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Beatrace Angut Oola setzt sich für Mode "Made in Africa" ein.

© privat

Modeexpertin Beatrace Angut Oola über Rassismus: „Ich werde noch immer nach einem weißen Ehemann gefragt“

Beatrace Angut Oola ist Expertin für Mode „Made in Africa“. Auch in Zeiten von „Black Lives Matter“ erlebt sie als Geschäftsfrau of Color Rassismus.

Frau Angut Oola, Sie leiten als Schwarze Geschäftsfrau die Kreativagentur APYA und betreiben die Kommunikationsplattform „Fashion Africa Now“, die Kreative aus Afrika präsentiert und zusammenbringt. Wie beeinflusst „Black Lives Matter“ Ihre Arbeit?
Es gibt eine größere Aufmerksamkeit für meine Themen und der Bedarf weißer Labels an Beratung steigt immens. Es gibt aber ein Problem: Sie wollen Schwarzer Expertise keinen Wert beimessen.

Wie stellt sich das dar?
Es gibt unterschiedliche Anfragen, unter anderem von Modeunternehmen oder Marketing Firmen, die gerne mit „Black-Owned“-Modelabels arbeiten würden. Durch „Black Lives Matter“ sind diese Labels aktuell sehr gefragt. Statt einer Beratung zu dem sensiblen Thema wollen Sie Kontakte oder nur eine Liste von Modelabels und alles weitere auf eigene Faust machen. Das erlebe ich immer wieder. Und diese Liste soll dann häufig kostenlos sein. Trotzdem die Firmen ein Geschäft machen wollen, assoziieren sie Schwarze Themen immer noch mit Entwicklungsarbeit und Wohltätigkeit.

Dabei ging es Ihnen immer schon um gleichberechtigte Partnerschaften.
Alles fing vor zehn Jahren damit an, dass ich mich als modeinteressierte Woman of Color in der Diaspora nicht repräsentiert fühlte. Für afrikanisches Modedesign gab es keinen Zugang zum deutschen Markt. Deshalb habe ich 2011 mit Gleichgesinnten den „Afrika Fashion Day“ organisiert. Uns war wichtig, dass das eine Businessplattform war und im Rahmen der gängigen Fashion Weeks stattfand.

Sie haben afrikanische Labels auf der Premium-Modemesse präsentiert. Wie wurde das aufgenommen?
Das Medienecho war gut, aber die Einkäufer wollten kein Risiko eingehen. Es gab aber auch afrikanische Designer, die damals den Anforderungen nicht gewachsen waren. Die Designer haben sich professionalisiert, aber die Probleme blieben bestehen. 2015 sich das Projekt nicht mehr finanzieren.

Erhielten Sie keine Unterstützung?
Es gab zwar viele afrikabezogene Projekte, aber kein Interesse an der Kreativwirtschaft. Es ging nur um um den Baumwollanbau, nicht um die gesamte Wertschöpfungskette. Ich war überzeugt, dass das wirtschaftlich funktionieren würde, denn 400 deutsche Firmen arbeiteten mit Afrika zusammen. Es gab sonst keine andere Businessplattform in dieser Form in Europa. Wertgeschätzt wurde das von Suzy Menkes, der Modekritikerin der Herald Tribune und der italienischen Vogue.

Wie ging es weiter?
Ich habe Basisarbeit mit meiner Kommunikationsplattform „Fashion Africa Now“ geleistet und dort gezeigt, was für tolle, moderne Mode aus Afrika kommt. Für Institutionen und Museen habe ich unter anderem Ausstellungen mitorganisiert wie „Connecting Afro Futures“ am Kunstgewerbemuseum in Berlin 2019. Wenn es um Dekolonialisierung geht, beteilige ich mich an der Diskussion.

Sie bevorzugen allerdings den Begriff „Dekonstruktion“ vor „Dekolonialisation“.
Ja, der beschreibt einen Perspektivwechsel. Ich bin gegen die Vorstellung, dass Afrika erst kolonialisiert wurde und nun dekolonialisiert. Beim Dekonstruieren geht es darum, bis ins Kleinste der Institutionen hineinzuschauen. Dort gibt es keinen Raum für unsere Stimmen. Dieser strukturelle und institutioneller Rassismus ist auch in der Mode tief verankert.

In der so offenen und toleranten Modeszene?
In der Mode wird häufig nicht in die Tiefe geschaut. Zu wenig Schwarze Models? Wer sitzt denn in den Moderedaktionen, welche Sichtweisen werden dort repräsentiert? Jetzt ist das Thema auf einmal spannend. Aber bei der Elle wurde im Oktober „Back to Black“ getitelt, als wären wir nur ein Trend. Und im Heft wurden Schwarze Models verwechselt. Jetzt gibt es eine Kolumne zum Thema in der Vogue. Aber als Neuentdeckungen werden schwarze Labels vorgestellt, die ich vor fast zehn Jahren gezeigt habe. Das ist alles zu bequem. „Happyland“, wie es die Antirassismus-Trainerin Tupoka Ogette nennt. Einem Zustand, in dem sich die Weißen nicht mit Rassismus auseinandersetzen, weil sie denken, dass es für sie kein Thema sei.

Wie ist es für Sie im „Happyland“ zu arbeiten?
Man kennt kaum unabhängige schwarze Geschäftsfrauen. Damit erscheinen sie wohl als irgendwie unberechenbar. Ich muss leider sagen, dass ich noch immer nach einem weißen Ehemann gefragt werde.

Wie kann sich das ändern?
Es braucht das Eingeständnis, dass man sich zurücknehmen will und auch sagen kann: Ich gebe ab. Es braucht einen Führungswechsel. Im Management müssen die Leute reflektieren: Kann ich den Wechsel überhaupt leisten oder macht es Sinn den Platz freizumachen für jemanden, der diesen Blick mitbringt. Es ist die Zeit gleichberechtigter Partnerschaften. Deshalb sehe ich die „Black-Owned Businesses“-Bewegung der Mehrheitsgesellschaft kritisch. Wir können weder eine weitere Separation gebrauchen, noch mehr Stigmata von Weißen.

Die Entwürfe des südafrikanischen Labels Masa Mara findet Beatrace Angut Oola preisverdächtig.
Die Entwürfe des südafrikanischen Labels Masa Mara findet Beatrace Angut Oola preisverdächtig.

© Dillon Buirski

Warum ist Mode afrikanischer Herkunft jetzt so begehrt und was ist afrikanische Mode eigentlich?
Neben der aktuellen politischen Relevanz steht afrikanische Mode für Slow-Fashion und wiederentdeckte Handwerkskunst. Aber eben auch für einen frischen Blick auf westliche Mode aus afrikanischer Perspektive. Deshalb wird diskutiert, ob Mode aus der Diaspora genauso dazu zählt wie Mode „Made in Africa“. Dort brauchen wir jedenfalls verlässliche Partner, um die Nachfrage bedienen zu können ohne an Qualität einzubüßen. Ein hochsensibler Prozess.

Was ist Ihre jüngste Kooperation?
Die Stiftung SEZ ermöglicht es uns, in diesem Jahr einen „Fashion Africa Now“-Podcast zu starten. Dort werden wir alle Themen ausgiebig diskutieren.

Ingolf Patz

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