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Welche Richtung? Bei Pool können Männer für 49 Euro monatlich zwei Produkte so lange und so oft ausleihen wie sie möchten.

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Mode leihen statt kaufen: Heute ein Anderer

Kleidung leihen – das passt in eine Zeit, in der viele mehr als genug besitzen. Was es bisher nur für Frauen gab, will Pool nun für Männer in Berlin anbieten.

Besitz scheint eine Generationenfrage zu sein. Wer mit dem Leitspruch „Haste was, biste was“ und dem Glauben an unendliches Wachstum aufgewachsen ist, dem fällt es schwerer, sich von Dingen zu lösen oder gebrauchte Kleidung zu kaufen. Jetzt wächst eine Generation heran, der ständig vor Augen geführt wird, dass sie einerseits mit Mangel umgehen und anderseits den Überfluss verwalten muss. Bemerkenswert ist, wie pragmatisch viele junge Menschen darauf reagieren: nicht mit Verweigerung oder eskapistischen Shopping-Exzessen, sondern mit der Suche nach anderen Quellen.

Der Markt für Second-Hand-Kleidung boomt und hat durch den Lockdown noch einmal deutlich zugelegt, sodass jetzt auch Unternehmen wie Zalando überlegen, wie sie daran verdienen können. Dazu kommt ein wachsendes Interesse daran, Kleidung auf Zeit zu besitzen und sie dann weiterzugeben.

Rune Orloff hat lange in der Mode gearbeitet, er weiß genau, dass zu viel Kleidung produziert wird. Ende Juli ist er mit Pool, dem ersten Verleihservice für Männer, online gegangen. Auf Instagram kann man Bilder der Kleidung anklicken und sie bestellen. Im besten Fall wird sie eine Stunde später per Lastenfahrrad geliefert oder liegt im Kreuzberger Showroom in der Markgrafenstraße bereit.

Wer Kleidung nicht besitzt, sondern leiht, kann auch mal ein Blumenhemd ausprobieren.
Wer Kleidung nicht besitzt, sondern leiht, kann auch mal ein Blumenhemd ausprobieren.

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Orloff und seine Geschäftspartner Milena Sperk und Kristian Rix haben versucht, es den Männern so einfach wie möglich zu machen, damit der Kleiderverleih für sie funktioniert. Für Frauen hat sich das System schon etabliert. Das Vorbild für deutsche Start-ups ist „Rent the Runway“ aus den USA mit inzwischen mehreren Millionen Mitgliedern. Hierzulande war die Kleiderei das erste Unternehmen, das sich 2012 an den Verleih wagte und 2018 aufgeben musste. Inzwischen hat eine der Gründerinnen, Thekla Wilkening, mit „Stay Awhile“ einen neuen Versuch gestartet, unterstützt wird sie von Tchibo. Die beiden Hamburgerinnen Linda Ahrens und Tina Spießmacher gründeten 2019 „Unown“, hier kann man ausschließlich nachhaltige Kleidung leihen. Jeden Monat kommen Mitglieder im zweistelligen Prozentbereich dazu, geliefert wird nach ganz Deutschland, bald sollen Österreich und die Schweiz dazukommen.

Erstaunlich, dass sich bisher noch niemand an die Männer herangewagt hatte. Bei Pool gibt es erstaunlich wenige Kleidungsstücke für den unentdeckten Paradiesvogel. Im Showroom hängen schwarze Hosen von Soulland, die nachhaltige Sportmarke Aeance steuert schwarze Jacken bei, die Männer genauso zum Sport wie im Büro tragen können. Auch der Berliner Designer Hien Le ist dabei, Jeans kommen von Nudie, die ebenfalls auf Nachhaltigkeit setzen. Die Hosen in verschiedenen Waschungen und Schnitten kommen bei Bestellung direkt aus Schweden.

Dieses Hemd oder jenes Sweatshirt. Wer will, kann seine Garderobe bei Pool wöchentlich wechseln.
Dieses Hemd oder jenes Sweatshirt. Wer will, kann seine Garderobe bei Pool wöchentlich wechseln.

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Rune Orloff will, dass die Sachen wirklich getragen werden. Nur Kleidungsstücke, die mindestens einmal ausgeliehen wurden, schaffen es in die Rotation. Bei allen Marken handelt es sich um Kleidung aus den vergangenen Saisons. Orloff war gerade auf der Fashion Week in Kopenhagen, für den Dänen ein Heimspiel: „Die Hersteller zeigen die Kollektionen für nächstes Jahr, in den Läden hängen jetzt die für Herbst/Winter, für die aktuelle interessiert sich keiner mehr. Die Unternehmen verkaufen ihre Überhänge an Outlets für einen Preisnachlass von bis zu 70 Prozent, bei uns werden sie beteiligt. Wenn die Kleidung mehrmals ausgeliehen wurde, kaufen wir sie.“

Außerdem bekommen die Marken Daten darüber, wie sich ihre Kleidung trägt, wie haltbar sie ist. „Es ist verrückt, kein Modeunternehmen weiß, was mit den Produkten geschieht, nachdem sie verkauft wurden. Das wollen wir ändern.“ Im Moment werden neue fünf Mitglieder in der Woche aufgenommen – die Warteliste ist lang. Im September soll es dann richtig losgehen. Dann mietet Pool einen weiteren Lagerraum für rund 1000 Teile von mehr als zwanzig Labels.

Wer sich mit Rune Orloff trifft, muss sich etwas Zeit nehmen, um sich seine Geschichte anzuhören von seinen Anfängen beim dänischen Designer Henrik Vibskov, seiner Zeit als Vertriebschef bei der Berliner Brillenmarke Mykita bis zum Ideenentwickler für den Aktivisten Cyrill Gutsch, der Stoff aus Plastikmüll aus dem Meer macht. Mit der Zeit hat er immer mehr gelernt, aus dem, was da ist, etwas Sinnvolles zu machen.

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