Jerusalem.

© dpa

Der Kampf gegen Boykotte und die Debatte um Erinnerung werden allenfalls eine, längst nicht die einzige, Aufgabe des neuen Botschafters sein. Issacharoff muss sich mit deutschen Stellen über die zerfallenden Staaten im Nahen Osten – Syrien, Irak, Libyen, Jemen – austauschen, über Verhandlungen mit den Palästinensern, den Siedlungsbau und den Iran debattieren.

Kaum jemand im diplomatischen Corps Israels dürfte für diese Herausforderung besser vorbereitet sein als der Neue in Schmargendorf. Issacharoff gilt als unprätentiöser Stratege, mit allen Konflikten vertraut, die für sein Land bedeutsam sind. Auch wenn er (noch) kein Deutsch spricht, wurde Issacharoff israelischen Medien zufolge aus neun Kandidaten für den Posten ausgewählt.

Botschafter Jeremy Issacharoff wollte im Jom-Kippur-Krieg dienen

Jeremy Issacharoff wurde 1955 in London geboren, er spricht perfektes Englisch. Seine Familie wanderte schon vor der Staatsgründung in das seinerzeit von Briten verwaltete Mandatsgebiet ein – als zionistische Pioniere kämpften die Issacharoffs gegen die Briten. Der Vater gehörte in den Vierzigern der jüdisch-nationalistischen Untergrundarmee Etzel an. Auch Sohn Jeremy zieht es in die Armee. Als Issacharoff 1973 an der London School of Economics sein Jura- Studium startet, beginnt in Israel der Jom-Kippur-Krieg. Am fünften Tag als Student meldet sich der 18 Jahre alte Issacharoff freiwillig bei der Armee. Die Israel Defense Forces, kurz IDF, nehmen ihn vorerst nicht. Stattdessen hilft er für einen Monat in einem Kibbuz – ein Zeichen der Solidarität. Nach dem Jura-Examen legt Issacharoff mit einem Master in Internationale Beziehungen nach. Sein neuer Dienstort spielt in der Abschlussarbeit übrigens eine zentrale Rolle: Es geht um Abschreckung im Kalten Krieg – vor allem im geteilten Berlin. Erst nach dem Studium wird Issacharoff in den IDF dienen.

In Israel zieht es den jungen Mann danach nicht in eine Kanzlei, er wird zügig Berufsdiplomat. Seine Karriere beginnt in den Achtzigern als Berater des israelischen UN-Botschafters in New York. Auf den Fluren der UN-Zentrale, schreibt die „Jerusalem Post“, gelingt es Issacharoff, mit sowjetischen und chinesischen Diplomaten vertrauliche Gespräche zu führen, obwohl die jeweiligen Regierungen damals offizielle Kontakte ablehnen. Israels UN-Botschafter zu dieser Zeit ist Benjamin „Bibi“ Netanjahu, heute Premierminister und Außenminister seines Landes. Issacharoff und sein Chef kennen sich seit mehr als drei Jahrzehnten. Nach seiner Zeit in New York wechselt Issacharoff in die Botschaft nach Washington. Während der Jahre in den USA lernt er auch seine Frau Laura kennen, eine Kommunikationsexpertin. Mit ihr hat Issacharoff eine Tochter, Ella, und zwei Söhne, Dean und David – die beiden dienten in IDF-Kampfeinheiten.

Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel - sie waren vor wenigen Jahren besser.
Die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel - sie waren vor wenigen Jahren besser.

© Schlesinger/dpa

Der Konservative Netanjahu soll sich persönlich dafür eingesetzt haben, dass Issacharoff in Berlin neuer Botschafter wird. Der Posten in Deutschland gilt in Israel übrigens als fast so wichtig wie der in der US-Hauptstadt. Die Botschaft in Berlin ist nach der in Washington derzeit die zweitgrößte Auslandsvertretung.

Politisch lässt sich Issacharoff nicht klar einordnen. In den Neunzigern arbeitet er für den Außenminister Schimon Peres, der ja Spitzenfunktionär der Arbeitspartei war. Es sind die Jahre der geheimen Friedensgespräche mit den Palästinensern in Oslo – die letztlich scheitern, im Jahr 2000 bricht die zweite Intifada aus. Issacharoff gründet 2002 die Abteilung für strategische Angelegenheiten im Außenministerium in Jerusalem. Er kümmert sich um Rüstungskontrolle, Terrorismusbekämpfung und den Iran. Von 2003 bis 2008 sitzt der Diplomat im UN- Beirat für Abrüstungsfragen. Zuletzt befasst sich Issacharoff außerdem mit den Akteuren im Syrien-Krieg.

Erster Auftritt für Issacharoff: Gedenken an das Olympia-Attentat

Zum Palästina-Konflikt hat sich der Stratege kaum öffentlich geäußert – was sich in Deutschland ändern könnte. Als Botschafter in Berlin wird es neben dem deutsch-israelischen Verhältnis viel um den Siedlungsbau und die Zwei-Staaten- Lösung gehen, die man in der Bundesregierung offenbar nicht aufgeben will. Deutsche Diplomaten berichten, sie hätten mit Issacharoff schon auf seinem alten Posten im Außenministerium eng zusammengearbeitet. In einer Woche hat der Botschafter seinen ersten öffentlichen Einsatz in Deutschland – einen Termin in München. In Bayerns Landeshauptstadt erwartet die Bundesregierung am 6. September den israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin zum Gedenken an das Olympia-Attentat 1972.

Im kommenden Jahr wird dann das 70. Jahr der Gründung des Staates Israels gefeiert. Auch in Deutschland sind zahlreiche Veranstaltungen geplant. Dabei steht nicht nur das politische Personal der Bundesrepublik im Mittelpunkt, sondern einer der wichtigsten Botschafter in Berlin: Jeremy Issacharoff. Höchste politische Aufmerksamkeit ist ihm sicher.

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