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Mode: Das Brillenlabel ic! berlin: Knick in der Optik

Das Brillenlabel "ic! berlin" hat die Branche mit neuartigen Bügeln durcheinander gebracht. Nun gibt es den Relaunch. Damit die Marke erwachsen wird.

Der Clown ist weg. Hier und da steht noch eine Postkarte mit seinem Konterfei herum, aber ansonsten ist es recht friedlich in der Firmenzentrale von ic! berlin in Marzahn. Da ist keiner, der durch die Gänge turnt und Faxen macht.

Lange war das Gesicht des Berliner Brillenlabels Ic! Berlin sein Gründer Ralph Anderl. Der begnügte sich nicht damit, dass seine Produkte besonders waren. Er wollte es als Chef auch sein, deshalb ließ er sich von einer Kamera über seinem Schreibtisch filmen, machte Handstand für Kunden und Grimassen als Brillenmodel. 1996 entwickelte Anderl zusammen mit zwei Designstudenten eine neue Brille aus 0,5 Millimeter dünnem Federstahl mit besonderen Brillenbügeln, die heute noch das Kennzeichen einer jeden ic! berlin-Brille sind. Die zwei Designer gründeten dann wenig später das andere bekannte Berliner Brillenlabel Mykita, Anderl führte seine Firma alleine weiter.

Der Umzug der Firma vom Prenzlauer Berg nach Marzahn vor zwei Jahren war der letzte harte Schnitt, Anderl verkaufte die Mehrheit seiner Anteile an eine Beteiligungsgesellschaft: Die Firma führt Jörg Reinhold schon seit 2013, jetzt ist er alleine dafür verantwortlich. „Nach zwanzig Jahren hat Ralph gesehen, dass er sich lösen muss und etwas Neues machen will. Auch unser Umfeld ändert sich drastisch“, sagt Reinhold. Und fügt lapidar hinzu: „Der Generationswechsel führt nicht zum nächsten Businessclown.“

So richtig will diese Firma nicht an den Rand der Stadt passen, in ein Gewerbegebiet mit Blick auf Plattenbauten und die S-Bahn-Gleise. Auf den beiden Etagen mit mehr als 3600 Quadratmetern sieht alles ganz modern aus, der graue Betonboden, die gläsernen Büros, offenen Holzeinbauten für die Küche, in der die Köchin Daria gerade für alle das Mittagessen kocht und einen Kuchenteig anrührt. Doch Reinhold sagt, dass sich die Firma nicht nur aus Vernunft für den Umzug entschieden hat. Sie wollten auch beweisen, dass sie immer noch gegen den Strom schwimmen. Außerdem sparen sie eine halbe Millionen Euro im Jahr, denn die Miete für ihre Fabriketage im Prenzlauer Berg sollte sich verdoppeln.

Früher hätte einem hier das Konterfei von Ralph Anderl entgegengealbert, heute hängen an der Glaswand zwei Banner in Schwarzweiß mit dem neuen Logo von ic! berlin. Das und auch eine ganz neue Website will Jörg Reinhold noch im Oktober präsentieren. Daran haben er und sein Team lange gesessen, und auch damit wollen sie nicht gefallen, schon gar nicht gefällig sein, sondern ein paar Regeln brechen. Zum Beispiel damit, dass sie runde und eckige Buchstaben im Schriftzug kombinieren. „Typografen mögen das nicht“, sagt Reinhold. Jetzt müssen sie darüber nachdenken, was ic! berlin ohne Ralph Anderl ist, Reinhold nennt das „Markenemanzipation.“ In Asien gelten sie als Premiummarke: „Wenn es nach unseren asiatischen Kunden ginge, hätten wir längst einen Laden auf dem Kudamm.“ Er betont aber, dass ihnen das Querdenken immer noch wichtig ist.

Das will die Firmenleitung auch jetzt nicht verlieren, wo Anderl nicht einmal mehr das Maskottchen der Firma ist, sondern vielleicht seine Promotion zu Robert Musil zu Ende schreibt. Das Anderssein gehört immerhin zum Gründungsmythos. Der war, eine doch eher dröge Branche durcheinanderzubringen und die verschraubten Bügel, eine Schwachstelle jeder Brille, durch solche aus Metall zum Klicken zu ersetzen. Die ersten bot Ralph Anderl nicht etwa auf einem Messestand, sondern aus den Innentaschen seines Trenchcoats an – total verboten, aber erfolgreich.

Zum Relaunch der Firma hat Sebastian Herkner vier Brillen für ic! berlin entworfen. Er ist so etwas wie der neue deutsche Stardesigner, im Februar wurde er auf der Pariser Designmesse Maison et Objets zum „Designer des Jahres 2019“ gewählt. Es war das erste Mal, dass er sich mit Brillen beschäftigte. Reinhold schwärmt von der Zusammenarbeit, Herkner habe auch gleich noch ein paar Ideen für den Shop in der Münzstraße in Mitte gehabt.

Die Brillen sind aufwendig gearbeitet. Das Modell „Avus“ – ein schnittiges Modell, das an eine klassische Pilotenbrille erinnert – hat einen gelaserten Rand direkt auf den Gläsern. Bei „Bellevue“ hat Herkner die Materialien umgedreht, das Acetat liegt innen, das Metall außen am Rahmen der Brille.

So viel Innovation ist nicht günstig, aber bei ic! berlin funktioniert das Prinzip Fachhandel noch. „Teure Brillen werden beim Optiker gekauft und nicht online. Online wird in unserer Branche überschätzt“, sagt Jörg Reinhold. Vor allem Kontaktlinsen und günstige Brillen verkaufen sich online. Doch bei ic! berlin spielt der Onlinehandel kaum eine Rolle, stattdessen geht es um Service, Service, Service.

Den hat die Firma auch dadurch verbessert, dass sie fast alle Produktionsschritte inzwischen selbst macht. In Marzahn entstehen die Metallbrillen, in Moabit werden die Rahmen beschichtet. 140 Mitarbeiter sitzen allein in Marzahn an den Werkbänken, Computern und Laserdruckern, um täglich rund 1000 Brillen zu fertigen. Es gibt Brillen aus Federstahl, aus Acetat, aus Kunststoff aus dem 3-D-Drucker und – sehr exklusiv – aus Büffelhorn. Und es gibt ein neues, sehr schlankes Gestell. Mit der Silk-Kollektion will ic! berlin den Ruf ablegen, eine technische Männermarke zu sein.

Auch Fans können sich die Produktion zeigen lassen. Zweimal in der Woche kann man sich für eine Tour mit einem echten „ic! Berliner“ anmelden. „Egal ob Optiker, Bäcker oder Bundeskanzlerin“, jeder sei willkommen, so steht es auf der Website. Ein bisschen albern ist ic! berlin also immer noch.

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