zum Hauptinhalt
Feministische Schlagwörter und tragbare Mode bei Dior.

© Anne-Christine Poujoulat/AFP

Pariser Modewoche: Jetzt mal ganz im Ernst

Die Mode in Paris ist tragbarer geworden. Früher wäre das ein vernichtendes Urteil gewesen, heute ist es in eine beruhigende Nachricht.

Am deutlichsten wurde es ausgerechnet am letzten Tag der Pariser Modewoche bei Chanel: Die Mode ist ernsthafter geworden. Statt aufwendiger Fantasiewelten reichte Karl Lagerfelds Nachfolgerin Virginie Viard ein vergleichsweise schlichter, verspiegelter Laufsteg im Grand Palais, um ihre Mode in Schwarz-Weiß zu zeigen.

Auch bei Dior setzt Kreativdirektorin Maria Grazia Chiuri vor allem auf bestes Handwerk, exzellente Passformen und italienische Stoffe. Da wirkten feministische Slogans wie „Patriarchy“ und „We are all clitoridian women“, die über dem Laufsteg leuchteten, aufgesetzt und ohne Bezug zur Kollektion. Ihre Mode, viel Schwarz, Karo- und Tupfenmuster mit Kopftüchern, Stirnbändern und Ballonmützen sowie kniehohen Strümpfen, kann man nur als tragbar bezeichnen. Was einst ein vernichtendes Urteil war, gilt in einer zunehmend irrer werdenden Welt, in der man Entspannung statt Sensationen sucht, als Trend.

Grafische Muster beim Schweizer Label Akris.
Grafische Muster beim Schweizer Label Akris.

© Akris

Das Schweizer Label Akris zeigte mit Hosenanzügen und Kleidern aus Woll-Bouclé-Tweed, Samt oder Kaschmir elegante Lässigkeit auf höchstem Niveau. Albert Kriemler, der seit 40 Jahren das Couture-Haus führt, ließ sich dazu vom avantgardistischen Architekten Robert Mallet-Stevens und Weggefährten wie Sonia und Robert Delaunay inspirieren. Die Schau fand passend dazu im Musée d'art moderne vor deren Werken statt. Kriemler übersetzte die kubistischen und grafischen Elemente von Mallet-Stevens’ Bauten in Drucke, Applikationen und Stickerei. Die herbstlichen Farben sind beeinflusst von den Ölgemälden der Delaunays.

Perfekt verarbeitete Lederdetails bei Hèrmes.
Perfekt verarbeitete Lederdetails bei Hèrmes.

© Filippo Fior/Hermes

Auch das Luxushaus Hermès feierte mit seinen Produkten die Handwerkskunst. Die Kollektion aus dem Pariser Modehaus ist eine Art Formel 1 der Mode, an der man sehen kann, welche Perfektion möglich ist.

Das gelingt besonders mit Leder, verarbeitet in Mänteln, Anzügen oder auch nur als Detail auf karierten Kleidern. „Vestiaire“ heißt das bei Hermès; eine Garderobe, die aus Lieblingsteilen verschiedener Saisons aufgebaut ist und lange getragen werden kann.

Leder, Pailletten und großes Karo - so stellt Hèrmes Handwerkskunst unter Beweis.
Leder, Pailletten und großes Karo - so stellt Hèrmes Handwerkskunst unter Beweis.

© Filippo Fior/Hèrmes

Auf den Schauen wichtiger Marken wie Saint Laurent, Dries Van Noten, Balmain oder Vivienne Westwood wurden die unterschiedlichsten Frauenbilder präsentiert, mal düster-romantisch, mal tough, mal exaltiert. So gab es kaum einen roten Faden, nur merkwürdige Parallelen. So hat sich der Amerikaner Virgil Abloh, Chefdesigner für Menswear bei Luis Vuitton, in seinem Label Off-White von der Streetwear verabschiedet, für die er vor ein paar Jahren berühmt wurde. Nun zeigte er Kleider, die eher an die Couture der altgedienten spanischen Designerin Isabel Sanchis erinnerten.

Kunihiko Morinaga setzt mit seinem Label Anrealage aufs Baukastensystem.
Kunihiko Morinaga setzt mit seinem Label Anrealage aufs Baukastensystem.

© Francois Mori/AP/dpa

Neben den großen Namen präsentierten sich auch zahlreiche junge Designer, inzwischen oft aus Russland oder Asien wie der Designer Kunihiko Morinaga, der zur neuen japanischen Avantgarde zählt. Für sein Label Anrealage entwarf er ein System aus Modulen, das an Holzspielzeug erinnert. Rechtecke, Kreise, Quadrate, Dreiecke und Halbkreise in leuchtenden Primärfarben waren mit Druckknöpfen aneinander befestigt. So entstand zum Beispiel aus den Bestandteilen eines Trenchcoats, einer Bomberjacke und Keulenärmeln ein erstaunlich stimmiger Mantel. Ein Thema das an die Kollektion „Baukasten Individualisten 12/6/24“ der Berliner Designerin Alexandra Kiesel erinnerte, mit dem sie 2011 in Berlin einen Nachwuchspreis Designer gewann.

Aus Deutschland waren nur wenige Unternehmen präsent wie der Strumpfhersteller Falke mit einem Abendessen. Andere wie Dorothee Schumacher, Danny Reinke und das Berliner Schuhlabel Trippen zeigten in Showrooms, das Berliner Magazin 032c präsentierte seine erste Prêt-à-porter- Kollektion in Paris.

Zur Eröffnung der neuntägigen Modewoche empfingen der französische Präsident Emmanuel Macron mit dreien seiner Minister 200 Gäste zu einem Diner im Élysée-Palast. Unter den Gästen waren nicht nur Designer wie Jean-Paul Gaultier, Maria Grazia Chiuri und der Deutsche Lutz Huelle, sondern auch viele Chefs der wichtigsten Modemarken. So viel öffentliche Unterstützung für die Mode in Europa gab es auch in Frankreich noch nie.

Düster und schön, Defilee bei Dries Van Noten.
Düster und schön, Defilee bei Dries Van Noten.

© Vianney Le Caer/dpa

Ein Gipfeltreffen ganz anderer Art war der LVMH-Prize des gleichnamigen Luxuskonzerns, zu dem neben Louis Vuitton auch Céline und Givenchy gehören. 22 Finalisten, die von 1700 Bewerbern aus 110 Ländern übrig geblieben waren, stellten sich zwei Tage der Kritik von 68 führenden Experten. Hier wich der Glamour einer Arbeitsatmosphäre. Schwergewichte wie Sidney Toledano, CEO der LVMH Fashion Group, nahmen sich Zeit für jeden jungen Designer. Auffallend war die Dominanz Londons, die Hälfte der Finalisten arbeitet dort. Wenn man anschließend in den Berlin-Showroom kam, wurde deutlich, dass sowohl die Auswahl der Designer als auch die Präsentation besser werden muss, um gegenüber der starken internationalen Konkurrenz bestehen zu können. So zeigten unter dem Titel „Brits in Paris“ allein 50 Showrooms 104 Kollektionen, dazu stellten britische Designer auf den Messen Tranoï, Première Classe, Vendôme Luxury, Woman Paris sowie im London Showroom aus.

Ob bei Dior, Akris oder Hermès, alle Kleider sind so teuer, dass sie sich nur wenige leisten können. Können solche Investment Pieces eine Antwort auf die drängende Frage nachhaltiger Mode sein? Zumindest könnten sie dazu inspirieren, weniger, aber besser zu konsumieren.

Joachim Schirmmacher

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false