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Uli Richter im November 2016 in der Ausstellung "Uli Revisted" im Kunstgewerbemuseum.

© Wolfgang Kumm/dpa

Zum Tod von Uli Richter: Der letzte Couturier vom Kurfürstendamm

Uli Richter machte die Berliner Mode in den sechziger Jahren wieder salonfähig und sorgte bis zu seinem Tod dafür, dass er nicht in Vergessenheit geriet.

Die Geschichte von Uli Richter lässt sich am besten in Kleidern erzählen. Eines seiner ersten war ein mit Rosen bedrucktes rotes Abendkleid, das er 1957 als junger Couturier für das Konfektionsunternehmen „S.-&-E.-Kollektionen“ entwarf. Es war gerade so gewagt, dass es Aufsehen erregte, aber gefällig genug für die Dame von Welt. Ein ähnliches Kleid ließ er zu seinem neunzigsten Geburtstag für eine Ausstellung im Berliner Kunstgewerbemuseum anfertigen. Er fand, dieses Kleid müssten die Leute unbedingt gesehen haben und ließ es kurzerhand nachschneidern. Bei der Eröffnung ließ er sich daneben mit einem breiten Lächeln fotografieren. Uli Richter hatte wieder seinen Kopf durchgesetzt.

Uli Richter ist der einzige Couturier der Nachkriegszeit, der schon zu Lebzeiten dafür sorgte, dass seine Kleider nicht in Vergessenheit gerieten. 2005 kaufte das Kunstgewerbemuseum sein Archiv, bestehend aus 661 Kleidern, 3000 Modefotografien und 11.000 Entwurfsskizzen. Richter gab noch einen Kronleuchter, der in seinem Vorführsaal am Kurfürstendamm hing und die Stühle aus dem Münchner Salon dazu. Dafür verpflichtete sich das Museum, alle zehn Jahre eine Ausstellung zum Werk von Uli Richter zu organisieren.

Uli Richter mit seinem Rosenkleid.
Uli Richter mit seinem Rosenkleid.

© Wolfgang Kumm/dpa

So ist der Modedesigner im Gegensatz zu seinen damaligen Kollegen im Gedächtnis geblieben: Wer kennt heute noch Staebe-Seger, Gehringer & Glupp, Schwichtenberg, Detlev Albers? Sie alle waren feste Größen der Berliner Mode, bauten ihre Salons nach dem Krieg rund um den Kurfürstendamm auf.

Uli Richter war der jüngste von ihnen. Sein Haus gründete er 1959 und galt als Hoffnung der deutschen Mode. Gut zwanzig Jahre später war der einzig Übriggebliebene. Spätestens mit dem Bau der Mauer hatten viele Couturiers in Westberlin aufgegeben, die meisten Schneiderinnen arbeiteten im Osten. Uli Richter ließ sich davon nicht beirren, Anfang der siebziger Jahre arbeiteten auf sechs Etagen am Kurfürstendamm 279 Angestellte. Es gab drei Musterateliers, eins für Mäntel und Kostüme, eins für Kleider und eins für Abendkleider. Die Entwürfe wurden erst aus Nessel genäht, bevor sie aus kostbaren Stoffen für Kundinnen wie der Verlegergattin Gertrud Bucerius, der Verlegerin Aenne Burda oder Ignes Pono, der Frau des Bankiers Jürgen Ponto maßgefertigt wurden.

Kanzlergattin Rut Brandt ließ sich die Garderobe für Staatsbesuche schneidern

Auch Rut Brandt vertraute sich ihm an. Ab 1970 ließ sie ihre Garderobe von Uli Richter entwerfen. Für einen USA-Besuch bestellte sie drei Mäntel, ein Abendkleid, drei Complets sowie drei Kleider. Die Damen der Bonner Gesellschaft konnten sich auf Uli Richter verlassen - auch dann noch, als er sich offiziell im Dezember 1982 zur Ruhe setzte. Er machte einfach in seinem Haus in Grunewald weiter und kleidete von dort aus seine Stammkundinnen ein.

Geschäftstüchtig war der Sohn eines Potsdamer Drogeriehändlers immer gewesen. Schließlich war er als Textilkaufmann ausgebildet worden. Gleich am Anfang seiner Selbstständigkeit heuerte Richter den Discjockey Lord Knut vom Rias Berlin für seine Modenschauen an. Die Mannequins traten nicht mehr einzeln auf – sie liefen gemeinsam zu einer einstudierten Choreografie. Schon 1962 führte er „Uli Richter Spezial“ ein, eine vergleichsweise günstige Prêt-à-Porter-Linie. Damit war er dem Pariser Yves Saint Laurent vier Jahre voraus, der mit seiner Linie „Rive Gauche“ als Erfinder der Mode von der Stange gilt.

Uli Richter 1980 mit zwei Models in San Francisco.
Uli Richter 1980 mit zwei Models in San Francisco.

© Promo

Aus den Anfangsbuchstaben UR entwarf der Modezeichner Gert Hartung ein Logo, das Anfang der siebziger Jahre auf Tüchern, Taschen und Strickpullovern als Endlosmuster auftauchte. Wenn Uli Richter im Ausland die deutsche Mode repräsentierte, wollte er nichts von einem deutschen und noch weniger von einem Berliner Stil wissen: Für ihn gab es nur internationale Mode.

Wenn die Lufthansa ein neues Flugziel einweihte, zeigte Uli Richter seine Mode im dortigen Flughafen. „Man kann Uli Richter als die Ein-Mann-Modeindustrie von Westdeutschland bezeichnen“, schrieb die Journalistin Eleanor Lambert bei einem seiner vielen Besuche in New York.

Seine letzte Ausstellung organisierte er selbst

Das störte Uli Richter nicht weiter. Er wusste, auf wen er zählen konnte. Da war als allererstes seine Geschäftspartnerin Dorothea Köhlich, die er schon bei seinem ersten Arbeitgeber Horn kennenlernte, mit ihm die Geschäfte bei S.-&-E.-Kollektionen leitete und sich schließlich mit ihm selbstständig machte - gleichberechtigt, das war ihr wichtig. Zeit ihres Lebens trug sie nichts anders als Uli Richter. Auch mit 80 Jahren war er nicht darüber hinweg, dass sie sich nach einer späten Heirat ins Privatleben zurückzog. Für Richter war das ein Verrat an der gemeinsamen Sache: Zwanzig Jahre lang vier Kollektionen im Jahr, insgesamt mehr als 8000 Modelle.

Die Arbeit an der Marke Uli Richter ging auch weiter, als er alleine war, nichts mehr produzierte. Erst brachte er Modestudentinnen an der Universität der Künste als Professor bei, was er wusste, dann begann er, sein Archiv zu sortieren.

Uli Richter ließ seine Mode besonders gern am Flughafen fotografieren.
Uli Richter ließ seine Mode besonders gern am Flughafen fotografieren.

© F.C. Gundlach

1991 erarbeitete er mit seinem Freund und Weggefährten, dem Fotografen F.C.Gundlach eine Ausstellung der Berliner Modegeschichte anhand von Fotografien im Gropiusbau. Es ist bis heute das einzige Standardwerk zu diesem Thema.

Vor zwei Jahren eröffnete Uli Richter, inzwischen 92 Jahre alt, seine letzte Ausstellung im Ephraim Palais. Dafür hatte er dem Stadtmuseum Zeichnungen und Fotografien aus seiner Sammlung geschenkt. Er sorgte nicht nur dafür, dass das Rosenkleid im Mittelpunkt stand, auch den passenden Titel für die Ausstellung dachte er sich aus, „Uli Richter - Weltklasse in Berlin“.

Am 8. Juli starb der letzte Couturier vom Kurfürstendamm mit 94 Jahren in einem Berliner Krankenhaus.

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