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Mode: Iris Apfel wird 98: Der älteste Teenager der Welt

Das Metropolitan Museum widmete Iris Apfel eine Ausstellung, obwohl sie keine Modedesignerin ist. Am Donnerstag feierte die Stilikone ihren 98. Geburtstag.

Zehn Armreifen müssen es schon sein, farblich aufeinander abgestimmt, dazu die passenden Ringe an den Fingern, die Bluse mit großem Kragen, darüber eine Stola aus türkisfarbenem Lammfell. Ihr Mund ist knallrot geschminkt, die riesigen runden Brillengläser heben ihre Augen mit den vielen Lachfältchen hervor. Die Brille ist längst zum Markenzeichen von Iris Apfel geworden. Ihre Fans geben sich so auf Instagram zu erkennen, darunter viele, die 90 Jahre jünger sind als ihr Idol. Iris Apfel ist ohne Zweifel mit ihren 98 Jahren die älteste Stilikone der Welt.

Die alte Dame aus New York sticht in ihren mit viel Stilgefühl getragenen, papageienfarbenen Kleidern sie so sehr aus der Masse heraus, dass das Metropolitan Museum of Art ihr 2005 als erster lebender Person, die keine Modedesignerin ist, eine Ausstellung mit 80 Outfits widmete. Zuvor ließ Harold Koda, damals Kurator des Costume Institute, mit einem Lastwagen 300 Kleidungsstücke und Hunderte Accessoires aus ihrer Wohnung abholen, wo er sich mehrere Tage durch Apfels Kleiderschränke gearbeitet hatte. Koda hatte nicht damit gerechnet, bei ihr einen solchen Schatz zu heben, eigentlich sollte es nur eine kleine Schau mit ein paar Outfits werden.

Aber Iris Apfel ist eben nicht einfach eine verrückte Alte, die sich nicht mit der Tristesse des Alterns abfinden wollte und deshalb beschloss, wilder zu sein als die anderen 80-Jährigen. Sie hat ihr Leben lang dafür gearbeitet, einmal mit ihrem Stil berühmt zu werden. So steht es in ihrer vor Kurzem erschienenen Biografie. Die ist aufgemacht wie ein Bilderbuch mit vielen typisch amerikanischen Sprüchen wie: „Wenn du jung bleiben willst, musst du jung denken.“ Und vor allem in Bewegung bleiben.

Das tut Iris Apfel. Nach ihr wurde eine Barbiepuppe gestaltet, sie hat eine Kosmetiklinie mit einem extra roten Lippenstift, ist Gastprofessorin an der Universität Austin, Texas, sie verkauft Accessoires auf einem Shoppingkanal und feiert ihren Geburtstag mit dem Designer Tommy Hilfiger. 2015 drehte der Regisseur Albert Maysles eine Dokumentation über ihr Leben.

Als Erweckungserlebnis beschreibt sie ihre erste Shoppingtour im Alter von zwölf

Das war auch schon vor der Ausstellung aufregend. Zusammen mit ihrem Mann Carl, mit dem sie 66 Jahre verheiratet war, stattete Apfel mit ihrer Firma „Old World Weavers“ das Weiße Haus unter den Regierungen von Harry S. Truman bis Bill Clinton mit historisch nachgearbeiteten Stoffen aus.

Als Erweckungserlebnis beschreibt sie ihre erste Shoppingtour im Alter von zwölf. Das war 1933, ihre berufstätige Mutter hatte keine Zeit, also gab sie ihrer Tochter 25 Dollar und schickte sie nach Manhattan ins Kaufhaus S. Klein. Dort kaufte das Mädchen ein Kleid, das ihr auf den ersten Blick gefiel, dazu Schuhe und einen Hut. Die Auswahl hielt den harten Kriterien ihrer immer makellos gekleideten Mutter stand und Iris Apfel fühlte sich ermutigt, es weiter zu versuchen.

Was ihr auch mit 98 Jahren nicht behagt: anderen Ratschläge zu geben. Vielleicht, weil es bei ihr beim ersten Mal mit dem Bauchgefühl so gut klappte. Sie ist überzeugt, dass man Stil nicht lernen kann: „Entweder man hat ihn oder nicht.“ Dass sie ihren so sehr verfeinerte, liegt auch sicher an ihrem Aussehen, das in den vierziger Jahren wohlmeinend mit „apart“ umschrieben wurde. Sie kam nie auch nur in die Nähe der klassischen amerikanischen Schönheit. In der Highschool beobachtete sie all die Mädchen mit perfekten Haaren, die mit den besten Sportlern ausgingen und zu Ballköniginnen gewählt wurden. „Sie verließen sich auf ihr Aussehen, um an ihr Ziel zu kommen. In anderer Hinsicht haben sie sich nicht entwickelt – im Gegensatz zu Mädchen, die aussahen wie ich, denn wir mussten es auf anderem Wege zu etwas bringen“, schreibt Apfel in ihrem Buch. Sie studierte Kunstgeschichte und später Kunst, wollte erst Journalistin werden, stattete dann aber Häuser und Wohnungen reicher New Yorker aus.

Einfach nur schlau zu sein, reichte ihr nicht. Sie arbeite hart daran, für ihr Äußeres gelobt zu werden – nicht für ihr Aussehen, sondern für ihre besonderen Outfits. Dafür wurde sie zu einem Trüffelschwein. Sie kaufte überall ein, auf Flohmärkten, in Discountern, in Paris, wenn die Haute-Couture-Häuser ihre Musterstücke verkauften, und immer und überall Accessoires und Schmuck.

Davon hat sie solche Mengen, dass sie jetzt, wo ihr nicht mehr viel Zeit bleibt, so viel wie möglich auf einmal tragen will. Dabei lebte sie ihre Exzentrik immer auf eine sehr altmodische Art aus. Am liebsten würde sie Briefe mit Brieftauben verschicken, E-Mails lehnt sie ab. Sie wollte immer auffallen, aber niemanden vor den Kopf stoßen. Dafür hatte sie ein einfaches Motto: „Erst anpassen, dann ausscheren.“

- Iris Apfel, Stil ist keine Frage des Alters. Midas Verlag, 15 Euro.

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