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Nicht stören! In der kalten Jahreszeit kugeln sich die Bienen zusammen.

© picture alliance / blickwinkel/P

Neue Anlaufstelle: Warten auf den Frühling

Imkern in der Großstadt ist hip – die neue Bienen- Koordinationsstelle an der Freien Universität will Hobbyimker, ihre Schützlinge und Amtstierärzte gleichermaßen unterstützen.

Auf dem Dachgarten, dem Balkon oder im eigenen Garten? Eigentlich egal. Hauptsache, die Bienenstöcke stehen vor der Witterung geschützt. Imkern, früher überwiegend ein Hobby von Herren jenseits der 70, ist seit einiger Zeit bei jüngeren Großstädtern schwer angesagt. „Der Jüngste bei uns im Imkerverein ist erst 13 Jahre alt“, erzählt Professor Ralf Einspanier vom Institut für Veterinär-Biochemie der Freien Universität Berlin. Er leitet die Arbeitsgruppe Bienen und unterscheidet zwischen „Imkern“ und „Bienenhaltern“. 95 Prozent der derzeit geschätzt 2000 Besitzer von etwa 10 000 Bienenvölkern in der Hauptstadt sind Hobbyimker. Rund 1350 von ihnen sind im Berliner Landesverband des deutschen Imkerbundes organisiert und ausgebildet. Zu den übrigen gehören leider auch diejenigen Bienenhalter, die sich im Internet ein bis zwei Bienenkisten bestellen und einfach mal schauen, wie es läuft.

Bislang eine Randnotiz

Der urbane Hype um die emsigen Honigsammlerinnen – nach Rind und Schwein die drittwichtigste Nutztierart in Deutschland – hat Biologen, Amtstierärzte und den Berliner Senat gleichermaßen überrascht. Nun wurde eine Bienen- Koordinationsstelle mit Sitz an der Freien Universität eingerichtet. Zwar gibt es an der Hochschule schon seit Jahrzehnten neben Bienenforschung auch Informationsveranstaltungen für interessierte Laien. Doch die Biene war im Ausbildungsplan von Veterinärmedizinerinnen und Veterinärmedizinern doch eher eine Randnotiz.

Genervte Mitbewohner

Das soll sich ändern. Bienenkunde für Studierende, öffentliche Veranstaltungen, Imkerkurse, Beratung und Schulung von Amtstierärzten bezüglich Bienengesundheit gehören ebenso zu den Aufgaben der Koordinationsstelle, der die promovierte Tierärztin Antonia Genath als Wissenschaftlerin angehört, wie die Begleitung von Forschungsprojekten. Zum Beispiel zur Epidemiologie von Bienenseuchen wie der Amerikanischen Faulbrut, einer anzeigepflichtigen bakteriellen Erkrankung, die die Bienenlarven zerstört. Wer Bienen halten möchte, muss sich vorher sachkundig machen durch den Besuch von Kursen bei Imkervereinen oder der Koordinationsstelle. „Vorab empfiehlt sich ein Gespräch mit den Hausbewohnern“, sagt Ralf Einspanier. „Honigbienen haben einen Flugradius von drei Kilometern, und die Einflugschneise des Stocks sollte nicht gerade über des Nachbarn Balkon liegen.“ Ein paar Gläser Honig mildern Verdruss bei genervten Mitbewohnern nur etwas. Nicht nur deshalb empfiehlt sich die Mitgliedschaft in einem Imkerverein, der bei juristischen Streitereien Rechtsbeistand leistet. Vereinsmitglieder unterstützen „die Neuen“ auch ein Jahr lang als Pate oder Patin. Der finanzielle Aufwand sei ebenfalls nicht zu unterschätzen, denn neben der Honigschleuder werden diverse Gerätschaften benötigt.

Am ruhigsten ist es im Winter

Ein rein kontemplatives Hobby ist Imkern nicht. Es macht echt Arbeit! Am ruhigsten ist es im Winter, wenn die Bienen sich im Stock zu einer sogenannten Wintertraube zusammenkugeln, um sich gegenseitig zu wärmen. Dabei sollte man sie nicht stören. Wenn im Frühjahr ihre Anzahl durch die Brut-Aktivität der Königin stetig steigt, ist aufmerksame Beobachtung angesagt. „Da beginnen sie zu schwärmen, was man durch regelmäßige Schwarmkontrolle und zum Beispiel durch frühe Ablegerbildung verhindern sollte“, sagt Antonia Genath. Die Königin wird mit einem Teil der Brutwaben und Arbeiter-Bienen nun dem Stock entnommen und in einen neuen Bienenkasten eingesetzt. Ist die alte Königin mit ihrem Hofstaat jedoch bereits entwischt, gilt es, den Schwarm wieder einzufangen.

Um eine neue Behausung zu suchen, schickt die Königin Kundschafterinnen aus. Dazu lässt sie sich selbst mit dem Schwarm zunächst in der Nähe des alten Stocks in einem Baum oder Busch nieder. Wird der Schwarm dort nicht rechtzeitig vom Besitzer aufgespürt und in einen Schwarmkasten abgeklopft, kann ihn sich jeder aneignen. „Frühjahr und Sommer sind die Haupttrachtzeiten. Da finden Honigproduktion und das Schleudern statt. Richtung Herbst beginnen dann die Behandlungen gegen die Varroamilbe“, sagt Antonia Genath. Das kann durch den Einsatz verschiedener organischer Säuren im Stock geschehen. „Der Gesundheitsstatus sollte dabei gut kontrolliert werden.“

Zwei Völker zum Start

Nicht jeder, der sich ein Bienenvolk zulegt, bleibt auch dabei. „Manche hören nach zwei Jahren wieder auf, weil ihnen der Schwarm davongeflogen ist oder sie die Tiere totgepflegt haben“, sagt Ralf Einspanier. Er empfiehlt deshalb, mit zwei Völkern zu beginnen, damit die Frustration nicht zu groß ist und zumindest eines der Völker durch den Winter kommt. Wer etwas für Biodiversität und Artenschutz tun möchte, sollte sich übrigens keine Honigbienen halten. Denn anders als die rund 550 Wildbienenarten, die in Berlin heimisch sind, sind sie nicht vom Aussterben bedroht.

„Wildbienen leben meist nicht in einem Hofstaat, sondern solitär. Um sie zu fördern, sollte man ihnen neben Nahrungs- auch Nistangebote machen“, betont Ralf Einspanier. Bienenhotels, Kästchen mit Bambusrohrhalmen, eignen sich selbst für den kleinsten Balkon. Für bodennistende Arten wie Erdhummeln oder Sandbienen könne man in der Gartenecke offene, sandige Bereiche belassen.

Ringelblumen, Astern, Kapuzinerkresse

Im vergangenen „Corona-Sommer“ erblühten Gärten und Balkone der Hauptstadt so üppig wie nie. Doch nicht jede Pflanze ist auch bienenfreundlich. „Die Blüten sollten nicht stark gefüllt sein, damit die Tiere überhaupt an die Nektardrüsen herankommen. Geranien, die Balkonklassiker schlechthin, sind nicht geeignet“, erklärt Ralf Einspanier. Dafür aber Ringelblumen, Astern, Kapuzinerkresse, Vergissmeinnicht und viele andere. Stehen Robinien und Linden in voller Blüte, lassen die Tierchen allerdings die schönsten Exoten links liegen.

Wenn die Krokusse blühen, beginnt die Zeit der Honigproduktion.
Wenn die Krokusse blühen, beginnt die Zeit der Honigproduktion.

© picture alliance / dpa

Giftige Pflanzen gibt es für Bienen nicht – wohl aber für Menschen giftigen Honig. Enthält er hohe Pollen- und Nektaranteile von Rhododendron ponticum, kann das zu Übelkeit, Erbrechen und Halluzinationen führen. Pontischer Honig, auch Tollhonig genannt, ist meist Wildhonig von der türkischen Schwarzmeerküste. Die typische Berliner Mischung ist aber ein ganz gesunder Blütenhonig aus Linde und Robinie – verfeinert mit Allerlei aus dem Großstadtdschungel. Dass Lindenhonig, im Unterschied zu Lindenblütenhonig, zu einem guten Teil aus dem Honigtau der Blattläuse bestehen kann – über deren Darm ausgeschiedenem Zuckersaft, den die Bienen weiter verwerten – schreckt Honigliebhaber nicht ab. Auch die Biene selbst verschlingt ihre süße Beute ja zunächst, deponiert sie während des Sammelns in einer Honigblase und spuckt sie dann in die Waben aus.

50 Kilogramm Honig im Jahr

Ein starkes Bienenvolk produziert bis zu 50 Kilogramm Honig im Jahr. „Bei einem guten Imkerhonig sollte der Wassergehalt nicht über 18 Prozent liegen – alles andere ist Geschmackssache“, sagt Ralf Einspanier. Während die einen milden Honig, hell oder flüssig, bevorzugen, lieben andere die dunklen, aromatischen Wald- und Blatthonige. „Am besten schmeckt natürlich d er eigene“, sagt Ralf Einspanier lächelnd. Ob er selbst viel Honig isst? „Nein, nur ein Glas pro Monat.“

Catarina Pietschmann

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