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Sein ganzes Leben dreht sich um Musik: Stephan Moritz

© Doris Spiekermann-Klaas

Mokoh Music: Im Rhythmus der Stadt

Stephan Moritz macht Musik, so lange er denken kann. Heute setzt er mit seiner Firma Mokoh Music Maßstäbe in der Vertonung von Werbung. Preisgekrönt ist seine Arbeit mittlerweile - doch zu Beginn setzte er auf das falsche Pferd.

Wer Fernsehen schaut, kennt wahrscheinlich – ohne es zu wissen – die Musik von Mokoh Music: Werbeclips von der Deutschen Bahn, Volkswagen, Hyundai oder Zalando sind mit ihr unterlegt. Hinter Mokoh Music steckt maßgeblich Stephan Moritz, dessen Biografie eng verknüpft ist mit der Geschichte von Berlin – und es ist eine musikalische Erfolgsgeschichte.

Geboren und aufgewachsen ist er in Friedrichshain, sehr früh wird er auf der Musikschule des Bezirkes angenommen – so früh, dass er sich noch nicht einmal erinnert, wie alt er damals war. Er lernt Blockflöte, irgendwann auch Klarinette. Mit zwölf Jahren beginnt er, Saxofon zu spielen, parallel kommt auch noch Klavierunterricht dazu.

In diesem Jahr fällt die Mauer, Stephan Moritz geht mittlerweile auf ein Musikgymnasium. Er lässt sich ein auf eine Stadt, die sich in rasender Geschwindigkeit verändert. "Berlin ist die einzige Stadt, wo die Wiedervereinigung ab Tag eins stattfinden musste", sagt er. Er taucht ein in die aufblühende Musikszene der Stadt, geht auf Partys und in Clubs. Mit 14 beginnt er, Taekwondo zu lernen, deshalb kennt er viele der Berliner Türsteher und wird in Clubs gelassen, für die er eigentlich noch viel zu jung ist.

Die Musik bleibt immer dabei - auch als Zimmerer

Mit 18 bricht er die Schule ab. "Mir war klar, dass ich was mit Musik machen will, wozu brauche ich da Chemie über die elfte Klasse hinaus?", sagt er. Er geht nach Hause und sagt zu seinen Eltern: "Ich habe gerade die Schule abgebrochen und gehe jetzt zum Bund." Danach kehrt er nach Berlin zurück, macht sein Fachabitur in Bau- und Holztechnik und arbeitet zwei Jahre als Zimmerer. Doch die Musik bleibt immer dabei: Nebenbei gibt er Saxofon-Unterricht.

Zur Jahrtausendwende kommt auch bei ihm die Wende. "Saxofon war damals nicht so richtig in", sagt er. "Ich habe mich gefragt: Braucht die Welt einen weiteren arbeitslosen Saxofonisten?" Moritz schwenkt um auf Tontechnik und beginnt, auf Konzerten die Musik der Bands abzumischen. Und er weiß, dass er studieren will. Um an einer Fachhochschule angenommen zu werden, muss er aber sechs Monate Praktikum vorweisen. Er bewirbt sich bei Studio Funk, die ihm zunächst ein Praktikum für vier Wochen anbieten. Moritz ist sofort in seinem Element. Er kommt morgens als Erster und geht abends als Letzter: "Ich habe alles aufgesaugt." Noch im Praktikum wird ihm eine zweijährige Ausbildung angeboten, die er annimmt – mit dem festen Vorsatz, danach zu studieren.

Beim Echo ein Demo unter die Nase gehalten bekommen

Es ist die Zeit der New Economy: Viele Agenturen kommen nach Berlin, Studio Funk wird mit Aufträgen überhäuft. "Ich konnte schon als Praktikant viel selbst machen", sagt Moritz. In dieser Zeit gewinnt er die ersten Preise. Er ist so gut in dem, was er tut, dass manche schon beim zweiten Auftrag gezielt nach ihm fragen. Man will ihn halten: Er brauche kein Studium, er könne auch so bleiben. Moritz weiß, wie schwierig es ist, in der Branche Fuß zu fassen. Doch er ist unschlüssig: "Was ist, wenn ich irgendwann keine Lust mehr auf Werbung habe?" Das Angebot fällt schließlich so großzügig aus, dass er bleibt.

Das Jahr 2007 markiert einen Wendepunkt für ihn bei Studio Funk: Ihm wird die Gesamtleitung für Berlin angetragen. Er nimmt auch das an, baut einen zweiten Standort in Mitte auf. In dieser Zeit lernt er auf einer USA-Reise seine jetzige Frau kennen. Während er das zweite Studio in Mitte aufbaut, führt er eine Fernbeziehung in die USA und plant seine Hochzeit. Er hat viel zu tun, vor allem aber bemerkt er, dass ihm die Musik fehlt. Das Gefühl setzt sich fest in Kopf und Herz – und leitet sein Ende bei Studio Funk ein. Sein Ausstieg läuft ihm in Gestalt von Jan-Eric Kohrs über den Weg. Bei einer Echo-Verleihung hält Kohrs ihm ein Demo unter die Nase: Ob er eine Idee hätte, was man damit machen könne?

Mehrfach mit dem Branchen-Oscar ausgezeichnet

Hat er. Moritz und Kohrs gründen Mokoh Music und nehmen zusammen mit Oliver Pocher das Lied "2010" auf, eine Fußballhymne zur WM. Der Track klettert bis auf Platz 19 in den Charts. "Die Musikbranche war schon damals nicht mehr so rosig, aber wir waren erfolgreich – da dachten wir, das könnte klappen", sagt Moritz. Damit liegt er allerdings falsch. Im ersten Jahr verbrennt Mokoh Music viel Geld. "Es war nicht existenzbedrohend, aber es wurde irgendwann klar, dass dieser Geschäftszweig nicht mehr rentabel wird", sagt er. Moritz geht in sich: Was kann ich, was andere nicht können?

Bei Studio Funk hatte er mit Kreativen zusammengearbeitet und immer wieder gemerkt, wie unterschiedlich Werber und Musiker über Musik sprechen. "Wir sind Dolmetscher und Berater", sagt Moritz heute. Mit Mokoh Music bringt er Musiker und Agenturen zusammen, berät die Agenturen, besorgt passende Musiker und Komponisten und übersetzt ihnen die Werbersprache. Es gibt nicht viele, die das auf diese Weise in Berlin machen. Kohrs steigt irgendwann aus, Moritz macht allein weiter. Er hat mittlerweile vier Festangestellte. Zusätzlich beschäftigt er – je nach Auftragslage – bis zu 50 Komponisten im Monat. Und er scheint auf dem richtigen Weg zu sein: Schon mehrmals wurde Mokoh Music beim Cannes Lions International Festival of Creativity ausgezeichnet, allein in diesem Sommer erhielt er drei der begehrten Trophäen. Und in Zukunft? Da will Moritz internationaler arbeiten. Gerade baut er einen zweiten Standort in Sao Paulo auf. "Ich bin eben kein Wintermensch", sagt er und grinst.

Dieses Stück erschien zuerst im Wirtschaftsmagazin "Köpfe" aus dem Tagesspiegel-Verlag, das Sie hier bekommen können: Tagesspiegel Köpfe bestellen

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